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Verfassungsschutz
Von Notz (Grüne): AfD-Beobachtung muss geprüft werden

Es gebe viele Argumente, die für eine Beobachtung der AfD durch den Verfassungsschutz sprächen - auch auf Bundesebene, sagt der Grünen-Abgeordnete Konstantin von Notz im Dlf. Diese müssten intensiv geprüft werden. Darüber entscheiden müssten letztlich Fachleute in den Behörden.

Konstantin von Notz im Gespräch mit Philipp May |
    Der Grünen-Politiker Konstantin von Notz
    Jeder der ein deutsches Geschichtsbuch kenne, wisse, dass es eine relevante Frage sei, ob eine Partei verfassungsfeindlich aufgestellt sei, so Konstantin von Notz. (imago / Photothek)
    Phillip May: Der Thüringer Verfassungsschutz prüft die Beobachtung der AfD. Ist das nicht ein Geschenk für Björn Höcke?
    Konstanin von Notz: Nein, das glaube ich überhaupt nicht. Ich glaube, das ist ein guter Schritt, und es gibt die Diskussion auf Landesebene schon lange, bei verschiedenen Ländern und Landesämtern für Verfassungsschutz, ob die AfD nicht beobachtet werden muss. Insofern ist das nur ein weiterer konsequenter Schritt, und ich glaube, die Diskussion tut auch auf Bundesebene Not.
    "Bündnispartner, Reden, Anträge - sie alle extremisieren sich"
    May: Aber jetzt können er und seine Thüringer AfD sagen, sie schaffen es nicht, uns politisch zu bekämpfen, also versuchen sie, uns zu verbieten. Das wird ihm doch möglicherweise weitere Wähler zutreiben.
    Von Nutz: Das glaube ich nicht. Ich glaube, jeder, der ein deutsches Geschichtsbuch kennt, weiß, dass es eine relevante Frage ist, ob eine Partei verfassungsfeindlich unterwegs ist, aufgestellt ist, oder Teile einer Partei. Es geht auch erst mal nicht darum, eine Partei zu verbieten, sondern einfach, dass der Rechtsstaat wehrhaft ist und seine Feinde erkennt. Genau dafür haben wir den Verfassungsschutz und deswegen ist es, glaube ich, so ein leidvolles Thema, dass man eigentlich der Debatte ein bisschen hinterherhinkt, denn die Strukturen der AfD, zumindest in Teilen, die Bündnispartner, die Reden, die Anträge, die Forderungen, sie alle extremisieren sich. Deswegen ist es, glaube ich, nur konsequent, dass der Verfassungsschutz da draufguckt.
    May: Woran machen Sie denn konkret die Verfassungsfeindlichkeit fest?
    Von Notz: Ich selbst kann Ihnen sagen, ich halte es auch für schlechten Stil, wenn jetzt aus der Politik gesagt wird, die AfD gehört beobachtet. Und schon gar nicht kann ich die Verfassungsfeindlichkeit der AfD beurteilen. Das tun bei uns Behörden. Aber man muss einfach zur Kenntnis nehmen, auch wenn der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz das bisher anders sieht, dass es auf Landesebene, bei den Fachleuten in den Behörden dort in einigen Ländern gewichtige Stimmen gibt mit guten Argumenten, dass man da näher hingucken muss. Insofern finde ich es richtig, dass diesen Argumenten jetzt zumindest teilweise gefolgt wird.
    "Erwarte, dass der Verfassungsschutz wehrhaft aufgestellt ist"
    May: Sie haben gerade den Chef des Bundesverfassungsschutzes, Hans-Georg Maaßen angesprochen. Vielleicht sieht er es ja auch anders, weil die Bundes-AfD etwas anderes ist als die Thüringer AfD. Selbst da gehört Björn Höcke ja zu den Hardlinern im Bundesvergleich.
    Von Notz: Mag sein, dieses Urteil steht mir auch nicht an. Richtig ist, dass es ja nun einen Verbund gibt der Nachrichtendienste, die diese Dinge diskutieren, und da wurden von Landesebene die Argumentationen anders gesetzt als auf Bundesebene. Wir haben dieses Thema aufgesetzt im Innenausschuss und im Parlamentarischen Kontrollgremium jetzt für die nächste Sitzungswoche, weil eben das Gesamtbild, was da entsteht, inklusive der Gespräche und offensichtlich auch der Beratungsgespräche, die von Seiten des Präsidenten des Bundesamtes in Richtung AfD erfolgt sind, ein schiefes Bild entsteht, nämlich dass man hier sich nicht ordentlich darum kümmert, seiner Verpflichtung nachzugehen. Deswegen werden wir das auch im Parlament diskutieren müssen.
