Am 12. Januar 2006 erschien die "Süddeutschen Zeitung" mit einem Aufmacher, der es in sich hatte: "Bundesnachrichtendienst half Amerikanern im Irakkrieg", so lautete die Schlagzeile. Wesentlicher Inhalt des Berichts: Der deutsche Auslandsgeheimdienst habe während des Kriegs gegen Saddam Hussein zwei Mitarbeiter in Bagdad stationiert, die möglicherweise den Amerikanern sogar dabei geholfen haben sollen, Bombenziele zu identifizieren - mit Billigung der Berliner Regierungszentrale.
"Deutschland beteiligt sich weder direkt noch indirekt am Irakkrieg" - dieses Versprechen des damaligen Bundeskanzlers Gerhard Schröder, das nicht unwesentlich zu seiner überraschenden Wiederwahl im Jahr 2002 beigetragen haben dürfte, hätte sich - träfe der Bericht zu - als falsch, möglicherweise sogar als Lügenkonstrukt herausgestellt.
Die Mitglieder des Parlamentarischen Kontrollgremiums (PKGr) - dem eigentlich alle Vorgänge "von besonderer Bedeutung" mitzuteilen sind, wie es im Gesetz heißt - wurden von dem Pressebericht wieder einmal überrascht. Grund genug für die Opposition, einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zu beantragen, der noch andere schwerwiegende Vorgänge aufzuklären versuchte: so die Geheimflüge der amerikanischen CIA mit angeblichen Terrorverdächtigen an Bord; die Entführung des Deutsch-Libanesen Khaled El-Masri nach Afghanistan; die Inhaftierung des Bremer Türken Murat Kurnaz in Guantanamo, dessen Freilassung die damalige Bundesregierung angeblich über Jahre verschleppt haben soll.
In fast drei Jahren hat der BND-Untersuchungsausschuss 124 Mal getagt, 489 Stunden lang Zeugen gehört. Die Befragungsprotokolle umfassen rund 6000 Seiten. Morgen beendet der Ausschuss seine Tätigkeit mit der Vorlage eines Abschlussberichts, der dem Deutschlandfunk bereits vorliegt. Dieser belegt: In ihren Schlussfolgerungen sind sich die Parteien alles andere als einig.
Der Fall Khaled El-Masri: Sein Schicksal war der Komplex, den sich das elfköpfige Gremium als Erstes vornahm. Der Deutsch-Libanese war am Silvestertag 2003 in der mazedonischen Hauptstadt Skopje unter dem Verdacht festgenommen worden, einen falschen Pass bei sich zu führen. Man verweigerte ihm einen Anwalt. Auch seine Angehörigen wurden nicht informiert. Nach drei Wochen Verhör wurde er von den Amerikanern nach Afghanistan verschleppt, wo er nach eigenen Angaben misshandelt und unter menschenunwürdigen Bedingungen befragt wurde, wie er nach seiner Freilassung schilderte.
"Und dann hat er mir gesagt: 'Wissen Sie, warum Sie hier sind?' Da habe ich ihm gesagt: 'Das ist eigentlich meine Frage!' Und dann hat er gesagt: 'Sie sind hier in einem Land, wo es keine Gesetze gibt. Niemand weiß, wo Sie sind. Sie können hier 20 Jahre bleiben oder auch begraben werden, niemand weiß von Ihnen etwas.'"
Auch von einem ominösen Deutschen namens Sam - seinem Eindruck nach ein Angehöriger deutscher Dienste -, sei er verhört worden, bevor er im Mai 2004 nach über fünf Monaten auf den Balkan verbracht und dort seinem Schicksal überlassen wurde.
Erst eineinhalb Jahre später berichtete die "Washington Post" von dem Fall - obwohl der amerikanische Botschafter Dan Coats den damaligen Bundesinnenminister Otto Schily, SPD, am Pfingstmontag 2004 - zwei Tage nach der Freilassung El-Masris - unter der Maßgabe der Verschwiegenheit darüber informiert hatte, dass man El-Masri mit einem El-Kaida-Terroristen verwechselt habe.
