Rechtsstreit
Welt-Skiverband FIS darf Weltcups nicht zentral vermarkten

Der Deutsche Skiverband verbucht im Streit mit dem Weltverband einen juristischen Teilerfolg. Die Richter gaben dem DSV Recht: Der FIS-Beschluss zur zentralen Vermarktung der Medienrechte verstößt gegen europäisches Kartellrecht. Eine Entscheidung, die Auswirkungen auf den Sport haben könnte.

Von Simone Maurer |
    Der deutsche Skirennläufer fährt beim Ski-Weltcup 2024 in Kitzbühel im ersten Lauf an ein Tor.
    Der Ski-Weltverband FIS will seine Top-Rennen künftig zentral vermarkten. Dagegen geht der Deutsche Skiverband vor - und erzielt vor einem Gericht in München nun einen ersten Erfolg. (picture alliance / dpa / MAXPPP / Pierre Teyssot)
    Der Deutsche Skiverband hat vor dem Landgericht München einen Teilerfolg gegen den Skiweltverband (FIS) erreicht. Das Gericht gab im Verfügungsverfahren dem DSV recht. Der Weltverband und sein Präsident Johan Eliasch wollten die Medienrechte der Ski-Weltcups zentral vermarkten.

    Inhalt

    Um was ging es in dem Verfügungsverfahren?

    Grund für die einstweilige Verfügung gegen den Weltverband FIS sind Streitigkeiten über die Vermarktung. Es geht ums Geld. Der Weltverband und sein Präsident Johan Eliasch planten schon länger, dass die Medienrechte der Ski-Weltcups zentral vermarktet werden sollen. Im April 2024 kündigte Eliasch an, dass die Zentralisierung der Medienrechte ab der Saison 2025/2026 umgesetzt werden soll.
    Zum einen wollte der umstrittene Verbandspräsident damit den laut einem FIS-Bericht rückläufigen Zuschauerzahlen entgegenwirken. Zum anderen will er so neue Märkte, zum Beispiel in den USA, China und Saudi-Arabien erschließen. Eliasch vertritt die Meinung, dass die FIS sich stärker positionieren muss, um mehr Zuschauer vor den Fernseher zu locken.
    Die nationalen Skiverbände wie der DSV fürchten um ihre Einnahmen aus den TV-Rechten. Durch die Vermarktung der Weltcups im Ausland generieren die Verbände einen großen Teil ihrer jährlichen Einnahmen. Im DSV etwa macht dies rund ein Viertel des Gesamtetats aus. Damit werden nicht nur die Top-Events wie die Vierschanzentournee oder die Alpin-Höhepunkte in Kitzbühel oder Garmisch-Partenkirchen finanziert, sondern vor allem auch kleinere Disziplinen wie die Nordische Kombination und generell der Nachwuchs.
    "Nach einhelliger Meinung und nach anwendbarem deutschen Recht gehören die Medien- und Marketingrechte für die Weltcup-Events in Deutschland dem DSV und seinen lokalen Organisationspartnern", sagte DSV-Vorstandsmitglied Schwarzbach.
    Der Deutsche Skiverband hatte deshalb einen Antrag auf einstweilige Verfügung gegen den Weltverband FIS gestellt. Nach Meinung des DSV verstößt der FIS-Beschluss von April gegen deutsches und europäisches Kartellrecht. Und das sahen auch die Richter so. Sie gaben dem DSV in Teilen Recht.

    Was bedeutet die Entscheidung der Richter?

    Nach Angaben der Richter stellt die beschlossene Bündelung in ihrer konkreten Form eine nach europäischem Kartellrecht unzulässige bezweckte Wettbewerbsbeschränkung dar. Zudem nutze der Weltverband FIS seine marktbeherrschende Stellung zum Nachteil des Deutschen Skiverbands aus. Der Wettbewerbsnachteil entstehe für den nationalen Verband hinsichtlich seiner originären Rechteinhaberschaft für Werbe- und Medienrechte, über die er laut Beschluss der FIS nicht mehr mitentscheiden könne, urteilte die 37. Zivilkammer am Landgericht München.
    Der Argumentation der FIS, dass europäisches Kartellrecht in dem Fall nicht anwendbar sei und auch das Münchner Gericht nicht zuständig sei, folgte das Gericht nicht. Der DSV habe ein Recht auf einstweiligen Rechtsschutz, weil der Skiweltverband relevante Medienrechte an eine Drittfirma vergeben habe. Der FIS und ihrem Präsident Johan Eliasch ist es somit gerichtlich untersagt, den Beschluss aus dem April umzusetzten.
    "Wir sind nicht nur froh, sondern erleichtert. Die Entscheidung aus dem April 2024 hat unsere und auch die Existenz der anderen nationale Verbände bedroht", sagt Stefan Schwarzbach, Vorstandsmitglied beim Deutschen Skiverband, gegenüber dem Deutschlandfunk. Dass das Gericht den DSV und die nationalen Verbände als originäre Mitinhaber der Medienrechte eingestuft habe, sei enorm wichtig. Allerdings ist das Urteil noch nicht rechtskräftig. Die FIS hat bereits angekündigt, Berufung einzulegen.

    Hat nur der DSV gegen die FIS geklagt?

