Schuss bei Bundesligaspiel
Debatte über Spezialeinheiten beim Fußball

Vor einem Jahr hat ein Polizeibeamter einer Spezialeinheit beim Bundesligaspiel FC Augsburg gegen Borussia Mönchengladbach einen Schuss ohne Anlass abgegeben. Nur mit Glück wurde niemand verletzt. Ein Gericht hat ihn nun dafür verurteilt.

Von Thorsten Poppe |
Ein Polizist (M) steht in einem Gerichtssaal im Landgericht neben seinem Anwalt.
Ein Polizist (M.) wurde wegen einer Schussabgabe im Umfeld des Stadions während des Bundesligaspiels Augsburg gegen Mönchengladbach verurteilt. (picture alliance / dpa / Karl-Josef Hildenbrand)
Der Prozess gegen den Beamten einer Spezialeinheit der bayerischen Polizei hat nur drei Tage gedauert. Dann stand fest: Wegen gefährlicher Körperverletzung im Amt ist Maximilian K. am Landgericht Augsburg zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten verurteilt worden. Ausgesetzt zu einer zweijährigen Bewährung. Mit diesem Urteil verliert der Angeklagte seinen Beamtenstatus.

Projektil verfehlte Polizist nur knapp

Als er vor einem Jahr beim Bundesligaspiel zwischen Augsburg und Mönchengladbach einen Schuss kurz vor Ende der Partie im Stadionumfeld abgegeben hatte, hörte sich das damals noch eher unabsichtlich an. So suggerierte es jedenfalls die damalige Meldung der Polizei:
„In der ersten Kommunikation war ja davon die Rede, dass sich ein Schuss gelöst habe, was sich nach keiner Absicht, Zufall und Unfall anhört“, sagt Max Deisenhofer im Gespräch mit dem Deutschlandfunk. Er ist sportpolitischer Sprecher der Fraktion Bündnis90/DieGrünen im bayerischen Landtag und hat den Vorfall parlamentarisch eng begleitet:
„Heute stellt sich der Fall eben ganz anders dar. Nämlich nach einer absichtlichen Schussabgabe, wo das Projektil den Kopf eines Polizisten wohl nur um wenige Zentimeter verfehlt hat und wir deswegen ganz, ganz knapp an einer großen Katastrophe vorbeigeschlittert sind an diesem 19. August 2023 in Augsburg!“   

Motiv der Schussabgabge weiter unklar

Warum es damals zu diesem Schuss gekommen ist, bleibt weiter völlig unklar. Im Prozess äußert sich der verurteilte Polizeibeamte zwar dazu, allerdings könne er selbst nicht nachvollziehen, wieso er dies getan habe. Er sei sich bewusst, welch „unfassbares Glück“ alle Beteiligten gehabt hätten.
Wie groß dieses Glück gewesen ist, machen die Schilderungen der Fanhilfe Mönchengladbach kurz nach dem Vorfall klar. In ihren leer stehenden Fanbus ist das Projektil kurz vor Abpfiff des Spiels ebenfalls eingeschlagen. „Ich konnte das erst im ersten Moment gar nicht glauben, weil das natürlich keine alltägliche Geschichte ist und sowas im Fußball-Kontext normalerweise nicht vorkommt“, erklärt Simon Bender von der Fanhilfe Mönchengladbach bereits vor einem Jahr im Deutschlandfunk diese Situation, die er vor Ort miterlebt hat.
„Probleme mit der Polizei, die treten durchaus mal häufiger auf, aber normalerweise gibt es dabei keinen Schusswaffeneinsatz. Und dementsprechend stand erst im Raum, ob das vielleicht ein Scherz war. Dann sind wir aber dann doch halt zu dem Auto hin, haben geguckt und durchaus gesehen, dass es da zwei Einschusslöcher gab. Eines an dem Info-Mobil und eines eben an dem Polizeiauto, was direkt daneben stand!“

Auftreten der Beamten macht Fanhilfe fassungslos

Fanhilfen unterstützen Anhänger ehrenamtlich am Spieltag bei etwaigen Konflikten mit der Polizei und verfügen in der Regel dabei auch über eine rechtliche Expertise. Die Fanhilfe Mönchengladbach hat dabei diesen Vorfall direkt nach Spielende in den sozialen Medien öffentlich gemacht und somit auch zur Aufklärung mit beigetragen.
Das Verfahren vor Ort in Augsburg beobachtet dann die dortige Fanhilfe und verfolgt den Prozess im Gerichtssaal mit. Insgesamt begrüßt sie den Ausgang des Verfahrens. Fassungslos zurück lässt sie allerdings das Auftreten des beschuldigten Polizisten und seiner Kollegen vom Unterstützungskommando der bayerischen Polizei, kurz USK, beim Prozess vor Gericht:
„Da verwundert es auch nicht, dass ein USK-Beamter zum anderen schreibt: ‚Hat Dich der Hurensohn von Staatsanwalt auch schon kontaktiert?‘ Das sind so Aussagen, die sind ehrlicherweise nicht verwunderlich. Es ist eher verwunderlich, dass es an die Öffentlichkeit gelangt“, schildert Benedikt Engler im Deutschlandfunk-Interview.

Beamten-Aussagen wirkten abgestimmt

Zumal die Aussagen im Zeugenstand der USK-Beamten untereinander abgesprochen wirken. Selbst der vorsitzende Richter muss einräumen, dass mehr abgestimmte Aussagen fast nicht denkbar seien. Für Benedikt Engler von der Fanhilfe Augsburg ein großer Makel des Prozesses – auch für das Vertrauen von Fans und Gesellschaft in die Polizei:
„Da ist eigentlich die Sonderrolle als Beamter wichtig, dass ja hier eigentlich der Aufklärungswille größer sein sollte, als bei einem normal sterblichen Bürger in Anführungszeichen. Und aus diesem Grund ist es eigentlich noch einmal ein Stück weit verwerflicher, dass Polizeibeamte im Zeugenstand ein desolates – Zitat Staatsanwalt – Aussageverhalten an den Tag legen. Das ist ein Stück weit auch ein Skandal, was wir auf jeden Fall so für uns festhalten!“

Fanhilfen fordern unabhängige Ermittlungsstellen

Auch deshalb fordern die Fanhilfen in Bayern unabhängige Ermittlungsstellen für polizeiliches Fehlverhalten, die Kennzeichnungspflicht für Polizeibeamte, sowie das Ende ausufernder Einsätze von Spezialkommandos im Rahmen von Fußballspielen.
Die bayerische Bereitschaftspolizei macht darauf aufmerksam, dass das USK einem ständigen Evaluationsprozess unterliege. Erkenntnisse aus dieser Schussabgabe würden dabei selbstverständlich mit einfließen. Der Grünen-Landtagsabgeordnete Max Deisenhofer stellt jedoch wie die Fanhilfen in Frage, ob solche Spezialeinheiten beim Fußball überhaupt regelmäßig zum Einsatz kommen müssen:
„Deswegen wünsche ich mir da einfach auch von Seiten der Einsatzleiterinnen und Einsatzleiter der Polizei eine höhere Sensibilität, wann ich diese Einheiten anfordere und wie ich sie dann auch entsprechend einsetze. Weil sie in der Regel nicht deeskalierend auftreten!“