Jasper Barenberg: Als "Club von Schwätzern", die sich eine gute Zeit machen wollen, hat Donald Trump die Vereinten Nationen ja schon einmal bezeichnet - diffamiert, muss man sagen - und sie bei seiner ersten Teilnahme an der Generalversammlung jetzt in New York als ineffizient und als bürokratisch gegeißelt. Er will eine Reform der Organisation vorantreiben. Seine Botschaft: "Ich will mehr Leistung für mein Geld!"
Hier im Studio im Deutschlandfunk begrüße ich jetzt den SPD-Außenpolitiker Rolf Mützenich, Fraktionsvize seiner Partei im Bundestag. Schönen guten Tag, Herr Mützenich.
Rolf Mützenich: Guten Tag, Herr Barenberg.
Barenberg: Danke, dass Sie sich Zeit genommen haben für einen Besuch hier im Studio. Viel zu träge, viel zu teuer, viel zu ineffektiv - so kann man Donald Trump möglicherweise zusammenfassen, in dem, was er kritisiert an den Vereinten Nationen. Was ist an dieser Analyse eigentlich falsch?
Mützenich: Es ist zumindest keine Hinwendung aus meiner Sicht vonseiten der USA zu den Vereinten Nationen, weil es ist ja sozusagen eine Beschreibung von außen, die auch aus meiner Sicht überhaupt nichts mit der Realität der Vereinten Nationen zu tun hat, und insbesondere sollte man es daran messen, wie stark die USA überhaupt dieses Instrument der Vereinten Nationen für die Bewältigung internationaler Konflikte zulässt. Andererseits wissen wir, dass die Vereinten Nationen Reformen brauchen in den Sonderorganisationen, aber auch in der Bürokratie selbst. Aber das ist ja nichts Neues, sondern das ist etwas, an dem die Vereinten Nationen seit Jahren arbeiten. Und wenn sie jetzt mehr Personal hat, hat das natürlich auch was mit den internationalen Krisen zu tun, die eben bewältigt werden müssen.
"Trump will Organisation nach amerikanischen Interessen formen"
Barenberg: Wenn Donald Trump sagt, da ist viel zu tun, dann hat er durchaus recht. Ist die Kritik, die er im Vorfeld jetzt schon seiner ersten Rede äußert, möglicherweise ein Anlass, da jetzt auch mal wirklich voranzukommen? Viele Reformen der Vereinten Nationen sind versucht worden und - korrigieren Sie mich, wenn das falsch ist - keine hat bisher richtig etwas gebracht.
Mützenich: Ja. Aber das macht doch nur Sinn, wenn die USA auch dabei sind und das Instrument auch wertschätzen und nicht im Grunde genommen die Vereinten Nationen unterordnen wollen unter nationalen Interessen. Und zumindest das, was ich gehört, was ich gelesen habe von Donald Trump jetzt in New York, scheint doch eher so zu sein, dass er wieder einen Deal machen will auf der einen Seite und insbesondere alleine nach amerikanischen Interessen die Organisation formen will, und das ist ein komplettes Missverständnis von dem, was in der Charta der Vereinten Nationen festgelegt ist. Ich weiß: Der Sicherheitsrat insbesondere mit den Vetomächten hat eine besondere Position. Aber auf der anderen Seite ist es so: Jede Nation ist in den Vereinten Nationen gleich, und das spiegelt überhaupt nicht die Rede von Donald Trump wieder.
Barenberg: Jetzt haben wir in dem Beitrag gehört, dass Berater von ihm sagen, oder Leute, die ihm nahestehen, er würde so etwas wie einen prinzipienfesten Realismus vertreten wollen in der Außenpolitik. Können Sie mit diesem Begriff etwas anfangen?