Die schwarz-rote Mehrheit im BND-Untersuchungsausschuss kommt in ihrem Abschlussbericht zu dem Ergebnis: Weder hätten deutsche Stellen mit der Verhaftung El-Masris etwas zu tun gehabt, noch habe die Bundesregierung vor seiner Freilassung von seinem Schicksal gewusst. Auch könne ausgeschlossen werden, dass es sich bei Sam um einen BKA-Beamten gehandelt habe. Die Opposition sieht dennoch Versäumnisse - vor allem bei Otto Schily. Der Bündnisgrüne Hans-Christian Ströbele:
"Also, für mich ist nach wie vor überhaupt nicht nachvollziehbar, wie der damalige Innenminister, der sofort grundsätzlich vom US-Botschafter informiert worden ist über den Sachverhalt, da mehr als ein Jahr lang schweigen konnte, die deutschen Strafverfolgungsbehörden, auch andere Minister, auch andere Teile der Bundesregierung im Nebel gestochert haben, El-Masri lange Zeit wie eine Art Spinner behandelt worden ist - 'Was erzählt der da für eine schreckliche Geschichte?' Und: 'Da kann doch nichts dran wahr sein!' - Und der Innenminister und auch seine Untergebenen, Bundeskriminalamt und auch seine Mitarbeiter wissen, dass es im Grunde im Kern richtig ist, was der da sagt."
Die damalige Bundesregierung habe den Fall El-Masri gegenüber den USA nicht deutlich genug angesprochen; dazu sei sie aber verpflichtet gewesen, weil es sich bei El-Masri immerhin um einen deutschen Staatsbürger gehandelt habe, meint auch Max Stadler, Ausschussobmann für die FDP:
"Mir scheint, dass der politische Kontext darin zu sehen ist: Die Bundesregierung wollte, nachdem sie wegen anderer Meinungsverschiedenheiten der damaligen rot-grünen Bundesregierung mit der amerikanischen Administration doch gewisse Differenzen hatte, wollte nicht einen solchen Fall zum Anlass nehmen, jetzt wieder neuen diplomatischen Ärger mit den USA zu bekommen."
"Das Verhalten des damaligen Innenministers war korrekt", heißt es nun im Abschlussbericht, der von SPD und Union gemeinsam formuliert wurde, und damit maßgeblich von dem Sozialdemokraten Michael Hartmann:
"Bundesinnenminister Otto Schily hat deutlichste Gespräche mit den USA geführt und ihnen auch klar gemacht, dass so ein Fall nicht einmal einmalig zu dulden ist. Das war ein rechtswidriger Akt, den die USA autonom begangen haben, um uns dann hinterher zu informieren - 'Naja, da gab es eine kleine Verwechselung, aber er ist heil wieder da!' - Der wahre Skandal, der sich hinter vielen Fällen, die wir im Ausschuss bearbeiteten, verbirgt, ist nach meiner Ansicht das Agieren der USA in ihrem berechtigten Kampf gegen den Terror. Das heißt: Da wurde eine rote Linie dauernd und dauerhaft von der früheren US-Administration überschritten, aber nicht von uns!"
Was Michael Hartmann da umreißt, gilt aus Sicht der SPD auch für die anderen Untersuchungsgegenstände des Ausschusses, bei denen allerdings nicht mehr Otto Schily im Zentrum stand, sondern Frank-Walter Steinmeier; damals Chef des Kanzleramts unter Gerhard Schröder, nun Außenminister und Vizekanzler der Großen Koalition sowie: Kanzlerkandidat der SPD. Vor allem im Fall Murat Kurnaz geriet Steinmeier in Bedrängnis.
Der Bremer Türke war wenige Monate nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 in Pakistan festgenommen und von den Amerikanern über das afghanische Kandahar ins US-Gefangenenlager Guantanamo auf Kuba gebracht worden. Steinmeier und die rot-grüne Bundesregierung hätten - so der Vorwurf der Opposition - im Jahr darauf ein Angebot der USA, Kurnaz nach Deutschland abzuschieben, abgelehnt. In der Tat hatten der damalige Kanzleramtsminister Steinmeier und die Chefs der deutschen Sicherheitsbehörden und Geheimdienste am 29. Oktober 2002 beschlossen, Kurnaz' Wiedereinreise zu verhindern, da er als Sicherheitsrisiko betrachtet wurde - und zwar in Deutschland geboren und aufgewachsen war, aber die türkische, nicht aber die deutsche Staatsangehörigkeit besaß.
