Die meisten von ihnen standen wegen des Vorwurfs der Vergewaltigung vor Gericht. Die Staatsanwaltschaft hatte für sie Haftstrafen von vier bis 18 Jahren gefordert. Die meisten ließen während des Prozesses über ihre Anwälte erklären, sie hätten nicht gewusst, was sie taten - anders als der Hauptangeklagte, der sich als schuldig bekannte.
"Die Schande soll die Seite wechseln"
Der Prozess geht mit der Urteilsverkündung nach 14 Verhandlungswochen zu Ende. Die Ermittler vermuten, dass es weitere Täter gibt, die nicht identifiziert werden konnten. In Frankreich wird das Opfer Gisèle Pélicot als Heldin gefeiert. Die 71-Jährige hatte verlangt, dass öffentlich verhandelt wird und auch die Videoaufzeichnungen der Taten gezeigt werden. Sie wolle, dass andere missbrauchte Frauen durch sie Mut bekämen, sagte sie vor Gericht. Sie wolle, dass "die Schande die Seite wechsele".
Nach Abschluss des Prozesse sagte die 71-Jährige, sie habe ihre Entscheidung nicht bereut. Allerdings sei es "sehr schwierig" für sie gewesen. Zugleich bedankte sich Gisèle Pelicot für die große Unterstützung.
Ataman: "Lohnt sich, Täter vor Gericht zu bringen"
Aus deutscher Sicht betonte die Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung, Ataman, die Relevanz des Prozesses in Avignon. Das Verfahren in Südfrankreich zeige, dass es sich lohne, Täter vor Gericht zu bringen. "Denn es muss klar sein: Sexuelle Gewalt, und auch jede Form von sexueller Belästigung, ist verboten – auch bei uns in Deutschland."
Der Fall hat auch die Debatte über eine Änderung des Strafrechts wieder angestoßen, um eine explizite Einwilligung in sexuelle Handlungen aufzunehmen. In Spanien gilt beispielsweise schon die sogenannte "Nur ja heißt ja"-Regelung. Demnach wird jeder Sex ohne ausdrückliche Zustimmung als Vergewaltigung betrachtet.
Auch Bundeskanzler Scholz meldete sich auf X zu dem Urteil zu Wort und dankte Gisèle Pelicot: "Mutig sind Sie aus der Anonymität in die Öffentlichkeit gegangen und haben für Gerechtigkeit gestritten." Weltweit habe sie damit Frauen eine starke Stimme gegeben, schrieb Scholz. "Die Schande liegt immer beim Täter."
Paus: Avignon ist kein Einzelfall
Bundesministerin Paus bezeichnete die Verurteilung des Hauptangeklagten als wichtiges Zeichen. Der Fall sei kein Einzelfall. Über Landesgrenzen hinweg würden sich Netzwerke bilden, in den Männer Gewalt gegen Frauen planten und umsetzten.
Erst gestern hatte eine Recherche des Funk-Formats strg+f gezeigt, wie sich User in internationalen Telegram-Chatgruppen darüber austauschen, wie man Frauen am besten betäuben und dann vergewaltigen kann.
Diese Nachricht wurde am 19.12.2024 im Programm Deutschlandfunk gesendet.