Vergangenheitsbewältigung „Deutschenkinder“ in Norwegen
Die Mütter hießen „Deutschenmädchen“ oder „Deutschenhuren“, weil sie sich während der Besatzung Norwegens mit Wehrmachtssoldaten eingelassen hatten. Die Frauen wurden nach dem Ende des 2. Weltkriegs öffentlich kahlgeschoren, interniert und ausgebürgert.
Die rund 12.000 Kinder aus diesen deutsch-norwegischen Liebesbeziehungen wurden später in Kinderheime gesteckt oder an Pflegeeltern weitergegeben, und in der Schule als "Deutschenkinder" gehänselt. Mehr als 70 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges hat sich die norwegische Regierung offiziell für die Behandlung der Frauen entschuldigt.
Kollaborateure in Behördenzimmern
Für die Betroffenen selbst kommt diese Geste der Wiedergutmachung zu spät - sie leben nicht mehr. Für deren Kinder ist sie aber Gelegenheit, ihr Schweigen zu brechen und von dem ihnen zugefügten Unrecht zu berichten. Die Debatte erinnert die norwegische Gesellschaft daran, dass die wahren Kollaborateure während der Besatzungszeit in Fabrikchefetagen, Behördenzimmern und Polizeiwachen saßen.
Die späte Entschuldigung Sie wurden "Deutschenflittchen" genannt und nach dem Krieg geächtet, weil sie sich mit Wehrmachtssoldaten eingelassen hatten. Siebzig Jahre später hat sich die norwegische Regierung bei den Müttern entschuldigt. Für die Kinder ist das eine späte Einsicht.
Per Kleinanzeige zur Adoption freigegeben Viele der norwegischen Frauen, die sich mit den Nazi-Besatzern eingelassen hatten, leben heute nicht mehr. Die Kinder aus diesen Beziehungen erfahren meist gar nicht, dass sie deutsche Wurzeln haben. Aber manchmal kommt ein dramatischer Anruf aus Deutschland.
Das Archiv der Täter und Opfer Die Jahre der Besatzung galten in Norwegen nach dem Krieg vor allem als Jahres des Widerstands gegen die Nazi-Besatzer. Das war der romantisierte Blick auf eine brutale Zeit und wichtig für das nationale Wir-Gefühl. Erst Ende der 90er-Jahre setzte eine kritische Debatte ein.
Die Rassenlogik der Nazis Lebensborn-Heime sollten Kinder im Sinne des nationalsozialistischen Rassenwahns hervorbringen. Mehr als ein Dutzend solcher Heime stand im besetzten Norwegen. Besatzungssoldaten wurden ermuntert, Kinder mit norwegischen Frauen zu zeugen. Die Wunden dieser Kinder sind bis heute nicht geheilt.
Widerstand gegen den Nazi-Terror Die Zahl der aktiven Widerstandskämpfer während der deutschen Besatzung in Norwegen war gering. Die Unterstützung in der Bevölkerung aber war groß. Wer konnte, gewährte Unterschlupf oder boykottierte die Nazis. Allerdings kratzen Historiker am Mythos der norwegischen Widerstands-Erzählung.
Literaturhinweis:
Edvard Hoem: "Die Geschichte von Mutter und Vater". Aus dem Norwegischen übersetzt von Ebba D. Drolshagen. Suhrkamp Verlag, 2009, 220 Seiten, 8 Euro.