Damit habe die damalige Bundesregierung zu verantworten, dass Kurnaz noch Jahre später völkerrechtswidrig in Guantanamo festgehalten wurde. Ein Vorwurf, dem sich auch die Obfrau der Union, Kristina Köhler anschließt:
"Im Grunde hat man Murat Kurnaz dort verschimmeln lassen! Und erst als Angela Merkel Bundeskanzlerin wurde, konnte man Murat Kurnaz aus Guantanamo herausbekommen. Das hat ja der Anwalt von Murat Kurnaz auch so plastisch geschildert. Er hat ja gesagt, als Frau Merkel dran war, war es, als sei ein Schalter umgelegt worden."
Die Argumentation der Union - für SPD-Obmann Michael Hartmann ein durchsichtiges politisches Manöver und Anlass, den Vorwurf postwendend an den Koalitionspartner zurückzugeben:
"Wäre Frank-Walter Steinmeier jetzt nicht parallel auch Kanzlerkandidat der SPD, würden all diese kräftigen Worte nicht fallen. Denn damals war ja keine Maßnahme scharf genug! Man hat im Gegenteil den damaligen Bundesaußenminister Joschka Fischer kritisiert, dass er von Menschenrechtsverletzungen sprechen würde. Man hat Guantanamo im 'Bayernkurier', in vielen Stellungnahmen der Sicherheitspolitiker der Union geradezu begrüßt und befürwortet und allergrößtes Verständnis gezeigt. Also, ich wäre vorsichtig."
Frank-Walter Steinmeier wollte zu den erhobenen Vorwürfen persönlich erst vor dem Ausschuss Stellung nehmen. Am 23. Januar dieses Jahres ging er dann doch in die Offensive - und bemühte sich bei der Gelegenheit, sein Image als kalter Technokrat abzuschütteln:
"Die lange Leidensgeschichte von Herrn Kurnaz in Guantanamo ist erschütternd und lässt auch mich in der Tat nicht kalt. Aber daraus den Vorwurf abzuleiten, die deutsche Bundesregierung sei dafür verantwortlich, ist doch erstens falsch und schlicht auch infam. Wie Sie wissen - und das weiß auch die deutsche Öffentlichkeit -, haben wir uns verschiedentlich bemüht, bei den Amerikanern, bei den Türken um Freilassung. Dass das erst 2005 in eine entscheidende Phase gerückt ist, dafür ist die deutsche Bundesregierung nicht verantwortlich!"
SPD-Obmann Michael Hartmann sekundiert: Es habe - anders als von der Opposition behauptet - nie ein offizielles Angebot der Amerikaner gegeben, Kurnaz freizulassen. Zwar habe ein CIA-Beamter einem Verfassungsschützer und zwei Mitarbeitern des Bundesnachrichtendienstes gegenüber, die Kurnaz in Guantanamo befragt hatten, eine Andeutung gemacht, wonach Kurnaz zu einer Gruppe von Gefangenen gehören könnte, die möglicherweise freigelassen werden könnte. Diese Überlegungen aber seien für die deutsche Bundesregierung im Prinzip bedeutungslos gewesen, so Hartmann:
"Diese Signale waren sehr vermittelt und sehr im Ungefähren auf einer Dienstfahrt zwischen subalternen Mitarbeitern ausgetauscht worden. Insofern bleibe es dabei, dass es kein Freilassungsangebot gab. Und dennoch haben wir uns für Murat Kurnaz eingesetzt. Allerdings, wahr ist: Da er als gefährliche Person auch von uns eingestuft wurde - dafür gab es gewichtige Anhaltspunkte - wollten wir zwar seine Freilassung, aber am besten in sein Heimatland. Er ist nach wie vor türkischer Staatsbürger!"
"Dieser Streit über die Frage 'Gab es ein Angebot?' ist lächerlich!"
Hans-Christian Ströbele, Bündnis90/Die Grünen:
"Unzweifelhaft hat es die Bereitschaftserklärung der USA gegeben: Wir wollen Herrn Kurnaz freilassen, im Herbst 2002. Wir beabsichtigen sowieso, einige freizulassen, bei Herrn Kurnaz sind auch wir, die Amerikaner, der Meinung: Da ist nix dran. Das war der falsche Mann am falschen Ort. Und dann hat die Bundesregierung unter Leitung von Herrn Steinmeier beschlossen: Nein, der kommt nicht nach Deutschland, hat das den Amerikanern mitgeteilt, und danach war die Angelegenheit erledigt. Sie haben eine Chance, dass er bereits 2002 aus Guantanamo entlassen wird, leichtfertig verspielt. Das ist nicht in Ordnung, das muss man ihnen vorwerfen, und dafür sind sie ganz eindeutig verantwortlich!"
