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Verfassung unter Tieren

Am 1. September 1948 trafen sich die Mitglieder des Parlamentarischen Rates, um ein Grundgesetz für die Westzonen zu erarbeiten. Getagt wurde an einem ungewöhnlichen Ort: Im Museum König in Bonn. Am vergangenen Wochenende hat der Bundestagspräsident Norbert Lammert an eben jener Stelle an die Mütter und Väter des Grundgesetzes erinnert. Nun zeigt eine Internetausstellung des Hauses der Geschichte in Bonn, wie damals alles anfing.

Von Michael Köhler |
    "Die erlauchte Versammlung wird hier, umrahmt von indischen Elefanten und allen möglichen Skeletten aus der Welt, ihre Versammlungen abhalten können."

    Mit einem Festakt begann es. Büffel, Zebras und Giraffen waren zuvor bei Seite geräumt und abgedeckt worden, als am 1. September 1948 im Bonner Zoologischen Museum König die bundesrepublikanische Verfassungs-Demokratie entstand. Die konstituierende Sitzung fand in der unweit entfernten Pädagogischen Akademie am Rhein statt.

    Dietmar Preißler, Sammlungsdirektor am Bonner Haus der Geschichte zur Absicht einer Internetausstellung über die Arbeit des Parlamentarischen Rates

    "Wir wollen ein Stück kulturelles Gedächtnis aufbauen. Wir wollen über Fotos und Töne an den Parlamentarischen Rat und damit an die Gründung der Bundesrepublik heranführen. Das ist ein Stück Demokratiegeschichte. Und diese 1200 Fotos, verbunden mit 23 Stunden Tondokumenten ist mit das umfassendste Informationssystem zum Parlamentarischen Rat, was zumindest im Internet angeboten wird. "

    Um es vorwegzunehmen. Es war nicht nur eine Herkulesaufgabe, sondern was die Bonner Museumsleute da geschaffen haben, markiert ein neues Stück der historischen Ausstellungsgeschichte.

    "Alle 77, die damals in Bonn länger oder kürzer dran teilgenommen haben, sind hier aufgenommen, und zwar als Bild mit einem Lebenslauf und mit ihrem Wirken im Parlamentarischen Rat. Der Lebenslauf ist für uns deswegen auch wichtig, weil sich natürlich aus diesen Lebensläufen heraus auch ergibt , `wo kommen die denn her?`, wie sind sie , wie der Historiker sagt, politisch sozialisiert?, waren es Menschen die im Widerstand waren, waren es Menschen, die aus dem Exil gekommen sind, was haben die in der Zeit zwischen 1933 und `45 gemacht, kamen die aus dem Arbeitermilieu, kamen die aus dem katholischen Milieu? "

    Im Internet kann man naturgemäß mehr und länger ausstellen als man es im Foyer des Hauses der Geschichte kann. Die 1200 Fotos der Düsseldorfer Fotografin Erna Wagner - Hehmke sind allein schon beeindruckende Zeugnisse vom Gründungsakt der Bundesrepublik. Sie wurde damals von Hermann Wandersleb, dem Chef der Landeskanzlei NRW beauftragt die Sitzung zu dokumentieren. Aber der besondere Wert liegt in den Biografien, den Literaturangaben und insbesondere der beeindruckenden Sammlung an historischen Tondokumenten, die man in der Internetausstellung nun anklicken kann. Karl Arnold Ministerpräsident von NRW mahnte die Versammlung

    "Denken sie daran, dass dieses GG, das sie schaffen sollen den deutschen Menschen ansprechen muss, damit er ein inneres Verhältnis zu den Grundprinzipien eines neuen staatlichen Lebens erhält. "

    Man kann nicht nur die Originalstimmen hören, sondern auch das redliche Bemühen und das Ringen um eine deutsche Verfassung. Präsident des Parlamentarischen Rates war Konrad Adenauer, Vorsitzender der CDU in der britischen Besatzungszone.

    "Es wird die vornehmste Pflicht des Rates, meines Erachtens, aber auch des Präsidenten und seiner Stellvertreter sein, diese völlige Freiheit und Unabhängigkeit des Parlamentarischen Rates ständig zu wahren und sicherzustellen."

    Vorsitzender des bedeutenden Hauptausschusses wurde der stellvertretende Staatspräsident und Justizminister von Württemberg, der Sozialdemokrat Carlo Schmid. In der 2. Sitzung des Parlamentarischen Rates, am 8.9.1948, heute vor sechzig Jahren, sagte er:

    "Wenn sich dieses Hohe Haus für ein Symbol entscheiden sollte, dann kann es nur ein gemeindeutsches Symbol sein. Und ich glaube, dass hierfür nichts anderes in Betracht kommen kann als die schönen Farben der deutschen Einheits- und Freiheitsbewegung, die Farben schwarz, rot, gold."

