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Verhandlungen bei der Lufthansa
Es geht ans Eingemachte

Die Lufthansa setzt ihre Verhandlungen fort. Nach der Zustimmung zum staatlichen Rettungspaket durch die Aktionäre geht es dieses Mal ans Eingemachte: Wo soll konkret wie viel gespart werden, um aus der wirtschaftlichen Misere zu kommen? Und was bedeutet das für das Personal?

Von Silke Hahne |
Lufthansa-Maschinen sind auf dem Vorfeld des Flughafen Berlin Schönefeld geparkt.
Die Lufthansa wurde vom Coronavirus aus dem DAX gekickt: Die Airline hat in der Krise nahezu die gesamte Flotte stillgelegt. (picture alliance/Christophe Gateau/dpa)
Nachdem die Aktionärinnen und Aktionäre der Lufthansa vergangene Woche der Rettung durch den deutschen Staat zugestimmt haben, geht es jetzt ans Eingemachte: Wo soll konkret wie viel gespart werden, um aus der wirtschaftlichen Misere zu kommen? Es geht auch um Einsparungen beim Personal. Heute (30.06.2020) stehen wieder Verhandlungen an.
Eine Passagiermaschine der Lufthansa fliegt kurz vor Frankfurt.
Rettungspaket für die Lufthansa - Wie viel Staat muss sein?
Mit neun Milliarden Euro rettet die Bundesregierung die Lufthansa. Linken-Politiker Thomas Lutze begrüßte im Dlf das Hilfspaket. Der Bund müsse aber mehr Einfluss bekommen. Dem widerspricht Michael Theurer (FDP). Er befürchtet den Einstieg in eine Verstaatlichungsserie privater Unternehmen.

Die Beschäftigten werden nicht von einer Gewerkschaft vertreten, sondern von gleich dreien. Um welche Gruppe geht es heute?

Die Lufthansa verhandelt noch mit Verdi und mit der Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit (VC). Zu den Gesprächen mit VC gibt es aktuell wenige Informationen, mit Verdi wird heute um 11 Uhr weiter gesprochen. Die Gewerkschaft vertritt rund 35.000 Beschäftigte, das ist etwa ein Viertel der Belegschaft, vor allem Boden- und Technikpersonal.
Dennis Dacke ist Gewerkschaftssekretär bei der Verdi-Fachgruppe für die Luftfahrt und er sagte dem Deutschlandfunk, worum es den Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen heute geht: "Die Lufthanseatinnen und Lufthanseaten für ihr Unternehmen auch einzustehen. Die rote Linie für uns muss allerdings auch ganz klar gezogen werden, wo es ans Wesentliche der Beschäftigten geht. Das heißt, wir brauchen einen ganz klaren Beschäftigungsschutz, der auch dauerhaft wirksam ist. Und wir brauchen eine klare Begrenzung von eventuellen Maßnahmen. Das heißt, dass jeder Beitrag der Beschäftigten auch ein Enddatum haben muss."
Daniel Flohr, Vorsitzender der Gewerkschaft Ufo
"Ich glaube nicht, dass es diesen Kahlschlag geben muss"
Es habe ein gewisses Geschmäckle, dass die Lufthansa im Zuge der Coronakrise offenbar versuche, lange geplante Dinge durchzusetzen, sagte Daniel Flohr von der Gewerkschaft-UFO im Dlf.
03.06.2020, Bayern, München: Zwei Lufthansa-Mitarbeiterinnen mit Mund-Nasen-Sschutzmaske und hinter Plexiglasscheiben fertigen am Flughafen-Terminal 2 die Gäste für den Flug in die USA ab. Lufthansa nimmt am 03.06.2020 die Verbindung München-Los Angeles vom Flughafen München wieder auf. Foto: Peter Kneffel/dpa | Verwendung weltweit
"Der Schritt ist alternativlos, damit Lufthansa überlebt"
Die Lufthansa will in Folge der Coronakrise bis zu 26.000 Arbeitsplätze abbauen. Dieser Schritt sei alternativlos, sagte der Luftfahrtexperte Heinrich Großbongardt im Dlf. Die Lufthansa müsse ihre Mitarbeiterzahl dem Flugbetrieb anpassen – der werde frühestens 2023 wieder auf Vor-Corona-Niveau sein.
Wie viel die von Verdi vertretenen Beschäftigten bereit sind beizutragen, dazu wollte Dacke keine Angaben machen. Das müsse auf die unterschiedlichen Gehälter abgestimmt werden.
Die Piloten hatten Einsparungen von rund 850 Millionen Euro bis Ende 2022 angeboten. Mit den Flugbegleitern, die bei der Gewerkschaft Ufo organisiert sind, hat sich die Lufthansa schon auf ein Paket geeinigt. Diese Einsparungen summieren sich auf mehr als 500 Millionen Euro bis Ende 2023.