Ursächlich für die Freilassung von Kurnaz im August 2006 - so die Argumentation der SPD-Seite, die im schriftlichen Bericht von der Union mitgetragen wird - sei allein ein Kurswechsel der Bush-Administration gewesen. Diese habe Guantanamo ab Mitte 2005 als zunehmende Belastung für ihr Ansehen wahrgenommen und habe versucht, die Zahl der Inhaftierten in Guantanamo zügig zu senken. Merkel habe an den Versuchen des Auswärtigen Amtes, Kurnaz freizubekommen, schließlich - so heißt es im Abschlussbericht wörtlich - "erfolgreich anknüpfen können".
Weshalb aber hat man im Jahr 2006 Kurnaz wieder nach Deutschland einreisen lassen, obwohl man dies zuvor unter allen Umständen verhindern wollte? Die Autoren des Abschlussberichts drehen hierfür einige Pirouetten. Der Ausschuss halte die Zulassung der Wiedereinreise aus humanitären Gründen zwar für richtig. Aber, so wörtlich:
"Diese Einschätzung ist [jedoch] nicht darin begründet, dass die ursprüngliche Einschätzung der Gefährlichkeit von Kurnaz fehlerhaft gewesen wäre, sondern dass Jahre später die Abwägung aufgrund der langen Haftdauer anders ausfallen konnte und musste."
Mit anderen Worten: An der Friedfertigkeit von Kurnaz bestehen die gleichen Zweifel wie zuvor. Sicherheitsbedenken aber werden wegen der menschenunwürdigen Zustände in Guantanamo zurückgestellt.
Neben dem Fall Kurnaz war der geheime Einsatz von zwei BND-Agenten in Bagdad während des Irakkriegs die heißeste Schlacht, die im BND-Untersuchungsausschuss ausgefochten wurde. Die Opposition aus FDP, Grünen und Linken, aber auch der Koalitionspartner der SPD, die Union, sahen Anlass, grundlegende Zweifel an der Glaubwürdigkeit rot-grüner Außenpolitik anzumelden, insbesondere an der Aussage, Deutschland habe sich zu keinem Zeitpunkt direkt oder indirekt am Irakkrieg beteiligt - ein Versprechen, das der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder in den Mittelpunkt eines schließlich erfolgreichen Wahlkampfs stellte.
Der Einsatz der beiden BND-Agenten und die Weitergabe von Informationen an die Amerikaner schienen auf das Gegenteil hinzudeuten, ebenso wie die Einlassungen ehemaliger hochrangiger US-Militärs, die mit den Worten zitiert wurden, die Informationen der Deutschen seien sehr wichtig gewesen; pünktlich veröffentlicht zur Vernehmung des Zeugen Joschka Fischer kurz vor Weihnachten 2008:
"Das ist ja völliger Blödsinn! Na, weil wir nicht am Irakkrieg beteiligt waren! Zwei BND-Beamte, die dort einen gefahrvollen Einsatz im Interesse unseres Landes gemacht haben, sind keine Kriegsbeteiligung. Die Vorwürfe, die ja anfangs erhoben wurden, haben sich in Nichts aufgelöst, nämlich dass sie Feuerleitfunktion für die amerikanische Luftwaffe wahrgenommen hätten. Und der Rest - das sehen Sie davon, wie abhängig die Erörterung hier von irgendwelchen Meldungen sind, die jetzt aus den USA aus gestreut werden - das zielt im Wesentlichen gegen meinen Nachfolger, der im Übrigen eine hervorragende Arbeit macht. Aber das wird sich in Luft auflösen!"
Deutschlands "Nein" zum Irakkrieg sei richtig gewesen, meinte auch Frank-Walter Steinmeier vor seiner mit Spannung erwarteten Vernehmung; ebenso wie die Entscheidung, die nachrichtendienstliche Zusammenarbeit mit den USA fortzuführen und zwei BND-Mitarbeiter nach Bagdad zu entsenden:
"Wir brauchten ein eigenes Lagebild. Deshalb haben wir uns entschieden, zwei BND-Mitarbeiter in den Irak zu entsenden, um ein eigenes Bild von der sich entwickelnden Lage vor und während des Krieges zu haben. Der BND hatte eine klare Vorgabe: Keine Beteiligung an operativen Kampfhandlungen, und alle Befragten hier in diesem Ausschuss haben zu erkennen gegeben, dass es keine Überschreitung dieser roten Linie gegeben hat."