    May: Das heißt, die Behörden bewerten das anders, den gleichen Sachverhalt?
    Von Notz: Ich will es mal so sagen: Am Ende des Tages müssen die Behörden es entscheiden. Es steht jetzt einzelnen Politikerinnen und Politikern nicht an zu sagen, der andere Politiker muss beobachtet werden. Dann käme man in der Tat in Teufelsküche. Aber wir haben zum Beispiel bei den Reichsbürgern über viele Jahre darauf hinweisen müssen, dass sich doch hier offensichtlich eine vehemente Militanz durch diese Bewegung oder Organisation zieht und dass die vom Verfassungsschutz vielleicht doch mal angeschaut werden sollte, ob man da nicht nachgucken muss. Diese Diskussion hat es politisch gegeben und erst, nachdem ein sehr schlimmer Mord passiert ist, ist man dem dann gefolgt. Deswegen: Ich finde, gerade in diesen Zeiten, in denen auch Rechtsextreme in Europa in die Regierung kommen, erwarte ich vom Verfassungsschutz, dass er hier wehrhaft aufgestellt ist. Wir wissen es aus unserer eigenen Geschichte: in der Weimarer Republik die NSDAP. Die hat sich nach außen milde gegeben; sie hat nach innen maximal scharf formuliert, was sie erst machen wird, wenn sie an der Macht ist. Vor diesen Erfahrungen haben wir so eine Institution wie den Verfassungsschutz, damit der Rechtsstaat, die Demokratie wehrhaft aufgestellt ist, und das erwarte ich von den Behörden.
    Bei Hitlergrüßen werden die Argumente schwerer
    May: Um das noch mal klarzustellen: Sie wollen, dass der Verfassungsschutz nicht nur die AfD in Thüringen beobachtet, sondern die AfD insgesamt bundesweit überall?
    Von Notz: Nein! Ich sage, es gibt gewichtige Stimmen bei den Fachleuten. Mich persönlich überzeugen die. Am Ende des Tages muss die Behörde und muss die Rechts- und Fachaufsicht des Bundesinnenministers das entscheiden, wie das in der Behörde läuft. Nur ich kann sagen: Wenn man sich die Großdemo da in Chemnitz angeguckt hat, wo jetzt die AfD gemeinsam mit Pegida Seit an Seit schreitet und massenhaft Leute den Hitler-Gruß zeigen und NS-Sprüche durch Chemnitz rufen, das ist der Zeitpunkt, wo die Argumente immer schwerer werden. Deswegen fordern wir eine sachgerechte Diskussion in den Behörden und natürlich am Ende des Tages auch von Horst Seehofer. Der schafft sich natürlich mit seinen Äußerungen und den Baustellen, die er sich selbst jeden Tag schafft, nicht die nötige Konzentration, die für das Amt des Bundesinnenministers nötig wäre.
    May: Sie sind jetzt sehr vorsichtig, was die Forderung angeht. Dennoch: Es fällt ja auf, dass jetzt vor allem die Verfassungsschützer der Länder vorgeprescht sind, oder von Ländern vorgeprescht sind – sagen wir es mal so -, die links regiert werden wie Thüringen, vorher Bremen und Niedersachsen, die die Jugendorganisation der AfD beobachten. Also ist es am Ende doch eine politische Frage?
    Von Notz: Nein, das glaube ich nicht. Es gibt auch Verfassungsschutzbehörden, Landesverfassungsschutzämter im Süden dieses Landes, die wohl auch starke Argumente ins Feld geführt haben in der Auseinandersetzung mit dem Bundesamt, dass ein Sammeln von Informationen angezeigt wäre. Ich würde sagen – und das wäre auch mein Anspruch -, dass das nicht mit dem Farben-Klippklapp der Länder zu tun haben darf, sondern einfach mit den Fakten. Da würde ich sagen, bei den Verbindungen der AfD zu den Identitären, bei den Verbindungen, die es zu anderen rechtsextremen Parteien in Europa gibt, bei den Verbindungen, die es nach Russland gibt, gibt es offenkundig viele Argumente, die für eine Beobachtung sprechen, und ich verlange, dass die ordentlich geprüft werden.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.