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Verhandlungen mit Islamverband
Steigende Skepsis gegenüber Ditib

Der türkischen Islam-Organisation Ditib wird mangelnde Unabhängigkeit von der immer autokratischer handelnden Regierung in Ankara vorgeworfen. Niedersachsen verschiebt nun die Entscheidung über einen Vertrag mit islamischen Verbänden, darunter Ditib. Einen solchen Vertrag gibt es in Hamburg und Bremen bereits - er wird dort nicht infrage gestellt.

    Blick in die Merkez-Moschee, Zentralmoschee von Ditib in Duisburg - zu sehen sind eine Kuppel und ein Kronleuchter.
    Die Merkez-Moschee, Zentralmoschee von Ditib in Duisburg (dpa / Revierfoto)
    Eigentlich hatte Niedersachsen den lange diskutierten Vertrag noch in diesem Jahr unterschreiben wollen. Nach Beratungen erklärten SPD, Grüne und FDP am Freitag, dass nicht absehbar sei, ob der Vertrag noch vor der nächsten Landtagswahl Anfang 2018 unterzeichnet wird. Die unter anderen von der CDU aufgeworfene Frage der Beeinflussung der muslimischen Verbände durch die Türkei müsse in Ruhe in den nächsten Monaten erörtert werden, sagte Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) am Freitag in Hannover. "Wir werden auf diese Diskussion eingehen, wir wollen nicht mit dem Kopf durch die Wand."
    Ditib bestreitet Einflussnahme aus der Türkei
    Insbesondere geht es um den türkischen Moscheeverband Ditib. Dem größten islamischen Dachverband in Deutschland wird von Kritikern vorgeworfen, ein verlängerter Arm des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan in Deutschland zu sein. Die Ditib wehrt sich gegen die Vorwürfe. "Sämtliche Unterstellungen der Fremdsteuerung, der politischen Einflussnahme aus der Türkei, der politischen Agitation und der Gefährlichkeit unserer Religionsgemeinschaft weisen wir aufs Schärfste zurück", heißt es in einer gemeinsamen Erklärung der Ditib-Landesverbände.
    Niedersachsens Ministerpräsident Weil bescheinigte dem Landesverband in Niedersachsen einen selbstständigen Kurs. Doch der Vertrag ist in Niedersachsen schon länger umstritten, die CDU stieg Anfang August aus den Verhandlungen aus - mit Verweis auf eine fehlende Staatsferne von Ditib. Auf den Internetseiten der Landesregierung sind ein Überblick über die Verhandlungen und ein Vertragsentwurf (pdf) zu finden.
    Bremen und Hamburg unterzeichneten bereits Verträge
    Im November 2012 schloss die Hansestadt Hamburg als erstes Bundesland einen Vertrag (pdf) mit muslimischen Verbänden. Die Vertragspartner Hamburgs sind neben der kritisierten DITIB der "Rat der Islamischen Gemeinschaften in Hamburg" und der "Verband der Islamischen Kulturzentren". Mit alevitischen Gemeinde wurde ein gesonderter Vertrag (pdf) unterzeichnet. Der Religionsunterricht, die Anerkennung von islamischen Feiertagen sowie sarglose Bestattungen sind Themen in dem Vertrag. Der verlangt außerdem, dass Frauen und Homosexuelle nicht diskriminiert werden dürfen.
    "Die Vereinbarungen enthalten das klare Bekenntnis zu den Werten der grundgesetzlichen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland. Der Vertrag, an dem auch der Ditib-Landesverband Hamburg beteiligt ist, bietet den Rahmen dafür, auch in schwierigen Zeiten im Gespräch zu bleiben", teilt der Hamburger Senat mit. Eine Beendigung des Vertrags sei nicht zielführend.
    Die Hansestadt Bremen schloss im Januar einen ähnlichen Vertrag (pdf) mit den selben Verbänden aus ihrer Stadt. Dr. Helmut Hafner, Beauftragter für Religionsfragen in Bremen, will nicht von den Vertragspartnern abrücken. "Wir kennen die Personen jahrelang, teils jahrzehntelang. Das Vertrauen in diese Menschen ändert sich nicht, wenn Erdogan neue Richtlinien erlässt", sagt er im Gespräch mit dem Deutschlandfunk. "Das sind deutsche Bürger mit klarer Haltung." Muslime seien die wichtigsten Verbündeten im Kampf gegen Gefahren. Würden allerdings neue Personen in den Verbandsstrukturen auftauchen, "würden wir das wachsam beobachten".
    NRW - Kraft geht auf Distanz zu Ditib
    In anderen Bundesländern herrscht dagegen Skepsis. Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) war dagegen auf Distanz zu Ditib gegangen. "Es verstärken sich die Zweifel, dass die Ditib den Kriterien zur Einstufung als Religionsgemeinschaft entspricht", sagte Kraft der "Westdeutschen Allgemeinen Zeitung". Die NRW-Staatskanzlei prüft seit vergangenem Jahr einen Antrag der Ditib und drei weiterer Islamverbände, als Religionsgemeinschaften mit erweiterten Rechten anerkannt zu werden.
    Rheinland-Pfalz hatte Verhandlungen mit dem größten Islamverband in Deutschland über den islamischen Religionsunterricht sogar ausgesetzt. Vor einer Wiederaufnahme der Beratungen über islamischen Religionsunterricht soll erst ein neues Gutachten über die Unabhängigkeit des türkisch-islamischen Verbandes Ditib vom türkischen Staat erstellt werden, sagte Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD).
    (nch/ach/tgs)