Grüne, Linke und Liberale sehen das ganz anders. Max Stadler, FDP:
"Schon Informationen über ein allgemeines Lagebild, über die Stimmung in der Bevölkerung, über die Frage, ob die kriegführenden Parteien als Befreier empfangen werden oder auf großen Widerstand bei der Bevölkerung stoßen, aber auch etliche Detailinformationen waren für die Kriegsführung für die Amerikaner durchaus von Bedeutung. Ich gehe nicht so weit zu sagen, es ist von den Deutschen ein bestimmtes Ziel genannt worden, und das ist zehn Minuten später bombardiert worden, aber es sind Informationen geflossen, die für die Kriegführung relevant gewesen sind."
"Keine einzige Bombe ist aufgrund irgendeiner Meldung des BND abgeworfen worden" - so heißt es wörtlich im Abschlussbericht, der von der Mehrheit von CDU, CSU und SPD verabschiedet werden wird. Wobei sich die Union - einen Absatz weiter - deutlich von den Sozialdemokraten absetzt. Zitat:
"Die CDU/CSU-Fraktion sieht in der Weitergabe einer ganzen Anzahl von Meldungen eine indirekte Kriegsbeteiligung, weil deren Inhalt militärisch verwertbar und für die Feindlage aufschlussreich gewesen ist."
Kristina Köhler, CDU:
"Meines Erachtens hat damals die rot-grüne Bundesregierung ein doppeltes Spiel gespielt. Sie hat sich auf der einen Seite dafür feiern lassen, dass man sich am Krieg nicht beteiligt. Sie hat damit einen Wahlkampf gewonnen. Sie hat aber andererseits klammheimlich mit den USA kooperiert. Und sie hat dafür gesorgt, dass von den beiden deutschen BND-Agenten in Bagdad militärisch relevante Informationen an die USA fließen, von denen heute amerikanische Generäle sagen: Diese Informationen waren für uns extrem wichtig. Wir waren extrem dankbar, dass die Deutschen uns diese Informationen geliefert haben."
"Die SPD-Fraktion sieht in der heutigen Kritik eine polemische Diffamierung verantwortungsbewusster Außenpolitik" - so lautet die Antwort der Sozialdemokraten. Am Ende des Ausschusses steht also Aussage gegen Aussage, und alle Beteiligten sehen ihre Interpretation durch die gesammelten Fakten bestätigt.
Peter Blechschmidt hat den Untersuchungsausschuss für die "Süddeutsche Zeitung" über den gesamten Zeitraum so intensiv verfolgt wie kein anderer Journalist. Sein Fazit ist klar: Die Glaubwürdigkeit der rot-grünen Außenpolitik sei eindeutig angekratzt. Die damalige Bundesregierung habe den Irakkrieg nicht aktiv, aber mittelbar unterstützt, und das stehe im Widerspruch zu ihrer erklärten Politik:
"Wenn Agenten aus dem Kriegsgebiet Meldungen absetzen, die auch der kriegführenden Macht in den USA zur Verfügung gestellt werden, dann ist das für mich ganz zweifelsohne eine Beteiligung an dem Krieg. Es ist wichtig zu wissen, wie zum Beispiel die Stimmungslage in der Bevölkerung ist. Es ist wichtig zu wissen, welche Art von Verteidigungsstellungen in welcher Anzahl es gibt. Das hat Auswirkungen auf die Planungen zum Beispiel für das Militär, wenn es die Eroberung einer Stadt plant. Das steht für mich völlig außer Frage, dass diese Meldungen für die Amerikaner von Relevanz waren - das haben sie auch selber gesagt. Und darin sehe ich schon eine mittelbare Beteiligung an dem Krieg."
Die Glaubwürdigkeit der damaligen Bundesregierung sieht Blechschmidt auch im Fall Murat Kurnaz erschüttert. Sie habe sich eindeutig nicht ausreichend dafür eingesetzt, dass er aus Guantanamo freigelassen wird. Der Vorschlag, Kurnaz in die Türkei zu schicken: eine Hilfskonstruktion, die nicht trage.
