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Verbraucherschützerin: Geld in Patientenleistungen stecken

Der Bundesgesundheitsminister hat vorgeschlagen, die Krankenkassenüberschüsse an die Versicherten auszuzahlen. Ilona Köster-Steinebach vom Bundesverband der Verbraucherzentralen rät davon ab. Sinnvoller sei es, "das Geld als Ganzes zurückzulegen" oder es "in Form von Versorgungsleistungen zu verwenden".

Ilona Köster-Steinebach im Gespräch mit Jule Reimer |
    Jule Reimer: Lange gab es nur Klagen über die furchtbaren Defizite vieler Krankenkassen. Jetzt reden plötzlich alle nur noch davon, wie gut es den Kassen geht, guter Konjunktur und Arbeitsmarkt sei Dank. Nach Berechnungen des Kieler Instituts für Weltwirtschaft steuern Gesundheitsfonds und Kassen zudem auf weitere Milliardenüberschüsse zu. Das Gesundheitssystem dürfte dieses Jahr über fünf und nächstes Jahr fast weitere zwei Milliarden Euro Überschuss machen, so die Ökonomen. Damit wachsen auch die Begehrlichkeiten. Die Gewerkschaften möchten gerne die Kassenbeiträge der Arbeitnehmer senken, die Arbeitgeber wünschen sich sowieso niedrigere Lohnnebenkosten und der Bundesfinanzminister will den Steuerbeitrag zum Gesundheitsfonds reduzieren.

    Frage an Ilona Köster-Steinebach vom Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV): Kommt denn für Sie eine der genannten Lösungen in Frage? Außerdem fordert ja auch mancher die Ausschüttung der Überschüsse an die Versicherten.

    Ilona Köster-Steinebach: Die genannten Lösungen, die Sie jetzt gerade angesprochen haben, sind aus unserer Sicht eigentlich eher problematisch.

    Reimer: Das heißt, noch nicht mal die Ausschüttung an die Versicherten ist in Ihrem Sinne?

    Köster-Steinebach: Es kommt darauf an, wie da ausgeschüttet wird, und eigentlich sogar auch generell die Ausschüttung ist problematisch. Das kann man aber nur verstehen, wenn man sich so ein bisschen im Gesundheitswesen schlau gemacht hat, wenn man nämlich sieht: in den letzten Jahren bis auch mittlerweile schon fast Jahrzehnten ist der ökonomische Druck auf die Krankenkassen sehr hoch geworden. Die Krankenkassen werben darüber, dass sie keine Zusatzbeiträge einnehmen, es geht aber auch so weit, dass einzelne Krankenkassen in die Insolvenz gegangen sind – da gab es ja auch ganz unrühmliche Dinge, zum Beispiel rund um die City-BKK und deren Schließung -, und das sind alles so Dinge, die eigentlich dazu führen, dass die Krankenkassen zum Teil notwendige Investitionen in Infrastruktur, in wichtige Versorgungsprojekte aufgeschoben haben, verzögert haben und sich auch gegenüber ihren Versicherten oft nicht besonders freundlich verhalten haben.

    Reimer: Das heißt, wie würden Sie konkret das Geld dann ausgeben, oder auch teilweise zurücklegen?

    Köster-Steinebach: Aus unserer Sicht gibt es zwei gangbare Lösungen. Das eine wäre, tatsächlich das Geld als ganzes zurückzulegen, also im Gesundheitsfonds zurückzuhalten, weil die derzeitigen guten Rahmenbedingungen sich so aus unserer Sicht dauerhaft nicht fortsetzen werden. Vor allen Dingen ist schon absehbar, dass im Gesundheitswesen weitere Kostensteigerungen passieren werden, die werden dann auch aufgefangen werden müssen, und in solchen Situationen ist eine Rücklage immer gut. Das ist sozusagen die eine Möglichkeit.
    Die andere wäre, den Kassen aufzutragen, dieses Geld in Form von Versorgungsleistungen zu verwenden, und da wäre halt auch noch mal wichtig, darauf zu achten, dass es sich dabei um wirklich notwendige Versorgungsleistungen handelt, dass da nicht so viel in sogenannte Satzungsleistungen fließt, worunter sich auch ganz merkwürdiges verbergen kann, zum Beispiel die Finanzierung von Bachblüten-Therapie oder ähnlichem.

    Reimer: Es gibt ja Krankenkassen, die schwimmen in Überschüssen, und andere sind gerade mal so in den schwarzen Zahlen. Wie kommt das und wie sollte damit umgegangen werden? Brauchen wir mehr Wettbewerb, oder mehr Finanzausgleich zwischen den Kassen?

    Köster-Steinebach: Dass die Finanzlage von Kassen ganz unterschiedlich ist, ist in aller Regel eher weniger auf deren persönliche Leistung, auf deren besonders gute oder besonders schlechte Organisation zurückzuführen, sondern darauf, welche Art von Versicherten sie haben. Wenn sie junge gesunde Versicherte haben, die sehr wenig kosten, dann können sie Überschüsse anhäufen, wenn sie viele kranke Versicherte haben, oder auch Versicherte, die in der Stadt wohnen – Versicherte in der Stadt kosten mehr -, dann geraten sie in Notlagen. Auf dieser Grundlage jetzt einen reinen Preiswettbewerb aufzubauen, wäre aus unserer Sicht dann sehr verzerrend. Man braucht auch mehr Ausgleich an der Stelle.

    Reimer: Sagen Sie uns doch bitte, warum kosten Versicherte in der Stadt mehr?

    Köster-Steinebach: Weil die in aller Regel wesentlich mehr fachärztliche Leistung in Anspruch nehmen als auf dem Land.

    Reimer: Also es gibt keinen Grund, dass man in der Stadt kränker wird, man hat nur besseren Zugang zum Gesundheitssystem?

    Köster-Steinebach: Es gibt einen klaren Zusammenhang zwischen den Zugangsmöglichkeiten zum Gesundheitssystem und den in Anspruch genommenen Leistungen und damit auch den Kosten. Das war zum Beispiel der Grund, warum die City-BKK ein so ungünstiges Versichertenprofil hatte, weil sie im wesentlichen in Hamburg und Berlin vertreten war.

    Reimer: Also das Geld nicht ausschütten, sondern die Krankenkassenüberschüsse sparen. Oder anders: besser im Sinne der Versicherten ausgeben. Das fordert die Verbraucherschützerin Ilona Köster-Steinebach. Vielen Dank nach Berlin!

    Köster-Steinebach: Gerne.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.