"Wir begrüßen uns: Hallo, Jan Feller."
"Hallo, Jenni Roth."
"Dann machen wir alle einen halben Schritt vorwärts – so fühlen sich die Finnen mit dem Abstand. Das ist das Beispiel 'Personal Space'."
"Hallo, Jenni Roth."
"Dann machen wir alle einen halben Schritt vorwärts – so fühlen sich die Finnen mit dem Abstand. Das ist das Beispiel 'Personal Space'."
"Der Deutsche schickte eine Email und telefoniert hinterher"
So ungefähr fängt ein interkulturelles Kommunikationstraining bei der Handelskammer in Helsinki an. Jan Feller, stellvertretender Geschäftsführer, steht vor mir, und zwar gefühlt viel zu dicht. Tatsächlich ist erwiesen: Der Abstand, den man als zu nah empfindet, liegt bei den Deutschen im Schnitt bei 83, bei den Finnen bei 120 Zentimetern. Und auch die Worte fordern in Finnland mehr Raum. Vergleicht man die zentraleuropäische Kommunikationskultur mit einem Pingpong-Spiel, wäre es in Finnland eher eine entspannte Kegelpartie: Jeder zieht sein Ding bis zum Ende durch, setzt sich, dann ist der nächste dran – auch bei der indirekten Kommunikation:
"Der Finne schickt eine E-Mail und denkt, der wird das lesen, wenn er Zeit hat. Nach drei Tagen kommt keine Antwort, dann fragt er vorsichtig nach. Der Deutsche schickt eine Email, drückt auf Enter und greift zum Telefon, telefoniert hinterher: Ich habe gerade eine Email geschickt! Für die Finnen ist das ist ein Zeichen von fehlendem Vertrauen: Du wirst meine Mail nicht lesen, deshalb telefoniere ich jetzt hinterher."
"Der Finne schickt eine E-Mail und denkt, der wird das lesen, wenn er Zeit hat. Nach drei Tagen kommt keine Antwort, dann fragt er vorsichtig nach. Der Deutsche schickt eine Email, drückt auf Enter und greift zum Telefon, telefoniert hinterher: Ich habe gerade eine Email geschickt! Für die Finnen ist das ist ein Zeichen von fehlendem Vertrauen: Du wirst meine Mail nicht lesen, deshalb telefoniere ich jetzt hinterher."
"Wenn man einen Finnen dreimal unterbricht, hält er die Klappe"
Angeblich ist die meist gebrauchte Replik bei finnisch-ausländischen Telefonaten: "Are you still there?" "Kultur der Pause" nennt das der Autor Roman Schatz, der seit 30 Jahren in Finnland lebt:
"Man unterbricht die Leute nicht, lässt sie ausreden, wartet noch, kommt da noch was und dann redet man selber. In Deutschland haben wir das Konzept des aktiven Zuhörens: Sobald man kapiert, was der andere sagt, sagt man, ja, da hast du Recht, aber hast du schon mal überlegt… Wenn ein Deutscher allein reden muss und wenn die anderen nicht mithelfen bei der Diskussion, wird es paranoid. Wenn man einen Finnen dreimal unterbricht, hält er die Klappe, weil er beleidigt ist."
"Man unterbricht die Leute nicht, lässt sie ausreden, wartet noch, kommt da noch was und dann redet man selber. In Deutschland haben wir das Konzept des aktiven Zuhörens: Sobald man kapiert, was der andere sagt, sagt man, ja, da hast du Recht, aber hast du schon mal überlegt… Wenn ein Deutscher allein reden muss und wenn die anderen nicht mithelfen bei der Diskussion, wird es paranoid. Wenn man einen Finnen dreimal unterbricht, hält er die Klappe, weil er beleidigt ist."
Dieser Beitrag gehört zur fünfteiligen Reportagereihe Das stille Finnland - Die Tugend des Schweigens in Politik und Alltag.
Diese "implizite" - im Gegensatz zur "expliziten" - Kommunikationskultur spielt zum Beispiel auch bei Verkaufsgesprächen eine Rolle: Wenn der Finne erstmal schweigt, denke der Deutsche, er muss nachlegen – so lange, bis der Finne sich überrannt fühlt. Das hat auch Jan Feller beobachtet. Er kennt die Unterschiede aus Erfahrung. 2008 zum Beispiel vermittelte er in Bochum zwischen Deutschen und Finnen, als dort ein Nokia-Werk geschlossen wurde.
"Die Deutschen haben eine höhere Unsicherheitsvermeidung, das heißt, das Bedürfnis, die Zukunft zu planen. Beispiel: Die Deutschen sind in Panik, weil das Projekt in drei Monaten anfängt und die Finnen den Projektplan noch nicht geschickt haben. Die Finnen haben das Projekt auf dem Schirm, sagen aber, wir fangen mit dem Plan einen Monat vorher an, so dass der Plan fertig ist, wenn das Projekt losgehen soll. Da hat schon ein deutsches Unternehmen ein Projekt abgesagt, weil die das Gefühl hatten, sie werden nicht ernst genommen."