"Für mich steht eindeutig fest, dass die Regierung Schröder / Fischer alles getan hat, um eine Rückkehr von Kurnaz nach Deutschland zu verhindern. Das war meines Erachtens ein ganz schwerer und gravierender Fehler. Ich bin oft aus Sitzungen herausgegangen und habe gesagt: 'Auf das Wohlwollen dieser Beamten und das Wohlwollen dieser Politiker möchte ich in einer Krisensituation nicht angewiesen sein!' Es gab mal den Vorwurf gegen Steinmeier - damals als er Kanzleramtschef war: Er sei ein seelenloser Bürokrat. Das hat Steinmeier natürlich vehement von sich gewiesen. Aber ein bisschen etwas ist, glaube ich, schon dran an diesem Vorwurf."
"Deutschland beteiligt sich weder direkt noch indirekt am Irakkrieg" - dieses Versprechen des damaligen Bundeskanzlers Gerhard Schröder, das nicht unwesentlich zu seiner überraschenden Wiederwahl im Jahr 2002 beigetragen haben dürfte, hätte sich - träfe der Bericht zu - als falsch, möglicherweise sogar als Lügenkonstrukt herausgestellt.
Die Mitglieder des Parlamentarischen Kontrollgremiums (PKGr) - dem eigentlich alle Vorgänge "von besonderer Bedeutung" mitzuteilen sind, wie es im Gesetz heißt - wurden von dem Pressebericht wieder einmal überrascht. Grund genug für die Opposition, einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zu beantragen, der noch andere schwerwiegende Vorgänge aufzuklären versuchte: so die Geheimflüge der amerikanischen CIA mit angeblichen Terrorverdächtigen an Bord; die Entführung des Deutsch-Libanesen Khaled El-Masri nach Afghanistan; die Inhaftierung des Bremer Türken Murat Kurnaz in Guantanamo, dessen Freilassung die damalige Bundesregierung angeblich über Jahre verschleppt haben soll.
In fast drei Jahren hat der BND-Untersuchungsausschuss 124 Mal getagt, 489 Stunden lang Zeugen gehört. Die Befragungsprotokolle umfassen rund 6000 Seiten. Morgen beendet der Ausschuss seine Tätigkeit mit der Vorlage eines Abschlussberichts, der dem Deutschlandfunk bereits vorliegt. Dieser belegt: In ihren Schlussfolgerungen sind sich die Parteien alles andere als einig.
Der Fall Khaled El-Masri: Sein Schicksal war der Komplex, den sich das elfköpfige Gremium als Erstes vornahm. Der Deutsch-Libanese war am Silvestertag 2003 in der mazedonischen Hauptstadt Skopje unter dem Verdacht festgenommen worden, einen falschen Pass bei sich zu führen. Man verweigerte ihm einen Anwalt. Auch seine Angehörigen wurden nicht informiert. Nach drei Wochen Verhör wurde er von den Amerikanern nach Afghanistan verschleppt, wo er nach eigenen Angaben misshandelt und unter menschenunwürdigen Bedingungen befragt wurde, wie er nach seiner Freilassung schilderte.
"Und dann hat er mir gesagt: 'Wissen Sie, warum Sie hier sind?' Da habe ich ihm gesagt: 'Das ist eigentlich meine Frage!' Und dann hat er gesagt: 'Sie sind hier in einem Land, wo es keine Gesetze gibt. Niemand weiß, wo Sie sind. Sie können hier 20 Jahre bleiben oder auch begraben werden, niemand weiß von Ihnen etwas.'"
Auch von einem ominösen Deutschen namens Sam - seinem Eindruck nach ein Angehöriger deutscher Dienste -, sei er verhört worden, bevor er im Mai 2004 nach über fünf Monaten auf den Balkan verbracht und dort seinem Schicksal überlassen wurde.
Erst eineinhalb Jahre später berichtete die "Washington Post" von dem Fall - obwohl der amerikanische Botschafter Dan Coats den damaligen Bundesinnenminister Otto Schily, SPD, am Pfingstmontag 2004 - zwei Tage nach der Freilassung El-Masris - unter der Maßgabe der Verschwiegenheit darüber informiert hatte, dass man El-Masri mit einem El-Kaida-Terroristen verwechselt habe.
