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Verhandlungen um EU-Ausstieg
Brexit-Schlacht im britischen Unterhaus

Bei Brexit-Verhandlungen im britischen Unterhaus steht eine Machtprobe zwischen der Regierung und dem Parlament bevor: Proeuropäische Abgeordnete wollen einen Kurswechsel beim EU-Ausstieg erzwingen. Für die politisch angeschlagene Premierministerin Theresa May könnte das gravierende Folgen haben.

Von Friedbert Meurer |
    Die britische Premierministerin Theresa May bei einer Rede im Unterhaus in London.
    Die britische Premierministerin Theresa May bei einer Rede im Unterhaus in London. (PA)
    Nach dem Aufstand ist vor dem Aufstand. Letzte Woche war es ihr eigener Brexit-Minister David Davis, der ihr mit seinem Rücktritt drohte. Davis sieht sich als Anwalt der Brexiteers und forderte, dass das Vereinigte Königreich unumstößlich allenfalls bis Ende 2020 in der Zollunion bleiben soll und nicht länger.
    Der Kompromiss lautet jetzt, die britische Regierung "erwarte", bis maximal Ende 2020 in der Zollunion zu bleiben. Diese Wortakrobatik war eine Steilvorlage für BBC-Moderator Andrew Marr, sich lustig zu machen. "Wenn Ihre Frau Sie im Pub anruft und fragt, wann kommst du nach Hause? Sie sagen dann, ich erwarte, dass ich bis sieben Uhr zu Hause bin. Dann wird es doch acht oder neun."
    Aber die Sache ist natürlich ernst. Die Brexiteers wollen raus aus der Zollunion, weil London nur so eigene Handelsverträge mit der ganzen Welt abschließen kann. Dafür haben sie aber womöglich keine Mehrheit im britischen Parlament. Etwa 13 konservative Abgeordnete, so schätzt man, wollen die eigene Regierung zwingen, in der Zollunion zu bleiben.
    Die konservative Unterhaus-Angeordnete Sarah Wallaston zum Beispiel: "Die harten Brexiteers vergessen manchmal, dass das Referendum mit 52 zu 48 Prozent gewonnen wurde. Sie vermuten, dass alle davon für einen harten Brexit wären. Dem ist aber nicht so. Sie wollen im gemeinsamen Markt der EU bleiben und nur raus aus der politischen Union. Wir müssen auch auf diese Stimmen hören."
    Theresa May will die Abstimmung verlieren
    14 Abstimmungen werden in der Marathon-Sitzung des britischen Parlaments heute erwartet, die bis in den Mittwochmorgen dauern kann. Beim Thema Zollunion ist aber die Chance gestiegen, dass die Rebellen noch einmal zurückzucken. Der Grund heißt Boris Johnson.
    Johnson attackierte wieder einmal heftig seine eigene Premierministerin, diesmal hinter verschlossenen Türen. Aber jemand schnitt alles heimlich mit. "Es besteht das Risiko, dass wir im Vorzimmer der EU hängen bleiben. Wir bleiben im Orbit der EU gefangen und können keine eigenen Regeln setzen. Wir bleiben wie der Mond in der Anziehungskraft der Erde gefangen".
    Außenminister Johnson meint außerdem, dass ein Donald Trump die Brexit-Verhandlungen mit der EU anders führen würde. Theresa May ließ Johnson die Unverschämtheit wieder einmal durchgehen. Vielleicht nutzt sie ihr aber sogar, denn die EU-Rebellen sind wegen Johnson jetzt vorsichtiger. Wenn sie May heute im Unterhaus durch eine Niederlage beschädigen, droht womöglich Boris Johnson ihr Nachfolger zu werden.
    Sollte der Aufstand heute Nacht also ausbleiben, kann Theresa May aber noch lange nicht aufatmen. Die EU-Rebellen wollen dann eben im Juli zuschlagen, wenn das eigentliche Handelsgesetz zur Debatte steht. Und selbst dann hegen die Brexiteers einen Verdacht: Theresa May will die Abstimmung sogar verlieren, weil auch sie selbst von der Idee, die Zollunion zu verlassen, eigentlich nichts hält.