Es ist ein Verfahren, das die erwartete öffentliche Aufmerksamkeit erfährt: Als sich Christoph Metzelder am 29. April 2021 erstmalig zu Vorwürfen gegen sich äußerte, waren zahlreiche Journalistinnen und Journalisten dabei. Der ehemalige Fußballnationalspieler musste sich vor Gericht verantworten, weil er Kinder- und Jugendpornografie besessen und entsprechende Dateien an mehrere Frauen weitergeleitet haben soll. Sein Fall hat von Anfang an für Medieninteresse gesorgt – genau wie die Frage, ob und wie Medien überhaupt berichten dürfen.
Als erste Redaktion hatte die "Bild"-Zeitung im September 2019 die Vorwürfe auf ihre Titelseite gehoben, samt Bildern und Namensnennung. Und andere folgten. Zu diesem Zeitpunkt gab es aber noch keine Anklage, sondern nur einen Anfangsverdacht, dem die Staatsanwaltschaft mit ersten Untersuchungen nachging. War also das, was "Bild" machte, unzulässige Verdachtsberichterstattung?
Denn der Ruf Metzelders war – da waren sich Experten wie der Erlanger Medienethik-Professor Christian Schicha einig – wegen der Berichterstattung bereits zu diesem Zeitpunkt beschädigt. "Es entsteht (…) ja fast schon der fatale Eindruck, dass Metzelder eine Straftat begangen hat, obwohl eine mögliche Schuld in keiner Weise bewiesen ist, sondern zunächst ein Anfangsverdacht besteht", stellte Schicha gegenüber der "Augsburger Allgemeinen" fest. Im selben Artikel betonte Hendrik Zörner, Pressesprecher des Deutschen Journalisten-Verbands, Journalisten seien Berichterstatter und nicht Richter.
Gut anderhalb Jahre juristische Klärung
Im Interview mit dem Deutschlandfunk widersprach "Bild"-Chefredakteur Julian Reichelt damals diesen Vorwürfen. Man habe ein Recht der freien Presse auf "Verdachtsberichterstattung auf Grundlage von Recherche" wahrgenommen.
Wenig später stellte das Landgericht Köln fest, die Berichterstattung sei "mindestens unausgewogen, in Teilen deutlich vorverurteilend", und untersagte "Bild" per einstweiliger Verfügung, mit Foto und Namen über die Ermittlungen gegen Metzelder zu berichten. Entsprechende Artikel aus dieser Zeit finden sich bis heute nicht mehr im Online-Archiv der Redaktion.
Fast genau ein Jahr nach dieser Auseinandersetzung erhob am 2. September 2020 die verantwortliche Staatsanwaltschaft in Düsseldorf Anklage und gab das in verschiedenen Pressemittelungen bekannt. In einer ersten fehlte noch der Name. Erst nachdem "Bild" in diesem Zusammenhang Metzelders Namen nannte, tat das die Behörde auch. Einen Antrag von Metzelders Anwälten, der Justiz jede Information über die Anklageerhebung mit Namensnennung zu verbieten, lehnte das Verwaltungsgericht Düsseldorf ab.
Noch bis Februar 2021 beschäftigte sich die nächste Instanz, das Oberverwaltungsgericht (OVG) Nordrhein-Westfalen, mit dem Fall. Insgesamt also gut anderthalb Jahre, in denen die Justiz die Frage klären musste, wie Medien über den Fall berichten dürfen und können.
Medien und die "Litigation PR"
Dass einer seiner Anwälte kurz vor Prozessbeginn RTL ein Interview gab, ein "exklusives", wie der Sender betont, ist vor diesem Hintergrund nur auf den ersten Blick überraschend. Denn es handelt sich um eine Art von Pressearbeit, die in der Branche immer beliebter ist und sich "Litigation PR" nennt. Das bedeutet so viel wie Öffentlichkeitsarbeit im Rechtsstreit und beschreibt den Versuch, die Kommunikation vor und während eines Verfahrens zu steuern.
In dem RTL-Interview sagte der Anwalt unter anderem, dass die Frau, der Metzelder laut Anklage kinderpornografische Bilder schickte und die zur Polizei ging, eine "Provokateurin" sei. Außerdem betonte er, sein Mandant sei "natürlich nicht" pädophil.
Für Medien wäre es falsch, eine solche Art von Pressearbeit durch Rechtsanwälte zu negieren, sagte Andrea Titz, Vizevorsitzende im Deutschen Richterbund, im Deutschlandfunk. Medien dürften sich aber nicht zum "einseitigen Sprachrohr" einer Prozesspartei machen und es ihren Lesern oder Zuschauerinnen ermöglichen, sich eine Meinung zu bilden.
Auch Richterinnen und Richter nähmen wahr, wenn über ihre Verfahren berichtet werde und es dabei einen "bestimmten Zungenschlag" gebe, so Titz, die Sprecherin des Oberlandesgerichts München beim Steuerprozess gegen Uli Hoeneß war. "Und sie müssen sich bemühen, das auszublenden."
Im Fall von Christoph Metzelder ist das Urteil gleich am ersten Prozesstag ergangen. Metzelder wurde zu einer zehnmonatigen Haftstrafe auf Bewährung verurteilt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.