Die schwarz-rote Mehrheit im BND-Untersuchungsausschuss kommt in ihrem Abschlussbericht zu dem Ergebnis: Weder hätten deutsche Stellen mit der Verhaftung El-Masris etwas zu tun gehabt, noch habe die Bundesregierung vor seiner Freilassung von seinem Schicksal gewusst. Auch könne ausgeschlossen werden, dass es sich bei Sam um einen BKA-Beamten gehandelt habe. Die Opposition sieht dennoch Versäumnisse - vor allem bei Otto Schily. Der Bündnisgrüne Hans-Christian Ströbele:
"Also, für mich ist nach wie vor überhaupt nicht nachvollziehbar, wie der damalige Innenminister, der sofort grundsätzlich vom US-Botschafter informiert worden ist über den Sachverhalt, da mehr als ein Jahr lang schweigen konnte, die deutschen Strafverfolgungsbehörden, auch andere Minister, auch andere Teile der Bundesregierung im Nebel gestochert haben, El-Masri lange Zeit wie eine Art Spinner behandelt worden ist - 'Was erzählt der da für eine schreckliche Geschichte?' Und: 'Da kann doch nichts dran wahr sein!' - Und der Innenminister und auch seine Untergebenen, Bundeskriminalamt und auch seine Mitarbeiter wissen, dass es im Grunde im Kern richtig ist, was der da sagt."
Die damalige Bundesregierung habe den Fall El-Masri gegenüber den USA nicht deutlich genug angesprochen; dazu sei sie aber verpflichtet gewesen, weil es sich bei El-Masri immerhin um einen deutschen Staatsbürger gehandelt habe, meint auch Max Stadler, Ausschussobmann für die FDP:
"Mir scheint, dass der politische Kontext darin zu sehen ist: Die Bundesregierung wollte, nachdem sie wegen anderer Meinungsverschiedenheiten der damaligen rot-grünen Bundesregierung mit der amerikanischen Administration doch gewisse Differenzen hatte, wollte nicht einen solchen Fall zum Anlass nehmen, jetzt wieder neuen diplomatischen Ärger mit den USA zu bekommen."
"Das Verhalten des damaligen Innenministers war korrekt", heißt es nun im Abschlussbericht, der von SPD und Union gemeinsam formuliert wurde, und damit maßgeblich von dem Sozialdemokraten Michael Hartmann:
"Bundesinnenminister Otto Schily hat deutlichste Gespräche mit den USA geführt und ihnen auch klar gemacht, dass so ein Fall nicht einmal einmalig zu dulden ist. Das war ein rechtswidriger Akt, den die USA autonom begangen haben, um uns dann hinterher zu informieren - 'Naja, da gab es eine kleine Verwechselung, aber er ist heil wieder da!' - Der wahre Skandal, der sich hinter vielen Fällen, die wir im Ausschuss bearbeiteten, verbirgt, ist nach meiner Ansicht das Agieren der USA in ihrem berechtigten Kampf gegen den Terror. Das heißt: Da wurde eine rote Linie dauernd und dauerhaft von der früheren US-Administration überschritten, aber nicht von uns!"
Was Michael Hartmann da umreißt, gilt aus Sicht der SPD auch für die anderen Untersuchungsgegenstände des Ausschusses, bei denen allerdings nicht mehr Otto Schily im Zentrum stand, sondern Frank-Walter Steinmeier; damals Chef des Kanzleramts unter Gerhard Schröder, nun Außenminister und Vizekanzler der Großen Koalition sowie: Kanzlerkandidat der SPD. Vor allem im Fall Murat Kurnaz geriet Steinmeier in Bedrängnis.
Der Bremer Türke war wenige Monate nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 in Pakistan festgenommen und von den Amerikanern über das afghanische Kandahar ins US-Gefangenenlager Guantanamo auf Kuba gebracht worden. Steinmeier und die rot-grüne Bundesregierung hätten - so der Vorwurf der Opposition - im Jahr darauf ein Angebot der USA, Kurnaz nach Deutschland abzuschieben, abgelehnt. In der Tat hatten der damalige Kanzleramtsminister Steinmeier und die Chefs der deutschen Sicherheitsbehörden und Geheimdienste am 29. Oktober 2002 beschlossen, Kurnaz' Wiedereinreise zu verhindern, da er als Sicherheitsrisiko betrachtet wurde - und zwar in Deutschland geboren und aufgewachsen war, aber die türkische, nicht aber die deutsche Staatsangehörigkeit besaß.
