Es war eine Online-Tagung des griechischen Sportministeriums gegen sexualisierte Gewalt im Sport, bei der Sofia Bekatorou auspackte: Über das, was ihr im Jahr 1998 widerfahren war. Bei einer Wettkampfreise habe ein hochrangiger griechischer Sportfunktionär sie in sein Hotelzimmer gelockt, sie habe sich nicht wehren können. Bekatorou war damals 21 Jahre alt und am Anfang ihrer Karriere.
Schweigen aus Angst vor Karriereende
"Wir waren mit meiner Mit-Seglerin Emilia gerade unserem Traum einen Schritt näher gekommen, an den Olympischen Spielen in Sydney teilzunehmen", erzählt sie.
"Ich habe befürchtet, dass ich, wenn ich was sagen würde, alles ruinieren würde. Ich hätte auch niemals mit meinen Eltern darüber sprechen können, denn sie hätten mir verboten, mit dem Segeln weiterzumachen."
Neue Me-Too-Debatte in Griechenland
Deshalb habe sie geschwiegen. Jetzt erst hat sie den Mut gefasst, öffentlich über ihre Vergewaltigung zu sprechen. Die griechische Spitzensportlerin löste damit eine Welle der Solidarität aus und brachte eine Me-Too-Bewegung in Griechenland ins Rollen.
Immer mehr Athletinnen gehen inzwischen an die Öffentlichkeit und reden über ihre Erlebnisse. Darunter die Ex-Wasserballerin Mania Bikov, die Schwimmerin Rabea Iatridou, die Leichtathletin Niki Bakogianni: Auch sie reden nun über die sexuelle Belästigung, die sie im Laufe ihrer Sportkarriere erlebten. Von Verbandsfunktionären und Sportärzten.
Sportminister Avgenakis will Reformen
Der Fall Bekatorou bestätige seinen Kampf gegen die festgefahrenen Machtstrukturen in den Sportverbänden, sagt der griechische Sportminister Lefteris Avgenakis. Denn diese Strukturen würden die sexuelle Belästigung im Sport oft erst möglich machen.
"Dass die Funktionäre in den Verbänden lange Zeit einen Posten innehaben, gibt ihnen ein Gefühl der Macht. Ich bin Sofia dankbar, dass sie uns durch ihre Aussagen hilft, den Sport von solchen Menschen zu befreien", sagt Avgenakis.
"Es ist an der Zeit, dass frischer Wind in die Verbände kommt. Und in Zukunft wird im Vorstand aller Verbände auch ein Vertreter der Sportlerinnen und Sportler sitzen und ein Stimmrecht haben."
Beschuldigter muss zurücktreten
Das soll die Stellung der Sportlerinnen stärken, sagt der Minister. Sie sollen gegen Funktionäre aussagen können, ohne Angst zu haben, dass dies das Ende ihrer Karriere sein könnte.
Auch der von Bekatorou Beschuldigte hat lange Zeit im griechischen Segelverband mitgemischt. Über 20 Jahre lang saß er im Vorstand des Verbands, musste erst jetzt - nach Bekatorous Enthüllungen - zurücktreten.
Staatsanwaltschaft leitet Ermittlungen ein
Der Beschuldigte weist alle Vorwürfe von sich und spricht von Verleumdung. In einem schriftlichen Statement bittet er zusätzlich die Öffentlichkeit, "aus Respekt vor meinen Kindern und Enkelkindern alles zu unterlassen, was meiner Familie weiteren Schaden anrichten würde und meine Aussagen vor allen zuständigen Instanzen abzuwarten."
Αuch wenn die mutmaßliche Tat mittlerweile verjährt ist: Die Staatsanwaltschaft hat im Fall Bekatorou eine weitreichende Untersuchung eingeleitet - in der Hoffnung, dass auch andere Athletinnen zu Taten aussagen, die vielleicht nicht so weit zurückliegen. So dass die Täter in diesen Fällen auch strafrechtlich belangt werden können.