Mützenich: Überhaupt nicht, weil wir ja auch gar nicht wissen, wie er diese außenpolitischen Herausforderungen und insbesondere dann auch mit den Vereinten Nationen wahrnehmen will. Aus unserer Sicht, aus der Sicht der deutschen Außenpolitik wäre es notwendig, das Instrument der Vereinten Nationen zu nutzen, insbesondere das, was sein Vorgänger Obama auch als die Wertschätzung von Multilateralismus gezeichnet hat. Aber wenn auf der anderen Seite Donald Trump bei der Ankündigung zum Haushalt insbesondere die Mittel für die Sonderorganisationen der Vereinten Nationen streichen will, wenn er sozusagen Ineffizienz einer Organisation vorwirft, die im Grunde genommen ja gerade bei humanitären Katastrophen zurzeit das Möglichste tut und im Grunde genommen unter Geldmittelmangel leidet, dann finde ich das schon sehr wohlfeil und im Grunde genommen auch eine vollkommen falsche Herangehensweise an eine notwendige Reform.
"Programm der Weltgemeinschaft, nicht Programm der USA"
Barenberg: Nun schultern die USA 28 Prozent des Budgets beispielsweise bei den UN-Friedensmissionen. Auch bei dem regulären, bei dem allgemeinen Budget tragen die USA die größte Last. Der UN-Generalsekretär Antonio Guterres hat ja selber zersplitterte Strukturen beklagt und endlosen Amtsschimmel. Also noch mal die Frage: Wäre das jetzt ein Anlass, vielleicht zusammenzukommen und etwas an den Strukturen tatsächlich zu verbessern, dass die Vereinten Nationen effizienter werden, und besser im Ergebnis?
Mützenich: Das versuchen wir ja auch eigentlich seit Beginn der Vereinten Nationen. Im Grunde genommen ist es ja auch systemimmanent, dass solche Großorganisationen immer wieder Effizienzprobleme haben. Und der Generalsekretär muss es natürlich auch letztlich benennen. Aber es kommt dann auch wirklich darauf an, ob die anderen Länder, insbesondere die USA diese Organisation wertschätzen und diese Reform auch im Sinne aller anderen und damit auch der Probleme letztlich, denen die Vereinten Nationen gegenüberstehen, mit angeht. Ich denke, man sollte es nutzen, aber man sollte dann auch den USA klar sagen, es kann nicht das Programm der USA sein, sondern es muss das Programm der Weltgemeinschaft sein.
Barenberg: Sie sagen, man sollte das den USA sagen. Wer sollte das tun?
Mützenich: Na ja. Wir haben am Sonntag Wahlen. Es wird zum Beispiel die neue Bundesregierung tun müssen. Wir haben ja durchaus immer noch einen relativ breiten Konsens auch in der Auffassung, dass sich deutsche Außenpolitik einordnen muss in internationale Institutionen, dass wir es wertschätzen, dass es die Vereinten Nationen gibt nach Regeln und Normen. Und ich hoffe, dass dann eine neue Bundesregierung auch genau diesen Weg beschreitet und dann auch tatsächlich nachfragt beim amerikanischen Außenminister, was wollt ihr denn ganz konkret.
Barenberg: Stichwort Wertschätzung. Geben Sie mir ein Beispiel dafür, wo die Vereinten Nationen in einem Konflikt wirklich etwas bewirkt haben. Für Syrien gilt das nicht, für die Rohingya muss man sagen, seit Wochen, seit Monaten berichten wir darüber, der UN-Sicherheitsrat hat noch nicht mal eine offizielle Erklärung verabschiedet. Die Kritik an den UN, dass sie nicht Ergebnisse liefern, hat ja schon auch einen Hintergrund.
Mützenich: Dann ja, wenn man außer Acht lässt, dass es ein Staatenbund ist, dass es letztlich darauf ankommt, dass die einzelnen Mitgliedsstaaten dieses Dach der Vereinten Nationen nutzen für einen Multilateralismus, wo wir mit Diplomatie, mit Konflikteinhegung und vielen anderen Dingen auch, aber insbesondere dann auch mit humanitären Hilfen die Möglichkeiten, die die Vereinten Nationen haben, effizient nutzen. Und noch mal: Wenn für die Sonderorganisationen, die ja zurzeit versuchen, auch Flucht zumindest in dem Sinne zu bewältigen, dass sie den Menschen Nahrung, sauberes Wasser und Ähnliches zuweisen, wenn da die Mittel von Seiten der USA gestrichen werden sollen, dann folgt das eigentlich einer Doktrin, die wir ja schon lange Zeit auch bei den Republikanern sehen, einer lästigen Organisation, die im Grunde genommen überhaupt gar keine Wertschätzung zumindest in einem Teil der politischen Klasse in den USA hat.