    Gegen die Vermarktung der Medienrechte durch die FIS wehrte sich nicht nur der Deutsche-Skiverband vor Gericht. Auch Ski Austria reichte beim Oberlandesgericht Wien eine Klage an. Der österreichische Skiverband gehört zu den wichtigsten nationalen Wintersportverbänden im Skizirkus und fürchtetet durch den FIS-Beschluss einen Millionenschaden. Das Verfahren in Österreich steht Ende November an. Der Streit zwischen den nationalen Verbänden und dem Weltverband währt schon länger.
    Seit der Entscheidung der FIS im April, die zentrale Vermarktung in ihre Statuten aufzunehmen, setzte sich der Machtkampf auch vor Gericht fort. Ende des Monats startet der Skiweltcup in Sölden, eine Lösung des Zwist ist bis dahin nicht abzusehen.
    "Wir würden uns wünschen, dass die FIS die Kommunikation überdenkt und nicht den nächsten juristischen Schritt einleitet. Wir sind bereit, einer Zentralisierung zuzustimmen, wenn die Parameter stimmen und wir als Partner anerkannt werden", sagt Schwarzbach.

    Warum steht FIS-Präsident Johan Eliasch in der Kritik?

    Der gebürtige Schwede Johan Eliasch steht seit 2021 dem Weltskiverband vor. In seiner Funktion als Präsident ist er umstritten. Immer wieder kommt es zur Konfrontation mit den nationalen Verbänden. Der Unternehmer wartete in der Vergangenheit mit ungewöhnlichen Ideen auf, um für Aufmerksamkeit im Skisport zu sorgen. Die Weltcuprennen in Zermatt waren eines seiner Prestigeprojekte.
    FIS-Präsident Johan Eliasch
    Bislang haben die nationalen Ski-Verbände ihre Weltcuprennen selbst vermarktet. Doch FIS-Präsident Johan Eliasch will den Weltcup zentral vermarkten und neue Märkte in den USA, China und Saudi-Arabien erschließen. Jetzt ziehen die Verbände vor Gericht. (IMAGO / Mario Buehner-Weinrauch)
    Umstritten waren die Speedrennen in mehr als 3000 Metern Höhe von Anfang an: In zwei Jahren gab es insgesamt acht Rennabsagen wegen des Wetters. Vorgeworfen wird dem FIS-Präsidenten auch Greenwashing. Der Weltskiverband behauptete, „klimapositiv“ zu sein, Experten kritisieren diese Bezeichnung als unseriös. Dazu zählte auch Greenpeace, eine Studie der Umweltorganisation zeigte: Die FIS hat ihren CO2-Fußabdruck kleingerechnet.
    Nach dem Ende der Weltcupsaison im Frühjahr gab es auch harsche Kritik am Rahmenprogramm und dem Rennkalender der Zukunft. Eliasch träumt von weiteren Gletscherrennen und neuen Märkten mit Indoor-Events in Dubai. DSV-Sportchef Wolfgang Maier bilanzierte zum Saisonende 2024 im Deutschlandfunk, FIS-Präsident Elias habe "keine Ahnung" und sprach ihm mit Blick auf die zentrale Vermarktung des Skiweltcups jegliche Kompetenz ab.

    Welche Auswirkungen könnte das Urteil für den Sport haben?

    Die Entscheidung des LG München lässt sich nach Angaben des Sportrechtlers Mark-E. Orth leicht auf die zentrale Vermarktung der Bundesligamedienrechte übertragen. „Die zentrale Vermarktung der Bundesligafernsehrechte durch die DFL in Form der Bündelung der Klubrechte ist eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung und damit rechtswidrig und nichtig. Den Klubs stehen wegen dieses Kartellrechtsverstoßes auch Schadensersatzansprüche gegen die DFL zu. Genauso wie die FIS die Rechte der nationalen Skiverbände wie etwa des DSV nicht bündeln darf, so darf es auch die DFL nicht bei den Klubrechten machen“, sagt Orth. Dabei spiele es keine Rolle, ob der Deutsche Skiverband oder die Bundesligaklubs der Bündelung zustimmten. Die Bündelung sei wegen der Marktwirkungen verboten.
    Anstelle von mehreren Anbietern von Medienrechten gebe es infolge der Bündelung nur noch einen, nämlich die DFL bzw. die FIS, erläutert der Jurist. „Das Bundeskartellamt hatte das im Februar 2024 im Hinblick auf die Bundesligafernsehrechte auch schon festgestellt, meinte aber, dass es das ‚tolerieren‘ würde. Ein Gericht hat nicht diese Möglichkeit, nicht zu entscheiden. Wobei auch das Bundeskartellamt nicht mit Rechtswirkung tolerieren kann“, sagt Orth und fügt an: „Wie schon das Bundeskartellamt kann auch das LG München keine Effizienzvorteile aus der Bündelung feststellen.“
    Orth sieht zudem Parallelen zum EuGH-Urteil zur Super League. Die Richter hatten Ende 2023 geurteilt, dass die UEFA und die FIFA ihre Monopolstellung im Fußball ausnutzen, wenn sie von vornherein Wettbewerbe wie zum Beispiel die Super League verhindern. Das sei „nicht verhältnismäßig“ und stehe zudem im Widerspruch zur Wettbewerbsfreiheit.
    Auf das Urteil des Landgerichts München können sich nach Angaben von Orth aber auch Athleten berufen, die etwa durch die Regel des Artikel 40 der IOC- Charta die eigenen Werberechte zu großen Teilen während der olympischen Spiele abgenommen bekommen. Und nicht nur sie: Auch FIS Skiworldcup-Veranstaltungsorte wie Kitzbühel oder Garmisch-Partenkirchen, denen von der FIS und den nationalen Verbänden die Rechte weggenommen werden, könnten sich auf die Entscheidung berufen, unterstreicht der Sportrechtler.