weiß ich einen, der mich liest,
und in Bad Nauheim.
Das sind schon zwei. "
Ab und zu verliert sich in den Lesebüchern noch eines seiner Gedichte, vor allem die "Inventur" aus dem Jahr 1947:
" Dies ist meine Mütze,
dies ist mein Mantel,
hier ist mein Rasierzeug
im Beutel aus Leinen. "
Und wenn man ein bisschen tiefer gräbt, stößt man bestimmt auch auf eine Zeile, die 1968 während der Studentenbewegung Furore machte, aber aus dem Hörspiel "Träume" von Günter Eich aus dem Jahr 1951 stammt:
" Seid unbequem, seid Sand, nicht das Öl im Getriebe der Welt! "
1968 aber konnte Eich diese Zeile schon nicht mehr leiden und hätte sie am liebsten aus seinem Gesamtwerk entfernt. Er schloss noch zu seinen Lebzeiten - gestorben ist er 1972 - mit Mitwelt und Nachwelt ab, igelte sich ein, zog sich zurück. Wenn der Suhrkamp Verlag jetzt aber zu seinem 100. Geburtstag am 1. Februar 2007 einen Band mit "Sämtlichen Gedichten" von Günter Eich vorlegt, merken wir, dass alles ganz anders ist. Eich hat seine Nachwelt förmlich überholt. Er hatte sich eingeigelt, und jetzt ist er der Igel, der alle möglichen Hasen hinter sich lässt. Eich ist alles andere als ein Autor der 50er Jahre. Man kann ihn als zeitlosen Anarchisten lesen, als zeitlosen Ästheten, als einen zu früh gekommenen Medientheoretiker und sogar als Vorläufer totaler Verweigerungshaltungen wie die des Punk.
" Die Sonne bauernschlau
und ein Gelände
gut für Manöverschäden,
hier trifft sich die
Fünfuhrlage,
hier wird der Nachschub
von Gliedmaßen und Gedärm
besprochen, hier spitzt
der Generalstab die Lippen
zum Stiefelkuss. "
Warum Günter Eich heute im Schatten von Paul Celan, Ingeborg Bachmann oder auch Peter Huchel steht, mit denen er zu Lebzeiten durchaus in einem Atemzug genannt wurde, hat vielleicht etwas mit seiner speziellen Spielform von Kompromisslosigkeit zu tun. In den fünfziger Jahren erschienen seine Texte eminent politisch, er war anfangs so etwas wie die lyrische Stimme der Gruppe 47, er stand für die so genannte "Kahlschlagliteratur", mit der man tabula rasa machen und die nationalsozialistische Vergangenheit tilgen wollte. In seinen öffentlichen Wortmeldungen bezog er eine radikale Position gegen jegliche Erscheinungsform von Macht, er kündigte das Einverständnis mit den herrschenden Gegebenheiten von vornherein auf. In den sechziger Jahren jedoch, als die literarische und intellektuelle Szene von einer breiteren Politisierung ergriffen wurde und Eich sich in gewisser Weise bestätigt hätte sehen können, zog er sich immer mehr zurück. Auch hier verweigerte er sich dem Einverständnis. Er schrieb wilde, kurze Gedichte und Prosastücke, die sich allen gesellschaftlichen und voreiligen politischen Übereinkünften widersetzten.
" Diese Flugzeuge
zwischen Boston und Düsseldorf.
Entscheidungen aussprechen
ist Sache der Nilpferde.
Ich ziehe vor,
Salatblätter auf ein
Sandwich zu legen und
unrecht zu behalten. "
Eich war immer ein Einzelgänger, wurde oft angegriffen und oft nicht verstanden. Die Generation der politisierten Studenten wandte sich auch polemisch gegen seine zur Entstehungszeit oft harsch angefeindeten Hörspiele: für die linksradikalen Literaten um 1968 standen sie jetzt für die Innerlichkeit der fünfziger Jahre. Eich hat mehrere solche Wendungen der Zeitläufte erlebt. Das Abseits erschien ihm immer als der sicherste Ort. Vielleicht hilft es da, wenn wir seine Anfänge näher betrachten. Eich betritt im Jahr 1930 die literarische Bühne, als Dreiundzwanzigjähriger, und zwar mit einem schmalen Bändchen im Dresdner Wolfgang Jess Verlag, das einfach "Gedichte" heißt.
