Das Städtchen Pirna in der malerischen sächsischen Schweiz vor den Toren Dresdens. Nur wenige Schritte vom Marktplatz entfernt, befindet sich in einem der kleinen historischen Häuschen der Kirchgasse die "Kulturkiste", so nennt sich der Sitz des Alternativen Kultur- und Bildungszentrums Akubiz. Mitbegründer Steffen Richter kommt auch in der Urlaubszeit regelmäßig hierher. Durch das große Schaufenster fällt Tageslicht in den niedrigen Raum. An der Wand hängen Fotos von europäischen Gedenkstätten des antifaschistischen Widerstandes im Zweiten Weltkrieg. Acht Stühle stehen um einen Holztisch herum, daneben in Hüfthöhe eine Bücherkiste. Im Nebenraum eine Bibliothek mit Sofa und Computerplatz.
Vor dem Laden sind fingerlange bunte Kreuze auf die Pflastersteine gemalt. Einer Fahrradwandergruppe fällt das auf. Eine Touristin fragt Richter durch die offene Eingangstür nach deren Bedeutung.
" ... das ist eine Gedenkspur, und die erinnert halt an 14.000 ermordete geistig Behinderte da oben. Also das, was Sie sehen, ist jetzt das Landratsamt. Das ist früher eine der großen Euthanasie-Anstalten im Nationalsozialismus gewesen. Und da wurden in dieser Aktion 'T4' geistig Behinderte ermordet. Und die Kreuzspur geht von der Elbe hier durch die Gassen, dann auf den Sonnenstein und erinnert daran.
(Touristin) Das ist aber mal ne sehr gute Erklärung. Vielen Dank."
Der breitschultrige junge Mann mit kurzen Haaren und tätowierten Armen kennt die Geschichte seiner Stadt. Gerade deshalb ist es für ihn unerträglich, dass es in Pirna eine starke rechtsextremistische Szene gibt. Um dem etwas entgegenzusetzen, hat er vor elf Jahren Akubiz mitgegründet. Seitdem organisiert eine Handvoll Ehrenamtlicher unter anderem Begegnungsfahrten, Jugendaustauschprojekte, Konzerte und Vorträge. Weshalb Mitglieder des Vereins immer wieder zur Zielscheibe von Angriffen wurden. Auch die Familie von Steffen Richter wurde bedroht, das Auto seines Bruders sogar angezündet. Für ihr Engagement gegen Rassismus und Antisemitismus sollte Akubiz 2010 mit dem Sächsischen Förderpreis für Demokratie ausgezeichnet werden. Der Verein jedoch lehnte die mit 10.000 Euro dotierte Auszeichnung ab - aus Protest gegen die sogenannte Extremismusklausel. Deren Einführung ist umstritten, trotzdem vergibt das Bundesfamilienministerium Fördergelder nur an Vereine, die schriftlich erklären, dass sie auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung stehen.
"Die Klausel hat mehrere Bestandteile, und einer ist, dass Partnerinnen und Partner überprüft werden sollen, und wir können uns das nicht vorstellen, wenn wir in unserer Arbeit zum Beispiel Zeitzeugen, Überlebende der Schoa, des Holocaust, halt mit denen zusammenarbeiten, und dass wir die sozusagen vorher vom Verfassungsschutz prüfen lassen, ob sie jetzt in das Bild passen."
Die Streichung der Fördergelder nimmt Akubiz in Kauf. Bislang hat das Berliner Ministerium die Pirnaer mit jährlich rund 3000 Euro unterstützt. Dem nicht genug: Als erster Verein zog Akubiz gegen die Extremismusklausel vor Gericht – und bekam vor dem Dresdner Verwaltungsgericht recht. Für Steffen Richter ist es nicht zu akzeptieren,
" ... dass wir als Initiativen, die sich vor Ort mit Demokratie auseinandersetzen und mit rechter Gewalt auseinandersetzen, jetzt auf einmal unter diesen Generalverdacht gestellt werden, Undemokraten zu sein. Wo man sagt: Wer diese Klausel unterschreibt, der ist per Se ein Demokrat, und wer das nicht macht, ist nicht demokratisch."