"Die Deutschen haben eine höhere Unsicherheitsvermeidung, das heißt, das Bedürfnis, die Zukunft zu planen. Beispiel: Die Deutschen sind in Panik, weil das Projekt in drei Monaten anfängt und die Finnen den Projektplan noch nicht geschickt haben. Die Finnen haben das Projekt auf dem Schirm, sagen aber, wir fangen mit dem Plan einen Monat vorher an, so dass der Plan fertig ist, wenn das Projekt losgehen soll. Da hat schon ein deutsches Unternehmen ein Projekt abgesagt, weil die das Gefühl hatten, sie werden nicht ernst genommen."
Peter Vesterbacka: Einfach machen, nichts zerdenken
Die Finnen bilden eine vertrauensbasierte Gesellschaft, womöglich auch, weil sie klein ist und recht homogen: Wenn ich einen fremden Menschen treffe, dann vertraue ich ihm oder ihr erst einmal. Auch das ist ein Grund für weniger Worte, wie Peter Vesterbacka bestätigt. Als Ex-Marketingchef von Rovio hat er das Computerspiel "Angry Birds" groß gemacht. Seine Philosophie ist Punk: Einfach machen, nichts zerdenken, keine Zeit verschwenden. Vielleicht geht er deshalb fast so schnell wie er redet. Wie viele Start-Ups Vesterbacka schon gegründet hat, weiß er gar nicht mehr. Verhandelt hat er jedenfalls schon mit Unternehmern in aller Welt, egal ob auf Schwedisch, Englisch oder Mandarin:
"Wenn man zum Beispiel Besuch aus den USA hat, dann fragt schon mal wer: War euer Projektleiter sauer? Warum? Der hat gar nichts gesagt. Nee, alles gut! Aber wenn man nichts zu sagen hat, sagt man halt nichts."
"Wenn man zum Beispiel Besuch aus den USA hat, dann fragt schon mal wer: War euer Projektleiter sauer? Warum? Der hat gar nichts gesagt. Nee, alles gut! Aber wenn man nichts zu sagen hat, sagt man halt nichts."
Jan Feller führt aus, wie weit das allgemeine Vertrauen reicht: "Wenn der finnische Staat was einführt, wird das schon richtig sein. Es gab in der Zeitung ein tolles Bild mit dem Leitartikel: Wem vertrauen die Finnen? Eine Figur mit einer Armeeuniform, auf der anderen Hälfte eine Polizeiuniform und in der Mitte ein Pfarrerskleid, das waren die drei. Das merkt man mit dem Datenschutz auch, die fahren hier einen Open Data Approach. Es kann bis zur Blauäugigkeit gehen, aber es ermöglicht viele technologische Innovationen, die es hier gibt, wo wir Deutsche ein Jahrzehnt hinterher hängen."
Im Zweifel in die Sauna
Wobei auch die Hierarchien generell flacher sind. Man duzt sich, selbst wenn Minister mit am Tisch sitzen. Und: Finnen sind vielleicht stolz auf ihre Titel, aber wenn überhaupt, stehen sie irgendwo unten kleingedruckt auf der Visitenkarte. "Was oft mit Erstaunen belustigt gesehen wird: Wenn man mehrfache Titel nennt, Prof. Dr. Dr., das ist dann so die Karikatur des Deutschen."
Man ist weniger formal, ob im Konferenzraum oder abends in der Bar, wenn man ein Bier bestellt. Peter Vesterbacka hebt kurz amüsiert die Augenbrauen – für ihn ist das die normalste Sache der Welt: "Dann sage ich 'Olut', zahle, und fertig. Man muss nicht Bitte oder Danke sagen. Ich will doch nur ein Bier, warum also fragen, wie es geht oder wie das Wetter ist. Transaction done."
Wenn es trotz aller Bemühungen hakt in den internationalen Beziehungen, hilft in Finnland immer noch der Ortswechsel – in die Sauna. Auch die Handelskammer empfiehlt das in Krisensituationen: keine Kleidung, keine Rangfolge.
Man ist weniger formal, ob im Konferenzraum oder abends in der Bar, wenn man ein Bier bestellt. Peter Vesterbacka hebt kurz amüsiert die Augenbrauen – für ihn ist das die normalste Sache der Welt: "Dann sage ich 'Olut', zahle, und fertig. Man muss nicht Bitte oder Danke sagen. Ich will doch nur ein Bier, warum also fragen, wie es geht oder wie das Wetter ist. Transaction done."
Wenn es trotz aller Bemühungen hakt in den internationalen Beziehungen, hilft in Finnland immer noch der Ortswechsel – in die Sauna. Auch die Handelskammer empfiehlt das in Krisensituationen: keine Kleidung, keine Rangfolge.