" Wolken klettern wie Tiere auf den Berg des Himmels,
die Abende dunkeln zu früh und aus allen
Lampen tropft der Herbst.
Dies kennst du, es ist November,
weit sind Wiesen und die Gerüche des Waldes.
Als du sehr klein warst, fingst du Schmetterlinge.
Alles verging wie ein Atemzug voll Wind.
Zwischen die Tage schieben sich Ewigkeiten.
Du hörst, wie unterm Regen ein Kind eine Mundharmonika bläst.
Die Bäume rosten und
wie ein Flug Wildenten erscheinen im Schilf die Geschwader der Sterne. "
"Dies kennst du, es ist November": ja, hier ist der Einfluss unverkennbar, den offensichtlich Georg Trakl auf den jungen Eich ausgeübt hat - "aus allen Lampen tropft der Herbst". Eich schreibt Naturlyrik, in den dunkel getönten Trakl-Strophen. Er steht damit außerhalb der bestimmenden Strömungen. Damals gilt es, sich politisch zu bekennen, die Literatur in den Dienst einer Sache zu stellen. Eichs Umfeld besteht in einer "Zeitschrift für Dichtung", wie sie sich im Untertitel nennt und die ebenfalls bei Wolfgang Jess in Dresden verlegt wird: Sie heißt "Die Kolonne". Hier findet er seinen Freund Martin Raschke, der 1944 im Krieg getötet werden wird, und Gleichgesinnte wie Peter Huchel oder Oda Schaefer. 1930 sagt Eich:
" Ich finde es gänzlich unter meiner Würde, mich für meine Gedichte zu entschuldigen und mich vor Leitartikeln zu verbeugen, und werde immer darauf verzichten, auf mein "soziales Empfinden" hinzuweisen, selbst auf die Gefahr hin, die Sympathie von Linksblättern nicht zu erringen und selbst auf die noch furchtbarere Gefahr hin, nicht für "heutig" gehalten zu werden. Und Verantwortung vor der Zeit? Nicht im geringsten. Nur vor mir selber. "
Im Nachhinein scheint es so, dass um 1930 eine "Verantwortung vor der Zeit" durchaus angebracht gewesen wäre - eine Erkenntnis, die Eich später ständig umtreiben wird. Nach 1930 schafft er es allerdings, Verbindungen zu dem neu aufgekommenen Medium Rundfunk zu knüpfen und erste Hörstücke zu schreiben, 1932 wird er auf dieser Grundlage tatsächlich freier Schriftsteller. Durch das Radio verdient er Geld. Das Jahr 1933, Hitlers Machtergreifung, stellt für Eich keine erkennbare Zäsur dar. Er wird zu einem der führenden Hörspielautoren für die Berliner Sender, die Lyrik hingegen tritt immer mehr in den Hintergrund. Das letzte Gedicht seiner ersten Lyrikphase ist spätestens 1935 entstanden. Eich versucht, während der Zeit des Nationalsozialismus abzutauchen, Gebrauchtstexte für den Rundfunk zu schreiben. Doch sich so einfach herauszuhalten, das geht nicht. Nach 1945 wird Eich bekennen, keinen Widerstand gegen Hitler geleistet zu haben, er nimmt auch die inflationäre Vokabel "innere Emigration" nicht in den Mund. 1939 wird er zur Wehrmacht eingezogen, zunächst als Funker, dann in der Luftverteidigung. Ein paar Monate lang befindet er sich 1945 in amerikanischer Kriegsgefangenschaft. Und hier beginnt er plötzlich wieder, Gedichte zu schreiben. Sie klingen aber ganz anders als die früheren. Es geht um etwas ganz anderes.
Inventur
" Dies ist meine Mütze,
dies ist mein Mantel,
hier ist mein Rasierzeug
im Beutel aus Leinen.