Akubiz wendet sich auch gegen den – wie Richter es nennt – zweiten Teil der Extremismusklausel. Im Steuergesetz 2013 ist geplant, dass Initiativen, die im Verfassungsschutzbericht als "extremistisch" eingestuft werden, ihre Gemeinnützigkeit verlieren. Das hätte zur Folge, dass die Organisation nicht mehr von der Körperschaftssteuer befreit wäre und Spendengelder nicht mehr steuerlich abgesetzt werden könnten. Akubiz aber ist von Spenden abhängig – keine Spendenquittungen mehr ausstellen zu können, würde für den engagierten Verein ein Aus bedeuten. Zudem: Was heißt extremistisch? Das alternative Zentrum wurde bislang nie in einem Verfassungsschutzbericht erwähnt. Aber Steffen Richter weiß von befreundeten Vereinen, wie schnell man in diese Schublade geraten kann und wie schwer es ist, da wieder herauszukommen.
"Eine Zeitung aus Nordrhein-Westfalen, 'Lotta' heißt die. Das ist eine Zeitung, die über rechte Strukturen und rechte Angriffe berichtet, die hat im Verfassungsschutzbericht gestanden und hat sich dann da juristisch rausgeklagt. Es gibt auch den anderen Fall der 'a.i.d.a.' in München. Das ist auch ein antifaschistisches Archiv, Recherchearchiv, die auch dringestanden haben und sich dann erfolgreich aus dem Bericht rausklagen konnten."
Sich rauszuklagen, dauert allerdings lange und kostet viel Geld. Danach ist es schwer, wieder Fuß zu fassen, sagt Richter. Außerdem spricht er gerade nach den Enthüllungen um das rechtsterroristische Nazi-Trio in Thüringen und Sachsen den Behörden die Kompetenz für derlei Einschätzungen ab.
"Wir finden es schon recht komisch, dass der Verfassungsschutz jetzt darüber entscheiden soll oder die absolute Macht darüber hat, welche Initiativen von der Gemeinnützigkeit befreit werden oder nicht. Und das grad im Moment, in der der Verfassungsschutz so unter Druck geraten ist und so viele Abgründe sich offenbart haben, macht es das noch viel unverständlicher als es so und so schon ist."
Vor dem Laden sind fingerlange bunte Kreuze auf die Pflastersteine gemalt. Einer Fahrradwandergruppe fällt das auf. Eine Touristin fragt Richter durch die offene Eingangstür nach deren Bedeutung.
" ... das ist eine Gedenkspur, und die erinnert halt an 14.000 ermordete geistig Behinderte da oben. Also das, was Sie sehen, ist jetzt das Landratsamt. Das ist früher eine der großen Euthanasie-Anstalten im Nationalsozialismus gewesen. Und da wurden in dieser Aktion 'T4' geistig Behinderte ermordet. Und die Kreuzspur geht von der Elbe hier durch die Gassen, dann auf den Sonnenstein und erinnert daran.
(Touristin) Das ist aber mal ne sehr gute Erklärung. Vielen Dank."
Der breitschultrige junge Mann mit kurzen Haaren und tätowierten Armen kennt die Geschichte seiner Stadt. Gerade deshalb ist es für ihn unerträglich, dass es in Pirna eine starke rechtsextremistische Szene gibt. Um dem etwas entgegenzusetzen, hat er vor elf Jahren Akubiz mitgegründet. Seitdem organisiert eine Handvoll Ehrenamtlicher unter anderem Begegnungsfahrten, Jugendaustauschprojekte, Konzerte und Vorträge. Weshalb Mitglieder des Vereins immer wieder zur Zielscheibe von Angriffen wurden. Auch die Familie von Steffen Richter wurde bedroht, das Auto seines Bruders sogar angezündet. Für ihr Engagement gegen Rassismus und Antisemitismus sollte Akubiz 2010 mit dem Sächsischen Förderpreis für Demokratie ausgezeichnet werden. Der Verein jedoch lehnte die mit 10.000 Euro dotierte Auszeichnung ab - aus Protest gegen die sogenannte Extremismusklausel. Deren Einführung ist umstritten, trotzdem vergibt das Bundesfamilienministerium Fördergelder nur an Vereine, die schriftlich erklären, dass sie auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung stehen.
