Die Kritik von "foodwatch", "Mehr Demokratie" und "Campact" an Ceta, dem Freihandelsabkommen zwischen der EU und Kanada, geht weit. Im Rahmen der Verfassungsbeschwerde könnten nur die gröbsten Mängel angesprochen werden, sagt der Geschäftsführer des Vereins Mehr Demokratie, Roman Huber: "Unser juristisches Vorgehen ergänzt die politische Auseinandersetzung, kann diese und darf diese auch nicht ersetzen."
In der heute angekündigten Verfassungsbeschwerde geht es den Verbraucherschützern um die demokratischen Entscheidungsprozesse. Und sie hoffen dabei auf Rückenwind aus Karlsruhe. Denn in ihrer Rechtsprechung zum europäischen Einigungsprozess haben die Verfassungsrichter das im Grundgesetz festgeschriebene Wahlrecht ausgebaut - zum quasi individuell einklagbaren Recht auf politische Teilhabe. Der Kölner Völkerrechtler Bernhard Kempen, der die Verbraucherschützer rechtlich vertritt, betont: "Das beste Wahlrecht nutzt nichts, wenn diejenigen, die Sie gewählt haben in den Deutschen Bundestag nichts mehr zu entscheiden haben. Und genau da liegt das Problem auch bei Ceta."
Die Kritik richtet sich vor allem gegen die vorgesehenen Schiedsgerichte und Entscheidungsgremien. Schiedsgerichte hält Kempen dort für besonders problematisch, wo es um öffentliche Interessen geht: "Sie müssen sehen, dass hier ein Investor aus Kanada jeden Lebenssachverhalt, den er als ein Handelshemmnis empfindet, als eine Investitionsbeeinträchtigung empfindet, zum Gegenstand eines Schiedsverfahrens machen kann."
Bürger bleiben außen vor
Das reiche weiter, als alle bisherigen Schiedsklauseln, argumentiert der Völkerrechtler. In der Struktur des Abkommens kritisieren die Beschwerdeführer vor allem das Ceta Joint Committee, das Fragen der Umsetzung klären soll - wie weitreichend, sei unklar, moniert Kempen. Außerdem sei nicht sicher gestellt, "dass in den Ausschüssen, etwa in dem Ceta Joint Committee, deutsche Vertreter präsent sind, es ist nicht sichergestellt, dass der Bundestag die Beschlüsse, die in den Ausschüssen getroffen werden, begleitet, es ist nicht sichergestellt, dass die demokratischen Mitwirkungsrechte der Bürgerinnen und Bürger sich in der Ceta-Struktur wiederfinden."
Solche Kritik haben schon andere geübt - bisher ohne Erfolg. An die 200 Verfassungsbeschwerden haben die Karlsruher Richter bereits verworfen. Die Verbraucherschützer schreckt das nicht. Sie glauben, all diese Beschwerden seien schlicht zu früh eingelegt worden, bevor konkrete Entscheidungen anstanden. Das sei aber bald der Fall. Im Herbst will der Europäische Rat über die vorläufige Anwendbarkeit des Abkommens entscheiden.
"Angriff auf die Demokratie"
Ein Unding, findet foodwatch-Geschäftsführer Thilo Bode. Er erwartet nicht, dass der Bundestag über das Abstimmungsverhalten berät, was bei anderen Verträgen üblich und in Ordnung sei. Bei Ceta aber sieht Bode das völlig anders, da dieser Vertrag, anders als die klassischen Handelsverträge, direkt die Rechte des Parlaments einschränken und beeinflussen könne. Auch die Vorläufige Anwendung des Vertragswerks sieht er als problematisch an: "Da auch durch die vorläufige Anwendung das Niveau des Verbraucher- und Gesundheitsschutzes beeinflusst wird, ist es natürlich für uns völlig unakzeptabel, dass dieses Abkommen in Kraft tritt, ohne dass ein Parlamentarier eines EU-Mitgliedsstaates jemals die Hand gehoben hat. Das halten wir wirklich für einen Angriff auf die Demokratie."
Ihre Verfassungsbeschwerde wollen die Beschwerdeführer deshalb kurz vor der Abstimmung im Rat einreichen - verbunden mit dem Antrag, die Richter mögen die deutsche Zustimmung im Eilverfahren verbieten. Ebenso wollen die vorgehen, die - vertreten vom Bielefelder Rechtsprofessor Andreas Fisahn - für ihre Beschwerde schon Zehntausende Unterstützer gefunden haben. Beide Verfassungsbeschwerden laufen dann parallel. Auch bei der von foodwatch, mehr Demokratie und Campact sollen sich Bürger beteiligen können.