Die Idee, um die es hier geht, hat bei Nietzsche und im 20. Jahrhundert große Karriere gemacht: Außergewöhnliche Menschen, hatte der Jurastudent Raskolnikow in einem Artikel geschrieben, hätten jedes Recht Grenzen zu überschreiten: Cäsar, Mohamed, Napoleon: alle großen Menschen müssten ihrer Grundstruktur nach Verbrecher sein. Denn zur Umsetzung "großer Ideen" muss Gewalt, ja Mord in Kauf genommen werden.
" Es gibt ein selbstgesetztes Recht, das muss man finden und auch vor Blutvergießen nicht zurück schrecken."
Warum nicht "eine Laus" wie die alte Pfandleiherin töten, wenn man mit ihrem Geld so viele andere, bessere Menschen retten kann? Die Frage nach dem "Recht zu Morden" stellt die philosophische Basis des Romans dar, doch daraus und darüber entwickelt Dostojewski das einzigartige Psychogramm eines Menschen, der an diesem Experiment - heraus zu finden, ob er selbst eine Laus sei oder ein Mensch - fast zugrunde geht. Andrea Breth wiederum spitzt die Figur noch zu. Aus dem wohl berühmtesten Kriminalfall der Weltliteratur macht sie die Studie eines Haltlosen zwischen lauter Verlorenen.
Jens Harzer hat man selten so zurückgenommen auf der Bühne erlebt wie hier, er ist weniger der intellektuelle Außenseiter als ein Zauderer. Er hat auch die schwerste Aufgabe, das Zentrum einer Idee zu verkörpern, die fast durchgehend von anderen diskutiert wird. Von Udo Samel etwa, der seinem Ermittlungsrichter Porfirij eine wunderbar geerdete Menschenfreundlichkeit verleiht. Er konstatiert, dass es hier um eine "phantastische, düstere, moderne Sache" gehe.
Die ist in den phantastischen Bühnenbildern von Erich Wonder kongenial umgesetzt. Die fast durchweg extrem dunkle Szenerie zeigt zu Beginn eine Art Tunnel, an dessen Ende es hell leuchtet. Raskolnikows Alpträume und Phantasien spielen vor einem halbrunden Prospekt, der schlammfarbenes, wüstes Land zeigt, eine unbewohnte zerstörte Erde, die aber auch teuflisch gelb leuchten kann. Darin wird viel abgewandt, wie ins Nichts gesprochen. Um die Mord-Szene herum, die wie in einem expressionistischen Stummfilm aus dem Off erzählt wird, leuchten immer wieder Scheinwerfer ins Publikum, was Raskolnikows "Experiment" zu einer öffentlichen Angelegenheit von heute, von uns allen, macht. Eine Art Warte- oder Gerichtssaal mit lauter leeren Stühlen unterstreicht die Verlorenheit der Figuren. Alles liegt hinter einem Gazevorhang wie unter Patina, und Breth arrangiert oft statische Gruppenbilder, aus denen das Licht Figuren herausschneidet wie in alten Ölschinken. Die "düstere Lage" aller Beteiligten ist das Stilprinzip dieser Aufführung.
Die auch arge Längen hat, vor allem im mittleren Teil. Nachdem der erste in filmisch kurzen Szenen das Psychodrama Raskolnikows abhandelte, steht hier die Sozialstudie im Mittelpunkt, die Verhältnisse und Familiengeschichten. Die Frage, die Sven-Eric Bechtolf als Arkadij Swidrigailow stellt, klingt dabei wie ein Szenenmotto: "Bin ich ein Unmensch oder selbst ein Opfer?" Im letzten Teil dominiert dann das Gedankendrama. Raskolnikows "Rettung", die ihm von Sophia mit der Lazarus-Geschichte vor Augen gestellt wird - er soll Leid auf sich nehmen, um dadurch Erlösung zu finden - besteht nicht, wie bei Dostojewski, im Blick der Liebenden in eine neue Zukunft. Andrea Breth zeigt Raskolnikow als den neuen Sisyphos, der ewig Wassereimer leert; so bleibt auch das Ende düster.
Andrea Breth hat Dostojewskis riesenhaftem Text ein Drama abgerungen, das die Spuren dieses Kampfes nicht verleugnen kann. Sie hat hier den Gegenentwurf zu Frank Castorfs hysterisch wilden Dostojewski-Adaptionen geliefert, indem sie dem Zynismus und der Gewalt auf der Bühne mal wieder eine Absage erteilt und an den Schauspieler als Menschen-Darsteller glaubt. Großer Beifall in Salzburg für die Regisseurin und ein großartiges Ensemble.