"Die Klausel hat mehrere Bestandteile, und einer ist, dass Partnerinnen und Partner überprüft werden sollen, und wir können uns das nicht vorstellen, wenn wir in unserer Arbeit zum Beispiel Zeitzeugen, Überlebende der Schoa, des Holocaust, halt mit denen zusammenarbeiten, und dass wir die sozusagen vorher vom Verfassungsschutz prüfen lassen, ob sie jetzt in das Bild passen."
Die Streichung der Fördergelder nimmt Akubiz in Kauf. Bislang hat das Berliner Ministerium die Pirnaer mit jährlich rund 3000 Euro unterstützt. Dem nicht genug: Als erster Verein zog Akubiz gegen die Extremismusklausel vor Gericht – und bekam vor dem Dresdner Verwaltungsgericht recht. Für Steffen Richter ist es nicht zu akzeptieren,
" ... dass wir als Initiativen, die sich vor Ort mit Demokratie auseinandersetzen und mit rechter Gewalt auseinandersetzen, jetzt auf einmal unter diesen Generalverdacht gestellt werden, Undemokraten zu sein. Wo man sagt: Wer diese Klausel unterschreibt, der ist per Se ein Demokrat, und wer das nicht macht, ist nicht demokratisch."
Akubiz wendet sich auch gegen den – wie Richter es nennt – zweiten Teil der Extremismusklausel. Im Steuergesetz 2013 ist geplant, dass Initiativen, die im Verfassungsschutzbericht als "extremistisch" eingestuft werden, ihre Gemeinnützigkeit verlieren. Das hätte zur Folge, dass die Organisation nicht mehr von der Körperschaftssteuer befreit wäre und Spendengelder nicht mehr steuerlich abgesetzt werden könnten. Akubiz aber ist von Spenden abhängig – keine Spendenquittungen mehr ausstellen zu können, würde für den engagierten Verein ein Aus bedeuten. Zudem: Was heißt extremistisch? Das alternative Zentrum wurde bislang nie in einem Verfassungsschutzbericht erwähnt. Aber Steffen Richter weiß von befreundeten Vereinen, wie schnell man in diese Schublade geraten kann und wie schwer es ist, da wieder herauszukommen.
"Eine Zeitung aus Nordrhein-Westfalen, 'Lotta' heißt die. Das ist eine Zeitung, die über rechte Strukturen und rechte Angriffe berichtet, die hat im Verfassungsschutzbericht gestanden und hat sich dann da juristisch rausgeklagt. Es gibt auch den anderen Fall der 'a.i.d.a.' in München. Das ist auch ein antifaschistisches Archiv, Recherchearchiv, die auch dringestanden haben und sich dann erfolgreich aus dem Bericht rausklagen konnten."
Sich rauszuklagen, dauert allerdings lange und kostet viel Geld. Danach ist es schwer, wieder Fuß zu fassen, sagt Richter. Außerdem spricht er gerade nach den Enthüllungen um das rechtsterroristische Nazi-Trio in Thüringen und Sachsen den Behörden die Kompetenz für derlei Einschätzungen ab.
"Wir finden es schon recht komisch, dass der Verfassungsschutz jetzt darüber entscheiden soll oder die absolute Macht darüber hat, welche Initiativen von der Gemeinnützigkeit befreit werden oder nicht. Und das grad im Moment, in der der Verfassungsschutz so unter Druck geraten ist und so viele Abgründe sich offenbart haben, macht es das noch viel unverständlicher als es so und so schon ist."