Die Lufthansa fährt ihren Flugbetrieb wieder hoch zur startenden Urlaubssaison, außerdem gibt es neun Milliarden Euro vom Staat. Reicht das nicht, um die Lufthansa wirtschaftlich zu sanieren?

Nein, das Geld aus dem Rettungspaket, heißt es immer wieder von der Lufthansa, reicht nur, um durch dieses Jahr zu kommen. Inzwischen sind enorme Forderungen von zwei Milliarden Euro angelaufen, unter anderem von den Fluggästen, deren Flüge zuletzt gestrichen worden waren. Viele von ihnen warten immer noch auf ihr Geld.
Im kommenden Jahr muss die Lufthansa allein eine Milliarde Euro Zinsen und Tilgung zahlen für den Teil der Staatshilfe, die als Kredit läuft. Gleichzeitig sind die Einnahmen weiterhin weit weg vom Niveau vor Corona. Gestern Nachmittag hat die Airline ihren Flugplan bis zum Ende der Herbstferien in vielen Bundesländern am 24. Oktober veröffentlicht. Bis dahin soll etwa die Hälfte der Flotte wieder fliegen, etwa 40 Prozent des früheren Programms werden geflogen. Es dauert also wohl noch lange, bis die Erträge wieder auf dem Vor-Krisen-Niveau angekommen sind.
"Staat hat sich ein Stück weit Maulkorb von der Lufthansa auferlegen lassen"
Die Grünen-Wirtschaftspolitikerin Katharina Dröge kritisierte im Dlf das Vorgehen von Lufthansa-Großaktionär Heinz Herrmann Thiele. Es habe wie ein Erpressungsversuch gewirkt, die Insolvenz des Konzerns in den Raum zu stellen, sagte sie. Der Staat hätte sich zudem mehr Mitspracherecht sichern sollen.
Andreas Lämmel (CDU) bei einer Rede im Deutschen Bundestag.
"Neun Milliarden sind kein Geschenk an die Lufthansa"
Andreas Lämmel (CDU) betonte, das die Staatshilfen für Lufthansa kein Geschenk seien, sondern teilweise Kredite und Stärkung des Eigenkapitals.
Um in dieser Lage für zusätzliche Einnahmen zu sorgen, plädiert der Großaktionär Heinz Herman Thiele dafür, den Verkauf von Tochtergesellschaften zu prüfen, etwa des Flugzeug-Caterings von LSG Sky Chefs oder auch der Wartung, Lufthansa Technik.

Die eigentliche Arbeit geht bei der Lufthansa jetzt also erst richtig los?

Ja, dem Konzern steht eine tief greifende Umstrukturierung bevor. Unter anderem soll die Flotte auch langfristig verkleinert werden. Die Rede ist von 22.000 Vollzeitstellen, die deshalb abgebaut werden sollen.
Das europäische Geschäft der Catering-Tochter LSG Sky Chefs steht sowieso schon zum Verkauf. Eigentlich gab es auch schon eine Käuferin, die Gategroup aus der Schweiz. Der Verkauf ist aber noch nicht vollzogen. Es ist möglich, dass die Konkurrenz die Gelegenheit nutzt, jetzt den Preis zu drücken. Dass der Konzern auch die Technik-Sparte losschlägt, ist wesentlich unwahrscheinlicher, diese gilt als Tafelsilber, weil sie profitabel arbeitet. Auch Verdi warnt eindringlich davor.