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Verbraucherschützer: Stromwirtschaft bedient sich bei Netzentgelten selbst

Für Aribert Peters, Chef des Bundes des Energieverbraucher, sind die von den Netzbetreibern angekündigten Stromerhöhungen ungerechtfertigt. Gleiches gelte für Netzentgeltbefreiungen für Großbetriebe: Dagegen habe sein Verband Beschwerde bei der EU-Kommission eingereicht.

Aribert Peters im Gespräch mit Jule Reimer |
    Jule Reimer: Wind- und Sonnenstrom senken zwar den Strompreis im Großhandel, für Otto Endverbraucher steigt er jedoch ab 2013 an – allein die Umlage für Wind- und Sonnenstrom wird von 3,6 auf 5,3 Cent zulegen. Jetzt halten noch andere die Hand auf: Die Financial Times Deutschland berichtet heute, dass auch die Netzbetreiber mehr Geld für die Durchleitung des Stroms durch ihre Netze haben möchten, ein Trend, den die Bundesnetzagentur bestätigte. Wie stark an der Preisschraube gedreht wird, ist noch offen. Ein Rechenbeispiel aus der FTD: Eine Erhöhung der Netzentgelte um zehn Prozent würde sich beim durchschnittlichen Haushalt mit 17 Euro Mehrkosten pro Jahr bemerkbar machen. - Am Telefon ist Aribert Peters vom Bund der Energieverbraucher. Herr Peters, so ein Stromnetz will gepflegt und finanziert werden. Ist es also richtig, wenn die Netzbetreiber jetzt etwas draufschlagen?

    Aribert Peters: Nein, das ist in vielen Fällen unberechtigt. Das hat folgenden Hintergrund: Die Stromnetze müssen natürlich weiter ausgebaut werden. Aber die Beträge dafür sind im Grunde schon eingepreist in den bisherigen Netzentgelten. Bedarf dafür, die Netzentgelte weiter zu erhöhen, sehe ich jetzt in erster Linie zunächst mal nicht. Der Hintergrund für die Erhöhung ist, dass bis zum 15. Oktober die neuen Netzentgelte im Internet bekannt gegeben werden müssen, und die Stromversorger können auf dieser Basis dann ihre neuen Tarife fürs kommende Jahr berechnen. Allerdings müssen diese Netzentgelte genehmigt werden durch die Bundesnetzagentur, und wir gehen davon aus, dass viele Netzentgelterhöhungen fürs nächste Jahr überhaupt nicht genehmigt werden. Das hätte dann zur Folge, dass die Strompreise um diese Netzentgelterhöhungen aufgebläht sind, die dann am Ende gar nicht zu zahlen sind, weil sie nicht genehmigt wurden.

    Reimer: Nicht nur bei der EEG-Umlage gibt es große Vergünstigungen für energieintensive Unternehmen. Diese Unternehmen sind ja auch von den Durchleitungsgebühren für die Netze befreit. Auch das ein Preis, den man für den Erhalt der Arbeitsplätze zahlen muss?

    Peters: Ja, das ist auch eine sehr große Ungerechtigkeit, dass hier die Netzentgeltbefreiungen für die Großbetriebe verfügt wurden.

    Reimer: Aber das sind Unternehmen, die stehen in der internationalen Konkurrenz.

    Peters: Die stehen auch da ganz gut. Wir haben 150 Milliarden Exportüberschuss. Also diese Unternehmen müssen jetzt nicht subventioniert werden durch die Gemeinschaft aller übrigen Stromkunden. Das ist an der Stelle nicht sinnvoll und auch unzulässig. Wir haben deshalb, weil es sich um eine unzulässige Beihilfe handelt, auch bei der EU-Kommission eine Beschwerde eingereicht und die EU-Kommission hat deswegen auch schon aufgrund unserer Beschwerde ein Beihilfeverfahren gegen die Bundesrepublik eröffnet, weil das offensichtlich ungerecht ist, unbegründet und eben auch gegen die Beihilferichtlinien der EU verstößt.

    Reimer: Bundesumweltminister Peter Altmaier möchte Bürger als Investoren in den Netzausbau gewinnen und ihnen dafür eine Rendite von fünf Prozent bieten. Empfehlen Sie den Einstieg?

    Peters: Das ist ja ganz interessant. Bei der Bank bekommt man nicht so viel. Allerdings die Netzbesitzer, die bekommen für ihre Investitionen zehn Prozent zugebilligt. Also ich würde da eigentlich fairerweise verlangen, dass dann auch die Privatpersonen, die da investieren, auch die zehn Prozent kriegen. Ich könnte mir nicht vorstellen, wie diese Zinsdifferenz von fünf Prozent eigentlich zu erklären ist. Das wäre eigentlich ein gutes Geschäft, aber die Zahlen zeigen ja schon, wie gut sich hier die Stromwirtschaft selber bedient bei den Netzentgelten, die letztlich die Verbraucher zu tragen haben.

    Reimer: Das Handelblatt berichtete vergangene Woche von einer Studie, die im Bundesumweltministerium offenbar vorliegt. Demnach bietet die EEG-Umlage viele Schlupflöcher für Unternehmen, um sich von der Umlage befreien zu lassen, obwohl sie gar keine Großverbraucher von Strom sind. Auch soll zum Beispiel Saarstahl einen alten Kohlekraftwerksblock gepachtet haben, um unter das sogenannte Eigenstromprivileg zu fallen, das eben auch zu einer Befreiung führt. Können Sie solche Methoden aus der Grauzone bestätigen?

    Peters: Können wir bestätigen. Auch wir haben gehört, dass so vorgegangen wird. Zum Beispiel ein Industriebetrieb zahlt für Strom, er zahlt für Gas, er zahlt für Druckluft, und die Rechnung wird dann eben mal so umgeschrieben, dass unter dem Strich der gleiche Rechnungsbetrag herauskommt, aber die Stromrechnung höher ausfällt und die anderen Posten geringer ausfallen. Dadurch kommt man dann in das Privileg. Das ist natürlich Schummel, eine Umgehung, das sollte natürlich nicht sein. Eine andere Methode ist zum Beispiel, dass die Rechnung an die Tochtergesellschaft geschickt wird, oder die Maschinen werden einfach laufen gelassen, damit der Stromverbrauch sich erhöht. Auch dadurch könnte man, wenn man gerade an der Grenze ist, in das Privileg reinkommen. All dies zeigt, wie unsinnig diese Ausnahmeregelung eigentlich ist.

    Reimer: Weitere Strompreiserhöhungen drohen – vielen Dank für das Gespräch an Aribert Peters vom Bund der Energieverbraucher.


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