Konservenbüchse:
Mein Teller, mein Becher,
ich hab in das Weißblech
den Namen geritzt.
Geritzt hier mit diesem
kostbaren Nagel,
den vor begehrlichen
Augen ich berge.
Im Brotbeutel sind
ein Paar wollene Socken
und einiges, was ich
niemand verrate,
so dient es als Kissen
nachts meinem Kopf.
Die Pappe hier liegt
zwischen mir und der Erde.
Die Bleistiftmine
lieb ich am meisten:
Tags schreibt sie mir Verse,
die nachts ich erdacht.
Dies ist mein Notizbuch,
dies ist meine Zeltbahn,
dies ist mein Handtuch,
dies ist mein Zwirn. "
Dieses Gedicht gilt als Beleg für die "Stunde Null". Doch man merkt in jedem Wort, in jeder Zeile, dass die Vergangenheit groß auf ihnen lastet. Die Gegenstände in unmittelbarer Nähe sind das Einzige, was geblieben ist, ihnen gilt eine Selbstvergewisserung. Nichts geschieht im Zustand der Unschuld. Die krudesten Bedingungen des Menschseins werden zentral. Interessant ist aber, dass Eich diese unmittelbare Phase nach Kriegsende sehr schnell hinter sich lässt. "Inventur" ist zwar das bekannteste Gedicht Eichs, aber es ist untypisch für ihn. Der Moment der völligen Desillusionierung, der Ernüchterung bleibt ein kurzer Moment. Im Lyrikband "Abgelegene Gehöfte", mit dem Eich 1948 berühmt wird, stehen die nackten, bloßen Verse aus der Kriegsgefangenenschaft recht unvermittelt neben älteren Gedichten, die von 1930 bis 1935 entstanden sind, und neuen Texten, die die "Inventur" bereits überwunden haben. 1949 liest Eich für den Süddeutschen Rundfunk zahlreiche Gedichte, und es fällt auf, dass weder "Inventur" noch "Latrine" darunter sind. Sie scheinen ihm zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr wichtig zu sein. Er liest stattdessen sogar einige der älteren Verse. Eich hat in dieser Zeit auf den ersten Blick viel mit Gottfried Benn gemeinsam: die preußische Diktion, mit der er seine Gedichte vorträgt, eine Art märkischer Melancholie, und die Vorliebe für alte Mythen, die in der Natur aufgerufen werden:
" Später Mohn
Rot überm Rüben-
acker entflammt,
Mohn, der von drüben
dem Acheron stammt,
wie der Oktober ihn pflückt,
von alternder Sonne berückt.
Dunkler am Blüten-
grunde bestaubt,
hebt sich aus Mythen
entschlummert ein Haupt,
Charon mit Helios scheint
in Hufschlag und Ruder vereint.
Mohn, ist das Schreien
eben verstummt,
weich in die Schleier
des Herbstes gemummt,
wie er die Schönheit bedenkt,
die Lider zum Schlafe gesenkt? "
Man hört es: Eich ist wie Gottfried Benn in Deutschland geblieben. Aber er arbeitet sich anders daran ab. Untergründig bohrt etwas, und es tritt unvermutet an die Oberfläche: in Zeitungsartikeln, in Meinungsäußerungen, in Diskussionsbeiträgen. Während er in seiner Lyrik nach Kontinuität sucht, nach einer Verbindung von früheren und aktuellen Erfahrungen, klingen seine publizistischen Wortmeldungen schon viel gesellschaftsbezogener. Eich, der sich immer als Unpolitischer verstanden hatte, sieht sich nun gefordert, die Aufgabe der Literatur zu präzisieren. Hier beginnt etwas zu wirken, was aus der Zeit des Nationalsozialismus stammt. Er setzt sich mit seiner eigenen Haltung dazu offensiv auseinander. Nur so sind seine plötzlichen Zuspitzungen zu erklären:
" Der Schriftsteller, der nicht zerstreuen, sondern wirken will, muss den Mut aufbringen, auch gegen den Leser zu schreiben. Stil ist kein Schlafpulver, sondern ein Explosivstoff. "
