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Vergangenheitsbewältigung
„Deutschenkinder“ in Norwegen

Die Mütter hießen „Deutschenmädchen“ oder „Deutschenhuren“, weil sie sich während der Besatzung Norwegens mit Wehrmachtssoldaten eingelassen hatten. Die Frauen wurden nach dem Ende des 2. Weltkriegs öffentlich kahlgeschoren, interniert und ausgebürgert.

Von Gunnar Köhne |
    Norwegische Frauen, die während des Zweiten Weltkriegs Kinder von deutschen Besatzern bekommen haben, aufgenommen 1946 bei ihre Ausreise nach Deutschland. Sie wurden als "Deutschenflittchen" ("Tyskertøs") und Verräterinnen beschimpft, ihr Nachwuchs als "Deutschenkinder" ("Tyskerbarn") bezeichnet. Viele der Kinder wurden im Rahmen des arischen Lebensborn-Programms der Nazis gezeugt.
    Norwegische Mütter mit ihren Kindern, die sie von deutschen Besatzern bekommen haben (NTB scanpix)
    Die rund 12.000 Kinder aus diesen deutsch-norwegischen Liebesbeziehungen wurden später in Kinderheime gesteckt oder an Pflegeeltern weitergegeben, und in der Schule als "Deutschenkinder" gehänselt. Mehr als 70 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges hat sich die norwegische Regierung offiziell für die Behandlung der Frauen entschuldigt.
    Kollaborateure in Behördenzimmern
    Für die Betroffenen selbst kommt diese Geste der Wiedergutmachung zu spät - sie leben nicht mehr. Für deren Kinder ist sie aber Gelegenheit, ihr Schweigen zu brechen und von dem ihnen zugefügten Unrecht zu berichten. Die Debatte erinnert die norwegische Gesellschaft daran, dass die wahren Kollaborateure während der Besatzungszeit in Fabrikchefetagen, Behördenzimmern und Polizeiwachen saßen.
    Norwegische Frauen, die während des Zweiten Weltkriegs Kinder von deutschen Besatzern bekommen haben, aufgenommen 1946 bei ihre Ausreise nach Deutschland. Sie wurden als "Deutschenflittchen" ("Tyskertøs") und Verräterinnen beschimpft, ihr Nachwuchs als "Deutschenkinder" ("Tyskerbarn") bezeichnet. Viele der Kinder wurden im Rahmen des arischen Lebensborn-Programms der Nazis gezeugt.
    Die späte Entschuldigung
    Sie wurden "Deutschenflittchen" genannt und nach dem Krieg geächtet, weil sie sich mit Wehrmachtssoldaten eingelassen hatten. Siebzig Jahre später hat sich die norwegische Regierung bei den Müttern entschuldigt. Für die Kinder ist das eine späte Einsicht.
    Die Norwegerin Elna Johnsen steht draußen vor ihrem Haus, das eine halbe Stunde von Bergen entfernt liegt
    Per Kleinanzeige zur Adoption freigegeben
    Viele der norwegischen Frauen, die sich mit den Nazi-Besatzern eingelassen hatten, leben heute nicht mehr. Die Kinder aus diesen Beziehungen erfahren meist gar nicht, dass sie deutsche Wurzeln haben. Aber manchmal kommt ein dramatischer Anruf aus Deutschland.
    Regale mit Akten zur Besatzung der deutschen Wehrmacht lagern im Norwegischen Staatsarchivs
    Das Archiv der Täter und Opfer
    Die Jahre der Besatzung galten in Norwegen nach dem Krieg vor allem als Jahres des Widerstands gegen die Nazi-Besatzer. Das war der romantisierte Blick auf eine brutale Zeit und wichtig für das nationale Wir-Gefühl. Erst Ende der 90er-Jahre setzte eine kritische Debatte ein.
    Eine Krankenschwester in einem sogenannten Lebensborn-Heim, ein Verein der nationalsozialistischen SS.
    Die Rassenlogik der Nazis
    Lebensborn-Heime sollten Kinder im Sinne des nationalsozialistischen Rassenwahns hervorbringen. Mehr als ein Dutzend solcher Heime stand im besetzten Norwegen. Besatzungssoldaten wurden ermuntert, Kinder mit norwegischen Frauen zu zeugen. Die Wunden dieser Kinder sind bis heute nicht geheilt.
    Norwegische Widerstandskämpfer während der Ausbildung.
    Widerstand gegen den Nazi-Terror
    Die Zahl der aktiven Widerstandskämpfer während der deutschen Besatzung in Norwegen war gering. Die Unterstützung in der Bevölkerung aber war groß. Wer konnte, gewährte Unterschlupf oder boykottierte die Nazis. Allerdings kratzen Historiker am Mythos der norwegischen Widerstands-Erzählung.
    Literaturhinweis:
    Edvard Hoem: "Die Geschichte von Mutter und Vater". Aus dem Norwegischen übersetzt von Ebba D. Drolshagen. Suhrkamp Verlag, 2009, 220 Seiten, 8 Euro.