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Verhandlung in Wiesbaden
Ein bayerisches Ehepaar will die CDU wählen können

Ein bayerisches Anwaltspaar will sich vor Gericht das Recht erstreiten, die CDU und nicht die Schwesterpartei CSU zu wählen. Das Verwaltungsgericht Wiesbaden hat die Klage von Rainer und Christine Roth inzwischen abgewiesen. Sie kündigten aber an, Verfassungsbeschwerde einzureichen. Sollte sie Erfolg haben, muss die politische Landkarte der Bundesrepublik neu gezeichnet werden.

Von Stephan Detjen |
    Das Logo der Christlichen Schwesterparteien zerfließt. Gemalt in Köln am 05.09.2013.
    Muss die politische Landkarte der Bundesrepublik neu gezeichnet werden? (dpa/Maximilian Schönherr)
    Es könnte der Stoff für eine Staatsrechtsklausur im Juristischen Examen sein. Es könnte aber auch ein politischer Sprengsatz werden, der die verbalen Dauer-Kanonaden von CSU Chef Horst Seehofer gegen Angela Merkel wie lahme Knallfrösche klingen lässt: Wenn das Nürnberger Anwaltsehepaar Rainer und Christine Roth mit seiner Klage gegen den Bundeswahlleiter Erfolg hat, muss die politische Landkarte der Bundesrepublik neu gezeichnet werden.
    Die Roths wollen die Aufteilung Deutschlands, mit der die Unionsparteien Bayern zum CSU-Land und alle anderen Bundesländer zum CDU-Gebiet erklärt haben, für verfassungswidrig erklären lassen. Nicht etwa, weil sie etwas gegen die Union hätten, sondern im Gegenteil. Die Roths wollen sich auch als Bayern das Recht erstreiten, bei der Bundestagswahl im September nächsten Jahres CDU zu wählen. Heute verhandelt das Verwaltungsgericht Wiesbaden über die Klage. Rainer Roth stellt sich darauf ein, dass er sein Ziel in der ersten Instanz noch nicht erreichen wird. Ihm geht es darum, den Fall möglichst schnell und noch rechtzeitig vor dem Wahltermin vor das Bundesverfassungsgericht nach Karlsruhe zu bringen, erklärt er gegenüber dem Deutschlandfunk-Hauptstadtstudio.
    Recht auf Wahlfreiheit
    "Zur Bewältigung der krisenhaften weltpolitischen Lage sind Politiker mit Erfahrung, Besonnenheit und normativer Verankerung sowie mit internationalem Renommee und Professionalität nötig", begründet Roth in seinem Schriftsatz, der dem Deutschlandfunk vorliegt, seine Motivation: "Um die Bundeskanzlerin bei den Bundestagswahlen 2017 zu unterstützen, ist die Wahl der Partei, der sie angehört, erforderlich."
    Als Bayer aber könne er sein Wahlrecht nicht in diesem Sinne ausüben, klagt Roth. Mit dem Verweis, auch eine Stimme für die bayerische Schwesterpartei sei am Ende doch auch eine Stimme für Merkel, will sich Roth nicht abspeisen lassen, "da sich im Sommer und Herbst 2016 die CSU nachhaltig und dauerhaft gegen die Politik der Bundeskanzlerin gestellt hat. In dieser Situation wäre es absurd, die CSU wählen zu müssen."
    Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU)
    Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) (Imago / Martin Müller )
    Artikel 38 des Grundgesetzes garantiere ihm und seiner Frau das Recht auf freie Wahl, argumentiert Roth für sich und seine Frau. Die CDU beschränkt dieses Recht in den Augen Roths durch den rein taktisch begründeten Verzicht darauf, in Bayern anzutreten. Roth will die CDU nicht dazu verpflichten, ins CSU Territorium einzudringen. Er will mit seiner Klage erreichen, dass Bayern wie Auslandsdeutsche behandelt werden und in anderen Bundesländern in die Wahllisten eingetragen werde können, wenn sie die Partei der Kanzlerin wählen wollen.
    Territorialpakt der Unionsparteien
    Dieter Sarreither, der als Präsident des Statististischen Bundesamtes zugleich Bundeswahlleiter ist, ließ einen ersten Antrag der Nürnberger Rechtsanwälte im September mit einem siebenseitigen Schreiben zurückweisen. Parallel zu der Klage, die nun verhandelt wird, haben Rainer und Christine Roth seitdem mehrere Hundert Unterstützerunterschriften für eine offene Petition gesammelt, mit der sie ihre Sache auch in der Öffentlichkeit voranbringen wollen. Staatsrechtler räumen der Klage der Roths zunächst nur geringe Chancen ein. Das dürfte auch den Roths bewusst sein. Sie setzen ihre Hoffnungen deshalb ganz auf die letzte Station des Rechtswegs: das Bundesverfassungsgericht. Theoretisch könnte Roth versuchen, den Fall mit Hinweis auf seine grundsätzliche Bedeutung schon nach der erstinstanzlichen Entscheidung des Verwaltungsgerichts Wiesbaden nach Karlsruhe zu bringen. Auf den ersten Blick jedenfalls gibt das Grundgesetz keine Antwort auf die Fragen, die er aufwirft. Das Wahlrecht ist im Wesentlichen durch ein einfaches Gesetz geregelt, das aber den wenigen, abstrakt formulierten Grundsätzen in Artikel 38 des Grundgesetzes entsprechen muss. Was sich daraus für den Territorialpakt der Unionsparteien ableiten lässt, hat das Bundesverfassungsgericht jedenfalls noch nie entschieden.