" Es gibt ein selbstgesetztes Recht, das muss man finden und auch vor Blutvergießen nicht zurück schrecken."
Warum nicht "eine Laus" wie die alte Pfandleiherin töten, wenn man mit ihrem Geld so viele andere, bessere Menschen retten kann? Die Frage nach dem "Recht zu Morden" stellt die philosophische Basis des Romans dar, doch daraus und darüber entwickelt Dostojewski das einzigartige Psychogramm eines Menschen, der an diesem Experiment - heraus zu finden, ob er selbst eine Laus sei oder ein Mensch - fast zugrunde geht. Andrea Breth wiederum spitzt die Figur noch zu. Aus dem wohl berühmtesten Kriminalfall der Weltliteratur macht sie die Studie eines Haltlosen zwischen lauter Verlorenen.
Jens Harzer hat man selten so zurückgenommen auf der Bühne erlebt wie hier, er ist weniger der intellektuelle Außenseiter als ein Zauderer. Er hat auch die schwerste Aufgabe, das Zentrum einer Idee zu verkörpern, die fast durchgehend von anderen diskutiert wird. Von Udo Samel etwa, der seinem Ermittlungsrichter Porfirij eine wunderbar geerdete Menschenfreundlichkeit verleiht. Er konstatiert, dass es hier um eine "phantastische, düstere, moderne Sache" gehe.
Die ist in den phantastischen Bühnenbildern von Erich Wonder kongenial umgesetzt. Die fast durchweg extrem dunkle Szenerie zeigt zu Beginn eine Art Tunnel, an dessen Ende es hell leuchtet. Raskolnikows Alpträume und Phantasien spielen vor einem halbrunden Prospekt, der schlammfarbenes, wüstes Land zeigt, eine unbewohnte zerstörte Erde, die aber auch teuflisch gelb leuchten kann. Darin wird viel abgewandt, wie ins Nichts gesprochen. Um die Mord-Szene herum, die wie in einem expressionistischen Stummfilm aus dem Off erzählt wird, leuchten immer wieder Scheinwerfer ins Publikum, was Raskolnikows "Experiment" zu einer öffentlichen Angelegenheit von heute, von uns allen, macht. Eine Art Warte- oder Gerichtssaal mit lauter leeren Stühlen unterstreicht die Verlorenheit der Figuren. Alles liegt hinter einem Gazevorhang wie unter Patina, und Breth arrangiert oft statische Gruppenbilder, aus denen das Licht Figuren herausschneidet wie in alten Ölschinken. Die "düstere Lage" aller Beteiligten ist das Stilprinzip dieser Aufführung.
Die auch arge Längen hat, vor allem im mittleren Teil. Nachdem der erste in filmisch kurzen Szenen das Psychodrama Raskolnikows abhandelte, steht hier die Sozialstudie im Mittelpunkt, die Verhältnisse und Familiengeschichten. Die Frage, die Sven-Eric Bechtolf als Arkadij Swidrigailow stellt, klingt dabei wie ein Szenenmotto: "Bin ich ein Unmensch oder selbst ein Opfer?" Im letzten Teil dominiert dann das Gedankendrama. Raskolnikows "Rettung", die ihm von Sophia mit der Lazarus-Geschichte vor Augen gestellt wird - er soll Leid auf sich nehmen, um dadurch Erlösung zu finden - besteht nicht, wie bei Dostojewski, im Blick der Liebenden in eine neue Zukunft. Andrea Breth zeigt Raskolnikow als den neuen Sisyphos, der ewig Wassereimer leert; so bleibt auch das Ende düster.
Andrea Breth hat Dostojewskis riesenhaftem Text ein Drama abgerungen, das die Spuren dieses Kampfes nicht verleugnen kann. Sie hat hier den Gegenentwurf zu Frank Castorfs hysterisch wilden Dostojewski-Adaptionen geliefert, indem sie dem Zynismus und der Gewalt auf der Bühne mal wieder eine Absage erteilt und an den Schauspieler als Menschen-Darsteller glaubt. Großer Beifall in Salzburg für die Regisseurin und ein großartiges Ensemble.