"Wenn jemand deutlich über 20 Euro für einen Wein ausgibt, dann erwartet er natürlich deutlich mehr, als wenn er jetzt mal 7 bis 8 Euro für einen Wein ausgibt. Vielleicht spielt die Erwartungshaltung eine Rolle, die sich auf das Geschmackserlebnis niederschlägt, vielleicht schmeckt man mehr hinein sozusagen und konzentriert sich ein bisschen mehr und kriegt dann ein bisschen mehr mit, und dann schmeckt der teurere Wein dann auch besser."
Weinhändler Uwe Hoffmann aus Köln differenziert deutlich Weine nach Region und Verarbeitung. Weine im oberen Preislevel sind ein Markenzeichen von Qualität. Ein besonderes Geschmackserlebnis wird dabei vorausgesetzt. Diese Erwartungen sind vorprogrammiert und beeinflussen den geschmacklichen Sinn. Neurowissenschaftler Bernd Weber von der Universität Bonn beschäftigt sich intensiv mit sogenannten „künstlichen Erwartungen".
Fokus auf Marken und Preise verändern Geschmack
"Man kann beschreiben, dass solche Erwartungen, die hervorgerufen werden, wie zum Beispiel durch bekanntere Marken oder durch höhere Preise oder bestimmte Auszeichnungen von Produkten, dass die bestimmte Erwartungen hervorrufen und tatsächlich die Geschmackserfahrungen verändern und auch die Bewertungsprozesse im Gehirn verändern. Das passiert wahrscheinlich über das Belohnungsnetzwerk, dass uns signalisiert, dass das Produkt mehr wert ist und uns besser schmeckt."
Weber findet in diesem Belohnungsnetzwerk im Gehirn Antworten auf unser Handeln. Er stellt das Belohnungsnetzwerk als einen Motor dar. Dieser signalisiert, wie viel ist uns die Ware wert und wie viel wollen wir dafür ausgeben. Gute und schlechte Erfahrungen werden in den Regionen im Gehirn ebenso verarbeitet. Die Vorgänge im Belohnungsnetzwerk und die Erfahrungen haben maßgeblichen Einfluss auf unsere Kaufentscheidungen. Es gibt aber Unterschiede. Nicht allen Verbrauchern schmeckt der teurere Wein auch dann besser, wenn keine Qualitätsunterschiede vorhanden sind und es sich um den gleichen Wein handelt.
Rationale Menschen sind anfällig für leere Werbeversprechen
"Interessanterweise sind die Personen anfälliger, die sich selbst auch als rationaler bezeichnen, die kognitiver sind, die also mehr ihr eigenes Verhalten hinterfragen und mehr sozusagen die rationalen Denker."
Diese Menschen sind besonders anfällig für leere Versprechen in der Werbung. Weber nennt so etwas einen Marketing-Placebo, angelehnt an Scheinmedikamente ohne Wirkstoff, die bei Medikamententests benutzt werden. Aber: Nicht alle Verbraucher reagieren auf leere Werbeversprechen. Ein geringer Teil ist dafür unempfindlich:
"Und die Personen, die mehr auf ihre Körpersignale achten, also ein bisschen introvertierter sind, die sind weniger anfällig, weil sie wahrscheinlich mehr auf das achten, was ihr Körper tatsächlich sagt und nicht das, was von außen quasi als Information dazukommt."
Zugleich sind stark ausgeprägt rationale Menschen eher auf Marken fokussiert, weil sie sich von künstlich erzeugten Erwartungen stimulieren lassen, lässt sich aus den Ergebnissen der Studie ableiten. Und so reagieren die meisten Menschen auf Marketingplacebos und leere Versprechen in der Werbung anfällig. Sie werden aber nicht mit diesem Verhalten geboren, unterstreichen die Wissenschaftler. Vielmehr sind Erlebnisse und deren Beurteilung in der Vergangenheit ausschlaggebend. Um sich von diesem Marken- und Preiszwang zu lösen, wäre sicherlich ein kritisches Hinterfragen ohne äußere Beeinflussung von Vorteil. Forscher der international durchgeführten Studie wollen ihre Ergebnisse im medizinischen Bereich anwenden. Bestimmte Wirkstoffe von Antidepressiva können zum Beispiel als Nebenwirkung zur Kaufsucht führen.