Den Massengeschmack bedienen, das Bedürfnis nach Unterhaltung befriedigen, nach Affirmation des Bestehenden: das sieht Eich als sein eigenes Versagen im Hitlerreich an, hier ist er unreflektiert schuldig geworden. Die jungen Autoren um Hans Werner Richter, die die Gruppe 47 gründen, werben um den viel älteren Günter Eich; sie werden auf solche kompromisslosen Sätze früh aufmerksam. Eichs Hörspiel "Träume" von 1951, in dem er die bundesdeutsche Bevölkerung mit ihren enormen Verdrängungsleistungen konfrontiert, wird zum Skandal, aber gleichzeitig zur Geburtsstunde eines neuen Genres: des modernen Hörspiels nämlich. In seiner Lyrik drückt sich diese Haltung weitaus subjektiver aus. Eich kommt von der Sehnsucht her, von der Natur, von der Suche nach mythischen Zeichen, die den Menschen überdauern und ihm Trost zu geben vermögen. Eich hat immer die Zeitlosigkeit beschworen, und er versucht nun, dies mit den Zeichen der konkreten Zeit, der konkreten Erfahrung zu verbinden. Alltagsgedichte, der schnoddrige Ton, den man auch bei Benn findet, die "Inventur", die Latrinen im Krieg und in der Gefangenschaft: sie sind für Eich dabei nur Fingerübungen. Er ist zu etwas anderem unterwegs. Er sucht einen neuen poetischen, existenziellen Ton, ohne dass er als bloßes Surrogat dient, als Abkoppelung von der Wirklichkeit. Am Anfang ist dieses Bemühen noch überdeutlich:
" Eine weiße Staubfahne zieht am Abend der Omnibus, wenn er die Fußballmannschaft
heimfährt.
Der Mond glänzt im Weidengestrüpp, vereint mit dem Abendstern.
Wie nahe bist du, Unsterblichkeit, im Fledermausflügel,
im Scheinwerfer-Augenpaar, das den Hügel herab sich naht. "
Doch allmählich entfernt sich Eich von den einfach gebauten, sich reimenden Vierzeilern, von den Anrufungen des Überzeitlichen, das dem Menschen entzogen ist, und rauht seine Gedichte immer mehr auf. Das Ich setzt sich zu den Erscheinungen der Natur aktiv in Beziehung. 1955 erscheint sein vielbeachteter Gedichtband "Botschaften des Regens", zur Zeit seiner erfolgreichen, verstörenden Hörspiele. Hier findet er in der Lyrik eine Entsprechung zu seinen theoretischen ästhetischen Erkenntnissen. Hier schlägt sich in der subjektivsten, innigsten Gattung, wie sie Eich immer gesehen hat, das Gefühl nieder, Ich und Welt miteinander in Bezug setzen zu können. Und das heißt: das Ich muss nicht mehr ausgeliefert sein. Es scheint eine Utopie auf, in der es sich in den Kreislauf des Lebens und des Todes einfügen kann. Im Augenblick tut sich die Ewigkeit auf. Eich geht hier über die Naturlyrik von Wilhelm Lehmann oder Oskar Loerke hinaus, den großen Namen dieser spezifisch deutschen lyrischen Spielart im zwanzigsten Jahrhundert. Die Zeichen der Natur sind jetzt nicht mehr unerreichbar mythisch, sondern können mit dem eigenen Leben verbunden werden. Das erste Gedicht dieses Bandes ist programmatisch:
" Ende eines Sommers
Wer möchte leben ohne des Trost der Bäume!
Wie gut, dass sie am Sterben teilhaben!
Die Pfirsiche sind geerntet, die Pflaumen färben sich,
während unter dem Brückenbogen die Zeit rauscht.
Dem Vogelzug vertraue ich meine Verzweiflung an.
Er misst seinen Teil von Ewigkeit gelassen ab.
Seine Strecken
werden sichtbar im Blattwerk als dunkler Zwang,
die Bewegung der Flügel färbt die Früchte.
