Mit Tempolimit wär das nicht passiert: Laut der Agora-Studie lagen die Emissionen um rund fünf Millionen Tonnen über dem Soll. Auf den ersten Blick ist das nicht viel angesichts von insgesamt 761 Millionen Tonnen Kohlendioxid, die aus Deutschland in die Atmosphäre gelangt sind. Zumal die Bundesregierung zu anderen Prioritäten gezwungen war: Sie musste dafür sorgen, dass trotz des Stopps der Energielieferungen aus Russland die Wohnungen warm bleiben und die Lichter nicht ausgehen.
Dies zwang dazu, vorübergehend mehr besonders klimaschädliche Kohle und weniger Gas zu verstromen. Und: Die Ampel-Koalition hat den Klimaschutz bei Amtsantritt Ende 2021 zwar zur Priorität erklärt, doch die nötige Wende kann nicht von heute auf morgen klappen. Ein Teil der Zielverfehlung geht noch auf das Konto der schwarz-roten Vorgängerregierung.
Aber eben nur ein Teil. Denn die Koalition aus SPD, Grünen und FDP hat das Steuer nicht etwa herumgerissen. Sie hat viel zu zaghaft die Richtung geändert mit der absehbaren Folge, dass die Klimaschutzziele in den nächsten Jahren noch stärker verfehlt werden dürften. Um den Ausstoß von Treibhausgasen bis zum Jahr 2030 wie geplant um 65 Prozent zu verringern, werden deutlich größere Anstrengungen in allen Bereichen gebraucht.
Die FDP verhindert ein Tempolimit
Besonders groß ist die Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit im Verkehr. Dabei hätte eine simple und dazu noch kostenlose Lösung ausgereicht, um das Klimaziel für das vergangene Jahr nahezu einzuhalten: Ein Tempolimit von 100 auf der Autobahn. Nach Berechnung des Umweltbundesamtes hätte es 4,3 der fünf Millionen Tonnen zu viel ausgestoßenen Treibhausgase eingespart. Verhindert wurde und wird diese sinnvolle Maßnahme von der FDP. Sie hat der Bundesregierung mit Volker Wissing einen Verkehrsminister eingebrockt, der beim Klimaschutz blockiert, wo er kann. Bis heute hat er kein brauchbares Sofortprogramm für zusätzliche CO2-Einsparungen vorgelegt, obwohl das Gesetz ihn dazu verpflichtet.
Aber auch anderswo wird es absehbar nicht reichen: So bei der energetischen Sanierung von Gebäuden und der Dekarbonisierung der Industrie - auch wenn es in diesen Bereichen schon Fortschritte und vor allem den Willen zum Anpacken gibt. Beim Ausbau von Windkraft und Solarenergie muss sich das Tempo verdoppeln oder verdreifachen, um die Versäumnisse der Vergangenheit aufzuholen. Besonders wichtig wäre eine Vereinfachung des Planungsrechts, damit zwischen Antrag und Inbetriebnahme vor allem von Windrädern nicht länger Jahre vergehen.
Deutschland hat in der Krise gezeigt, dass es solche Probleme lösen kann: In weniger als einem Jahr wurde in Wilhelmshaven das erste Terminal zum Anlanden von Flüssigerdgas in Betrieb genommen. Diese Entschlossenheit und dieses Tempo brauchen wir jetzt auch beim Klimaschutz.