Rechtsextreme, Reichsbürger, Linksextreme - im Coronajahr 2020 haben sie alle Zulauf bekommen. Extremisten gingen nicht in den Lockdown, sagte Thomas Haldenwang, Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz bei der gemeinsamen Präsentation des Verfassungsschutzberichtes mit Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU). Deren gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung gerichteten Aktivitäten seien in die virtuelle Welt verlegt worden, so Haldenwang.
Rechtsextremismus
Besonders besorgt zeigte sich Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) erneut von zunehmenden rechtsextremistischen Umtrieben im vergangenen Jahr, mit einem Personenpotenzial von über 33.000 Menschen. Die Corona-Pandemie habe diese Entwicklung nicht gebremst, sondern geprägt. "Zahlreiche rechtsextremistische Großveranstaltungen wurden zwar abgesagt oder verschoben, dafür haben sich die Rechtsextremisten bemüht, über die Proteste gegen die staatlichen Corona-Schutzmaßnahmen Anschluss an das bürgerliche Spektrum zu finden." Sie hätten dem Protest ihren Stempel aufdrücken können, "obwohl sie von der Personenzahl deutlich in der Minderheit waren", sagte Seehofer und äußerte sich besorgt über die mangelnde Abgrenzung der Mehrheit der Demonstranten gegen mitlaufende Extremisten.
Erneut gestiegen ist laut den Verfassungsschützern auch das Personenpotenzial der rechtsextremen Szene. Mehr als 33.000 Anhänger werden ihr zugerechnet, mehr als 13.000 davon gelten als gewaltbereit.
Neue Rechte
Zum ersten Mal weist der Verfassungsschutzbericht ein eigenes Unterkapitel zur Neuen Rechten auf. Deren Agieren müsse breiter bekannt werden, forderte Seehofer. "Die Neue Rechte gibt den rechtsextremistischen Gewalttätern die ideologische Rechtfertigung für das, was sie tun", sagt Thomas Haldenwang: "Die predigen denen von morgens bis abends, dass hier eine große Umvolkung in Deutschland stattfindet und man dagegen Widerstand leisten muss." Seehofer sagte, durch einen "pseudo-intellektuellen Anstrich versuche die Neue Rechte, rechtsextremes Gedankengut in den gesellschaftlichen Diskurs einzubringen und die Grenze des Sagbaren zu verschieben. Der Neuen Rechten zugerechnet werden im Bericht unter anderem die "Identitäre Bewegung", das "Compact-Magazin" unter Chefredakteur Jürgen Elsässer und das "Institut für Staatspolitik" in Sachsen-Anhalt.
Reichsbürger
Das Bundesamt für Verfassungsschutz hatte im April bekannt gegeben, dass es Personen der Querdenken-Bewegung, die häufig Anmelderin von Protesten gegen die Corona-Maßnahmen war, beobachtet. Die Behörde richtete dafür eigens die Kategorie "Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates" ein. Begründet wurde der Schritt mit der Beteiligung einschlägiger Extremisten bei der Bewegung sowie mit Verbindungen in die Szene der Reichsbürger. Deren Zulauf hat sich dem Verfassungsschutzbericht zufolge 2020 vergrößert. Der Szene werden werden 20.000 Anhänger zugerechnet. 2019 waren es noch 1.000 weniger.
Linksextremismus und Islamismus
Gleichzeitig warnte Seehofer, auch Linksextremismus und Islamismus nicht zu unterschätzen.
Linksextreme Gewalt zeige sich "zunehmend enthemmt", vor allem Brandanschläge, bei denen teilweise auch die Gefahr für Menschenleben in Kauf genommen werde, gingen auf das Konto dieser Szene. Der Verfassungsschutzbericht beziffert das Personenpotenzial der Szene auf mehr als 34.000, davon gelten rund 9.600 Anhänger als gewaltorientiert. Auch beim Islamismus bestehe nach wie vor eine "sehr ernst zu nehmende Bedrohungslage". Er verwies dabei auch auf die Anschläge im benachbarten Frankreich.
(Quelle: EPD, AFP, Gudula Geuther)
Anmerkung: Die Zahlen basieren auf Angaben des BKA. Die Übersicht enthält – mit Ausnahme der Tötungsdelikte – vollendete und versuchte Straftaten. Jede Tat wurde nur einmal gezählt. Wurden mehrere Straftaten verübt, wurde ausschließlich der schwerer wiegende Straftatbestand gezählt. Sind z.B. während eines Landfriedensbruchs zugleich Körperverletzungen begangen worden, so erscheint nur die Körperverletzung als das Delikt mit der höheren Strafandrohung in der Statistik.