Es heißt Geduld haben.
Bald wird die Vogelschrift entsiegelt,
unter der Zunge ist der Pfennig zu schmecken. "
Mitte der fünfziger Jahre, als Eich sich seiner lyrischen Mittel bewusst ist und sich von den traditionellen Mustern gelöst hat, nähert sich seine Lyrik auch dem Verve seiner Hörspiele an. Sie greift unmittelbar in die gesellschaftlichen Belange ein, verbreitet Unruhe im grassierenden Wirtschaftswunder. Eich findet auch lyrische Chiffren dafür, die Verdrängung der unmittelbaren Vergangenheit, die Sauberkeit des Adenauerstaates zu benennen. Der beste Indikator für diese Art von Tabubruch sind die Leser der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Sie druckt am 1. Februar 1957 Eichs Gedicht "Nachhut". Einige Tage später muss sie eine ganze Seite räumen, um Platz für die Leserbriefe zu diesem Gedicht zu schaffen; die Kanaldeckel heben sich um einen Spalt.
" Nachhut
Steh auf, steh auf!
Wir werden nicht angenommen,
die Botschaft kam mit dem Schatten der Sterne.
Es ist Zeit, zu gehen wie die andern.
Sie stellten ihre Straßen und leeren Häuser
unter den Schutz des Mondes. Er hat wenig Macht.
Unsere Worte werden von der Stille aufgezeichnet.
Die Kanaldeckel heben sich um einen Spalt.
Die Wegweiser haben sich gedreht.
Wenn wir uns erinnerten an die Wegmarken der Liebe,
ablesbar auf Wasserspiegeln und im Wehen des Schnees!
Komm, ehe wir blind sind! "
Vor allem die "Kanaldeckel" bringen die Leser der Frankfurter Allgemeinen Zeitung auf. Von Kanaldeckeln wollen sie nichts wissen. Sie öffnen sich zwar nur "um einen Spalt": aber genau das ist das Unheimliche. Ein Leser schreibt: "Sämtliche Kloaken sind offen und duften ungehindert." Und ein anderer: "Es ist nur tief, tief traurig, dass ein Redakteur solch einen Mist annimmt." Wer sich wirklich über die Atmosphäre in den fünfziger Jahren, der Zeit der Restauration und der dumpfen Kleinbürgerlichkeit der Adenauerschen Gewissensgüte informieren will, der findet in den Leserreaktionen auf Günter Eichs Gedicht "Nachhut" in der FAZ reichlich Material dafür. Für Eichs Entwicklung ist dieser Moment, der Höhepunkt seines literarischen Einflusses Mitte der fünfziger Jahre, von größter Bedeutung. Seine kompromisslose Haltung, die aus der Erkenntnis seiner unwissenden Mitläuferschaft im Nationalsozialismus herrührt, radikalisiert sich: er lehnt es ab, sich mit Volkes Stimme gemein zu machen. Er igelt sich ein. Er fährt seine Stacheln aus. Es ist auch eine Konsequenz daraus, dass der Nationalsozialismus bei weitem nicht überwunden ist, dass er immer noch im Gewebe der Bundesrepublik herumwabert. Eichs nächster Gedichtband erscheint erst im Jahr 1964, und er heißt "Zu den Akten". Ab jetzt sind seine Gedichte anders. Die Natur spielt keine Rolle mehr. Es herrscht eine anarchische Form von Desillusionierung, eine spielerische Form von Sinnlosigkeit, die alles in Frage stellt, was bisher gültig war: die Lyrik, die Utopie, die Aufklärung. Die deutsche Romantik hat ausgedient. Jetzt endlich ist die Moderne in der Bundesrepublik Deutschland angekommen, und das klingt so:
" Zugängliche
Minuten weiß ich
genug.
Die rote Lampe
in den durchlöcherten
Malvenblättern.
Lass dieses ohne Zeit
unangetastet
von Verstehen.
"
Buch der Woche:
Günter Eich
Sämtliche Gedichte in einem Band
(Verlag Suhrkamp)