"Ein Willkommen allen, die diesen fröhlichen Ort besuchen. Disneyland ist euer Land. Disneyland ist gewidmet den Idealen, den Träumen und den harten Tatsachen, die Amerika geschaffen haben."
Mit diesen Worten, naiv und euphorisch zugleich, eingraviert auf einer Gedenktafel, werden die Besucher des Vergnügungsparks in Kalifornien bis heute empfangen. Nach dem Willen seines Schöpfers Walt Disney soll Disneyland alle Nationen inspirieren, ja das Gute, Wahre und Schöne schlechthin verkörpern. Skeptiker wie der amerikanische Journalist Julian Halévy sahen das bereits Ende der 50er Jahre anders: "Das überwältigende Gefühl, von dem man hier heimgesucht wird, ist Trauer über das leere Leben all jener, die sich diesen Plunder als Ersatzwirklichkeit andrehen lassen."
1952 beginnt Walt Disney mit der Planung eines Vergnügungsparks. In einem sechzig Hektar großen Orangenhain in Anaheim, 45 Kilometer von Los Angeles, findet er nach längerer Suche einen idealen Standort. Wichtig ist ihm der Schnellstraßenanschluss, denn er rechnet mit einem Massenpublikum. Jeder dritte US-Bürger ist zu diesem Zeitpunkt jünger als 14 und der Babyboom dauert an. Der "Mickey-Maus-Park", wie Disney sein 17 Millionen Dollar-Projekt zunächst nennt, soll kindliche Spielzeugwelt sein, bevölkert mit den Figuren seiner Zeichentrickfilme und zugleich die Seele Amerikas widerspiegeln.
Das Ergebnis ist überwältigend: hinein in eine putzige Kleinstadtidylle der Jahrhundertwende, mit dem Boot durch den Dschungel voller Ungeheuer, umsteigen in den Flussdampfer zu "Tom Sawyers Insel", mit der Bobbahn durch Kulissen des Wilden Westens, zum Dornröschenschloss aus Pappmaschee mit wehenden Fahnen und tanzenden Disney-Puppen, mit der Gondel ins "Tomorrowland", dem Amerika der Zukunft, dann in den Weltraum, auf den Mars und ins Kino zu den Wundern der 50 Staaten der USA. Doch für die hässlichen Seiten der amerikanischen Geschichte - die Sklaverei und die Verbrechen an den Indianern - ist in Disneyland, das mit einem fünf Meter hohen Erdwall von der Außenwelt abgeschottet ist, kein Platz. Walt Disney: "Ich möchte nicht, dass die Besucher die wirkliche Welt, in der wir leben, sehen, während sie im Park sind. Ich will, dass sie sich in eine andere Welt versetzt fühlen."
Als Disneyland am 18. Juli 1955 für das Publikum eröffnet wird, ist der Erfolg absehbar. In den ersten sechs Monaten kommen über eine Million Besucher, die Walt-Disney-Produktionsgesellschaft erwirtschaftet in dem Jahr die Rekordsumme von 25 Millionen Dollar. Besonders effizient ist die Kooperation mit dem Fernsehsender ABC. Monatelang gibt Walt Disney hier den Märchenonkel und wirbt für seinen kommerziellen Vergnügungspark, von dem er geradezu besessen scheint. Der Schriftsteller Stephen Birmingham: "Walt Disney empfindet für Disneyland wie eine junge Mutter für ihr erstes Kind. Er verzärtelt und verhätschelt dieses Kind, er badet es, be- und entkleidet es, bestaunt es von allen Seiten."
Rigoros ist dann auch die Ordnung, die Disney seiner Schöpfung verordnet hat. Das Personal ist vertraglich dazu verpflichtet, ständig Frohsinn auszustrahlen, die strengsten Auflagen gelten für Micky Maus und Co: Im Beisein von Besuchern dürfen sie niemals den kiloschweren Kopf ihrer Kostüme abnehmen und haben immer stumm zu sein, wenn sie Autogramme geben. Werden sie belästigt oder angegriffen, dürfen sie sich nicht wehren, sondern nur weggehen. Denn das ist Walt Disneys Leitspruch: "Keep the magic alive!" - "Halte den Zauber aufrecht!"
Disneyland expandiert bis heute. Es gibt mittlerweile Ableger in Paris Tokio und Hongkong. Das Walt Disney World Resort in Florida, 1971 eingeweiht, ist mit 15.000 Hektar Fläche der größte Freizeitpark der Welt. Walt Disney, der 1966 gestorben ist, betrachtete Disneyland stets als offenes Projekt und sagte kurz vor seinem Tod: "Solange es noch Fantasie in der Welt gibt, wird Disneyland niemals fertig sein."
Für manche ist das eine Drohung.