"Die Vorwürfe sind haltlos." So deutlich nimmt der Aufsichtsratsvorsitzende der Deutschen Börse, Joachim Faber, seinen Vorstandsvorsitzenden Carsten Kengeter in Schutz vor dem Vorwurf des Insiderhandels. Die Nachrichtenmaschinerie kam in Gang, weil die Staatsanwaltschaft Frankfurt gestern das Büro und die private Wohnung Kengeters durchsucht hatte. Daraufhin gab die Börse eine Pflichtmitteilung an den Kapitalmarkt heraus. Die Staatsanwaltschaft habe ermittelt, steht darin, und auch: Unternehmen und Vorstandschef kooperierten in vollem Umfang mit der Staatsanwaltschaft.
Es ist die Aufgabe Kengeters als Börsenchef, den Wert des Unternehmens zu steigern. Die geplante Fusion mit der Londoner Börse trage dazu bei, hatte er auf der Hauptversammlung im vorigen Jahr gesagt: "Auch Sie, liebe Aktionärinnen und Aktionäre, sollen davon profitieren."
Er auch. Denn auch Kengeter war und ist Aktionär der Deutschen Börse. Das war sogar Folge seines Arbeitsvertrages, weil er auch in Aktien bezahlt wurde, um motiviert zu sein.
Staatsanwaltschaft ermittelt
Wer wusste wann was? Das ist entscheidend für den Verdacht des Insiderhandels. Kengeter hatte im Dezember 2015 für 4,5 Millionen Euro Aktien der Deutschen Börse gekauft. Erst zwei Monate später, im Februar 2016, machte die Börse ihre Fusionspläne mit der Londoner Börse öffentlich. Aufsichtsratschef Faber ergänzte noch, erst in der zweiten Januarhälfte 2016 hätten sich die Chefs von Deutscher und Londoner Börse auf Fusionsverhandlungen verständigt. Auch das also nach Kengeters Aktienkäufen.
Die Staatsanwaltschaft hat aber andere Informationen. Und deshalb ermittelt sie wegen des Verdachts des Insiderhandels. Ihre Sprecherin Nadja Niesen:
"Der Anfangsverdacht gegen den Beschuldigten resultiert aus Gesprächen, die im Zeitraum Sommer bis Anfang Dezember 2015 durch die Leitungsebenen der Deutschen Börsen AG und der London Stock Exchange geführt wurden und die eine mögliche Fusion der beiden Unternehmen sowie auch die Frage des möglichen Sitzes der neuen Börse zum Inhalt hatten. In dem Zusammenhang wird dem Beschuldigten vorgeworfen, bereits Mitte Dezember 2015 in Kenntnis dieser bis dato nicht veröffentlichten Vertragsgespräche, welche die Staatsanwaltschaft als Insiderinformation im Sinne des Wertpapierhandelsgesetzes wertet, Aktien seines Unternehmens erworben zu haben."
Börse verweist auf Vergütungsregelung
Danach liefen die Gespräche also schon monatelang, bevor Kengeter Aktien kaufte.
Die Deutsche Börse verweist auf die Vergütungsregelung mit Kengeter, wonach er bis Ende 2015 aus privaten Mitteln die Aktien kaufen musste, um ein gleichgroßes Aktienpaket als Gehalt zu bekommen. Die Staatsanwaltschaft reagiert darauf gelassen. Oberstaatsanwältin Nadja Niesen:
"Hierbei handelt es sich um eine Rechtsfrage. Und da müssen wir jetzt die weiteren Ermittlungen abklären und abwarten, wie das Ganze dann letztlich rechtlich von Seiten der Staatsanwaltschaft ausgewertet wird."
Zu bewerten sein wird dabei auch, dass der Aufsichtsrat die in Rede stehende Vergütungsregelung für Kengeter am 23. September 2015 beschloss, zu einer Zeit also, als nach Informationen der Staatsanwaltschaft das Börsenmanagement schon drei Monate mit der Londoner Börse die geplante Fusion auslotete.