Karin Fischer: Das Europäische Parlament in Strasbourg hat heute TTIP, das geplante Freihandelsabkommen mit den USA, auf die Tagesordnung gesetzt. Morgen wird über die Empfehlungen des Parlaments an die Kommission auch abgestimmt. Inwiefern betrifft diese Debatte denn die Kultur? Diese Frage ging vor der Sendung an Olaf Zimmermann, den Geschäftsführer des Deutschen Kulturrats.
Olaf Zimmermann: Einmal betrifft sie erfreulich stark die Kultur, weil nämlich das Europäische Parlament sich in seinem Bericht, den sie ja quasi morgen dann abstimmen wollen, so intensiv mit Kultur-, Medien- und Bildungsfragen beschäftigt haben, wie es bisher, glaube ich, noch niemand anders bei TTIP so getan hat, und das finde ich überaus positiv, weil das Parlament so etwas wie rote Linien aufzeichnet, über das die Kommission nach Ansicht des Parlamentes nicht drübergehen darf bei Kultur, Bildung und Medien, wenn sie jetzt mit den Amerikanern über dieses Freihandelsabkommen verhandeln.
Fischer: Was steht denn über diese roten Linien in dem Bericht drin?
Zimmermann: Da steht zum Beispiel drin, wie letztendlich die kulturelle Vielfalt in der Zukunft auch gewährleistet sein soll. Es geht um die Beibehaltung oder aber auch die Neufassung von Gesetzen zum Schutz der kulturellen Vielfalt, wie man also sicherstellt, dass auch nach Verabschiedung von TTIP in Europa, in Deutschland letztendlich überhaupt noch solche Schutzgesetze verabschiedet werden dürfen. Da sagt das Europäische Parlament, vorausgenommen, das wird morgen so angenommen, das muss möglich sein und die Kommission muss sicherstellen, dass das in der Zukunft auch möglich ist. Es muss nach Ansicht des Parlamentes auch in der Zukunft möglich sein, dass Subventionen zur Förderung der Kulturindustrie bezahlt werden, oder dass es auch eine öffentliche Förderung des Kultur- und Bildungsbereiches in der Zukunft noch geben sollte, auch in Bereichen, wo es eine kommerzielle Konkurrenz gibt. Das heißt, das Parlament will die Europäische Kommission verpflichten, dass sie sich in bestimmten Bereichen an Regeln hält, die das Parlament morgen gerne beschließen möchte.
Fischer: Schon sehr früh hatten sich Frankreich und Deutschland ja zusammengetan, um für eine "kulturelle Ausnahme" zu kämpfen, denn viel scheint auf dem Spiel zu stehen: die Buchpreisbindung, um es mal konkret zu benennen, die deutsche Theaterlandschaft, womöglich der öffentlich-rechtliche Rundfunk. Wird dieser Bericht, der jetzt im EU-Parlament diskutiert wird, so konkret?
Zimmermann: Er versucht, zumindest erst einmal zu definieren, was ist zum Beispiel eine audiovisuelle Dienstleistung. Da hat man zwar eine Ausnahme mal festgelegt, aber niemand hat genau gesagt, was damit gemeint ist. Zum Beispiel: Gehört der öffentlich-rechtliche Rundfunk eigentlich zu diesen Ausnahmen dazu, oder gehört er eigentlich zur Telekommunikation und ist dann nicht unter diesen Ausnahmen zu finden? Hier sagt jetzt das Parlament in diesem Vorschlag, vorausgesetzt, er wird morgen angenommen, nach seiner Ansicht gehört zum Beispiel der öffentlich-rechtliche Rundfunk zu den audiovisuellen Dienstleistungen und wäre damit vom Verhandlungsmandat ausgenommen, und wenn das so wäre, wären wir sehr glücklich.
Fischer: Hochrangige deutsche Politiker, Siegmar Gabriel, Kulturstaatsministerin Monika Grütters, haben die Latte für TTIP wegen der deutschen Kulturlandschaft, die man nicht gefährdet sehen will, hochgehängt. Das Problem war: Es musste irgendwann mal festgeschrieben werden. Und man kannte den Wortlaut dieses TTIP-Abkommens nicht. Ist das heute der Tag, an dem die Transparenz einzieht?
Zimmermann: Nein. Das wäre, glaube ich, zu weit gegriffen. Das Europäische Parlament kann ja jetzt nur quasi Empfehlungen an die Europäische Kommission geben und kann sagen, Vorsicht, Vorsicht, wenn ihr unseren Empfehlungen nicht folgt, dann könnte es sein, dass wir, wenn ihr diese TTIP-Verhandlungen zu Ende geführt habt, dann diesem gesamten Verhandlungspaket nicht zustimmen würden. Es ist also eine Drohung, wenn Sie so wollen, die in die Zukunft verschoben wird. Aber ich habe die Hoffnung, dass die Europäische Kommission das erkennt und sagt, na ja, da wollen wir es uns erst gar nicht mit dem Europäischen Parlament verscherzen und wir werden jetzt schon bei den Verhandlungen darauf aufpassen, dass wir diese Problemfelder im Sinne des Europäischen Parlamentes umschiffen würden. Dann hätten wir wirklich schon ein bisschen was gewonnen.
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