    Einer der beiden Kommunisten, die sich bei der Abstimmung später enthielten, war Max Reimann

    "Der Parlamentarische Rat hat kein Mandat vom deutschen Volk."

    Für den späteren Staatspräsidenten Theodor Heuss war der föderale Gedanke des neuen Staates wichtig.

    "Wir nennen diesen Staat jetzt Deutschland, wie er nie hieß. Und wir haben, indem wir Bundesrepublik sagen, oder Republik wie es manche wünschten, oder Bundesstatt, wie es der bayerische Wunsch war, wir haben mit diesem Wort Bundesrepublik, ja den föderativen Charakter mit zum Ausdruck gebracht."

    Einzigartig sind auch die teils gestellten Aufnahmen der sogenannten vier Mütter des Grundgesetzes: Helene Wessel von der Zentrumspartei, Helene Weber für die CDU, Friederike Nadig von der SPD und die Sozialdemokratin Elisabeth Seibert. Sie ist für die Verabschiedung des Grundrechts auf Gleichberechtigung der Frau im Hauptausschuss des Parlamentarischen Rates verantwortlich.

    " Ich bin Jurist und unpathetisch, und ich bin Frau und Mutter und zu frauenrechtlerischen Dingen gar nicht geeignet. Ich spreche aus dem Empfinden einer Sozialistin heraus, die nach jahrzehntelangem Kampf um diese Gleichberechtigung nun das Ziel erreicht hat. Darüber hinaus spreche ich zu Ihnen als weiblicher Anwalt."

    Denn um das Entstehen des Grundgesetztes und seiner Präambel wurde gerungen wie Konrad Adenauer in seiner prägnanten Art sagte

    "Ich denke, dass wir im Laufe des Februar nun doch mit dem Grundgesetz fertig werden!"

    Dietmar Preissler vom Bonner Haus der Geschichte hat einen neuen Weg der Geschichtsvermittlung gewählt. Freilich mit allen Vorzügen und Nachteilen des Internet. Es passt mehr hinein als in einen Katalog oder ein Menschenhirn.

    Es ist eine dynamische Datenbank, die ergänzt und aktualisiert wird. Man kann schnell sehr viel wissen und naturgemäß auch schnell viel vergessen. Nur, der Weg, den man auf sich nimmt, den man geht, wenn man eine Ausstellung besucht, sich vorbereitet, nachliest, ist ein anderer, als der Weg, den man mit einem Mausklick zurücklegt.

    "Natürlich sind wir als Museum ganz stark Ausstellungsorientiert ... aber ein Museum ist gleichzeitig auch eine Gedächtnisorganisation. Und ich stehe ja hier indem Haus für das Gedächtnis der Republik Und da müssen wir alle Möglichkeiten ausnutzen, die uns die moderne Technik gibt."

    Das aber ist die Paradoxie des Internet. Man kann rasant viel Information bekommen, wird aber dadurch noch nicht automatisch zum Wissenden. Die Art und Weise der Aneignung, der Spatenstich ins Erdreich der Erinnerung ist im Internet flacher, horizontaler.

    "Was wir an Tondokumenten gefunden haben, was recherchierbar ist ... ist in diesem Produkt von uns enthalten. Es ist in der Kombination von Bild und Ton einmalig."

    So gibt es kaum etwas zu bemängeln. Und auch der Einwand, die Protokolle der Sitzungen seien nicht im Internet, oder kritische Stimmen wie diese von Otto Grotewohl, dem SED Vorsitzenden, vom Oktober 1948, würden fehlen, schmälern nicht die großartige Dokumentation

    "Der Bonner Rat ist heute der Ausdruck der vollendeten Kapitulation deutscher Menschen vor den Annexionsgelüsten der westlichen Besatzungsmächte."

    Die Arbeit des Parlamentarischen Rates in Bonn machte möglich, dass Konrad Adenauer am 8. Mai 1949 bekannt geben konnte

    "Meine Damen und Herren,
    Das Grundgesetz ist mit 53 Ja-Stimmen gegen
    12 Nein-Stimmen angenommen worden."

    Beobachtungen. Der Parlamentarische Rat 1948 / 49
    Fotografien von Erna Wagner - Hehmke
    2.9.- 5.10. 2008 im Foyer des Bonner Hauses der Geschichte
    zeitlich unbegrenzte Internetausstellung Internetausstellung