"Trumps Nachrichten bleiben widersprüchlich, gerade im Nordkorea-Konflikt"
Barenberg: Kann man denn anders herum sagen - wir haben jetzt die Rede noch nicht gehört, die er halten wird -, was die Inhalte angeht und die Konflikte, sagen wir, in Nordkorea, dass Nordkorea wiederum ein Beispiel dafür ist, dass Donald Trump gerade lernt, wie wichtig die UN die auch sind für seine Bemühungen in diesem Konflikt etwa?
Mützenich: Das kann ich nur hoffen, dass es wirklich auch etwas nutzt. Dafür bedarf es natürlich auch eines klaren Konzeptes in der amerikanischen Außenpolitik, wie mit Nordkorea umgehen, und insbesondere, dass am Ende eine Verhandlungslösung angestrebt wird. Wenn das das Konzept ist und es wird unter dem Dach der Vereinten Nationen möglicherweise die Sechs-Parteien-Gespräche oder etwas darüber hinaus auch entwickelt, dann würde ich ja sagen, da gibt es einen Wandel. Aber ich sehe es zurzeit letztlich nicht und die Nachrichten, die insbesondere Donald Trump ja verbreitet, bleiben widersprüchlich, auch gerade im Nordkorea-Konflikt.
Barenberg: Innenpolitisch sieht es in den USA etwas anders aus. Da bemerkt man eine Annäherung an die Opposition, um gemeinsam zu Ergebnissen zu kommen. Möglicherweise ein Lerneffekt auch für die Außenpolitik von Donald Trump?
Mützenich: Das wäre zu hoffen. Es scheint ja so zu sein, wenn man sich mit der amerikanischen Innenpolitik etwas beschäftigen kann, scheint wohl auch der Stabswechsel innerhalb des Weißen Hauses in der unmittelbaren Mitarbeiterschaft durchaus einen Effekt zu haben. Aber Donald Trump - von meiner Seite aus kann ich das nur feststellen -, ich glaube nicht, dass er so einfach unter Kontrolle zu halten ist, allein indem man das Personal auswechselt. Er muss das aufnehmen, was es auch in der amerikanischen Außenpolitik bisher zumindest für bestimmte Zeiten gegeben hat, mit internationalen Organisationen zusammenzuarbeiten und insbesondere das Potenzial, was die USA haben, auch zu nutzen für Diplomatie. Wir haben einen erfahrenen außenpolitischen Apparat. Wenn er das tut - und da sind ja viele Stellen noch nicht besetzt -, dann kann man vielleicht eine kleine Hoffnung haben.
Barenberg: Ich habe schon mehrfach gesagt, die Rede steht heute Nachmittag noch ins Haus. Was würden Sie im besten Fall von dieser Rede erwarten?
Mützenich: Andeutungen, wie es insbesondere um die Eingrenzung internationaler Krisen ist, ob sich die USA für bestimmte Bereiche wie im Nahen und Mittleren Osten, aber Sie haben ja auch Südostasien angesprochen, auch das Verhältnis zur Volksrepublik China, wie wir hier vorankommen. Und für Europa wird es natürlich insbesondere wichtig sein: Gibt er Signale auch an Putin jetzt zum Beispiel zurück, der ja zumindest versucht, vorsichtig den Ostukraine-Konflikt auch mithilfe der Vereinten Nationen, weil wir wollen ja möglicherweise die OSZE dort auch schützen vonseiten der Vereinten Nationen, ob er sich darauf hinzubewegt. Das wären zumindest Signale, und wenn nur eins davon kommt, ja gut, dann muss man es so nehmen und vielleicht dann als positiver beschreiben, als es dann am Ende ist.
Barenberg: Der SPD-Außenpolitiker Rolf Mützenich hier im Studio live im Deutschlandfunk. Danke für die Zeit und für das Gespräch.
Mützenich: Danke für die Einladung, Herr Barenberg.
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