Archiv

Verfassungsreferendum in der Türkei
OSZE prangert Missstände an

Die OSZE-Wahlbeobachter haben deutliche Kritik an einer Benachteiligung der Gegner des Präsidialsystems in der Türkei geäußert. Die Regierungspartei AKP habe die öffentlichen Wahlkampagnen und die Medienberichterstattung in der Türkei dominiert. Oppositionspolitiker seien nicht zugelassen worden.

Von Sabine Adler |
    Eine Frau kommt in Istanbul aus einer Wahlkabine.
    Verfassungsreferendum in der Türkei: Eine Frau kommt in Istanbul aus einer Wahlkabine. (AFP / Bulent Kilic)
    Das Urteil der OSZE ist vernichtend. Das Referendum habe unter ungleichen Bedingungen für Befürworter und Gegner stattgefunden und die Zivilgesellschaft konnte sich kaum beteiligen.
    Fast 1.600 NGOs sind seit dem Putschversuch im vorigen Jahr aufgelöst worden. Die Oppositionsparteien hatten wegen unautorisierter Wahlzettel und Stempel von Betrug gesprochen und die Neuauszählung oder gar Annullierung der Wahl verlangt. Dem wollte sich die OSZE nicht anschließen, da sie dafür keine Beweise habe. Mit Kritik sparte sie dennoch nicht. Cezar Florin Preda von der Wahlbeobachtermission des Europarats und der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit:
    "Der Wahlkampf war unausgewogen, weil sich sowohl der Präsident als auch hohe nationale und lokale Funktionäre beteiligten, während Oppositionelle und Vertreter von Nichtregierungsorganisationen behindert wurden. Zudem wurden administrative Ressourcen missbraucht. Nein-Unterstützer wurden mit Terror-Sympathisanten gleichgesetzt, von der Polizei behindert und geschlagen."
    Massiver Polizeieinsatz
    Die Polizei sei massiv im Einsatz gewesen, in und außerhalb der Wahllokale, und habe vor dem Einlass zum Teil Personalausweise der Wähler geprüft.
    Die Bürger seien nicht genügend über die wichtigsten Aspekte der Verfassungsänderungen informiert worden.
    "Über die 18 Verfassungsänderungen in insgesamt 72 Artikeln der Verfassung ist als ein Paket abgestimmt worden, was nicht als gute Praxis für ein Referendum betrachtet wird. Denn Wähler sollten eine Wahl bei jeder einzelnen angestrebten Änderung haben."
    Ausführliches Informieren kaum möglich
    Die einseitige Berichterstattung und die Einschränkungen für die Medien haben es den Wählern unmöglich gemacht, sich mit einer Vielfalt von Argumenten auseinanderzusetzen. Die Medien übten sich wegen der Inhaftierungen viele Journalisten in Selbstzensur.
    Die Arbeit der Wahlkommission wird als nicht transparent bewertet, außerdem seien nach dem Putschversuch im Juli 2016 drei Mitglieder der Leitung der Wahlkommission sowie 221 Mitarbeiter sowie alle Richter entlassen und ersetzt worden.
    Der Zugang von Parteipolitikern zu den Wahllokalen war nicht ausgewogen, 170 Oppositionsvertreter seien gar nicht zugelassen worden. Provinzgouverneure hätten während des Wahlkampfes mit Verweis auf den Ausnahmezustand von Kundgebungen zu verboten, eine Einschränkung der Versammlungs- und Redefreiheit, so die OSZE.