Damit habe die damalige Bundesregierung zu verantworten, dass Kurnaz noch Jahre später völkerrechtswidrig in Guantanamo festgehalten wurde. Ein Vorwurf, dem sich auch die Obfrau der Union, Kristina Köhler anschließt:
"Im Grunde hat man Murat Kurnaz dort verschimmeln lassen! Und erst als Angela Merkel Bundeskanzlerin wurde, konnte man Murat Kurnaz aus Guantanamo herausbekommen. Das hat ja der Anwalt von Murat Kurnaz auch so plastisch geschildert. Er hat ja gesagt, als Frau Merkel dran war, war es, als sei ein Schalter umgelegt worden."
Die Argumentation der Union - für SPD-Obmann Michael Hartmann ein durchsichtiges politisches Manöver und Anlass, den Vorwurf postwendend an den Koalitionspartner zurückzugeben:
"Wäre Frank-Walter Steinmeier jetzt nicht parallel auch Kanzlerkandidat der SPD, würden all diese kräftigen Worte nicht fallen. Denn damals war ja keine Maßnahme scharf genug! Man hat im Gegenteil den damaligen Bundesaußenminister Joschka Fischer kritisiert, dass er von Menschenrechtsverletzungen sprechen würde. Man hat Guantanamo im 'Bayernkurier', in vielen Stellungnahmen der Sicherheitspolitiker der Union geradezu begrüßt und befürwortet und allergrößtes Verständnis gezeigt. Also, ich wäre vorsichtig."
Frank-Walter Steinmeier wollte zu den erhobenen Vorwürfen persönlich erst vor dem Ausschuss Stellung nehmen. Am 23. Januar dieses Jahres ging er dann doch in die Offensive - und bemühte sich bei der Gelegenheit, sein Image als kalter Technokrat abzuschütteln:
"Die lange Leidensgeschichte von Herrn Kurnaz in Guantanamo ist erschütternd und lässt auch mich in der Tat nicht kalt. Aber daraus den Vorwurf abzuleiten, die deutsche Bundesregierung sei dafür verantwortlich, ist doch erstens falsch und schlicht auch infam. Wie Sie wissen - und das weiß auch die deutsche Öffentlichkeit -, haben wir uns verschiedentlich bemüht, bei den Amerikanern, bei den Türken um Freilassung. Dass das erst 2005 in eine entscheidende Phase gerückt ist, dafür ist die deutsche Bundesregierung nicht verantwortlich!"
SPD-Obmann Michael Hartmann sekundiert: Es habe - anders als von der Opposition behauptet - nie ein offizielles Angebot der Amerikaner gegeben, Kurnaz freizulassen. Zwar habe ein CIA-Beamter einem Verfassungsschützer und zwei Mitarbeitern des Bundesnachrichtendienstes gegenüber, die Kurnaz in Guantanamo befragt hatten, eine Andeutung gemacht, wonach Kurnaz zu einer Gruppe von Gefangenen gehören könnte, die möglicherweise freigelassen werden könnte. Diese Überlegungen aber seien für die deutsche Bundesregierung im Prinzip bedeutungslos gewesen, so Hartmann:
"Diese Signale waren sehr vermittelt und sehr im Ungefähren auf einer Dienstfahrt zwischen subalternen Mitarbeitern ausgetauscht worden. Insofern bleibe es dabei, dass es kein Freilassungsangebot gab. Und dennoch haben wir uns für Murat Kurnaz eingesetzt. Allerdings, wahr ist: Da er als gefährliche Person auch von uns eingestuft wurde - dafür gab es gewichtige Anhaltspunkte - wollten wir zwar seine Freilassung, aber am besten in sein Heimatland. Er ist nach wie vor türkischer Staatsbürger!"
"Dieser Streit über die Frage 'Gab es ein Angebot?' ist lächerlich!"
Hans-Christian Ströbele, Bündnis90/Die Grünen:
"Unzweifelhaft hat es die Bereitschaftserklärung der USA gegeben: Wir wollen Herrn Kurnaz freilassen, im Herbst 2002. Wir beabsichtigen sowieso, einige freizulassen, bei Herrn Kurnaz sind auch wir, die Amerikaner, der Meinung: Da ist nix dran. Das war der falsche Mann am falschen Ort. Und dann hat die Bundesregierung unter Leitung von Herrn Steinmeier beschlossen: Nein, der kommt nicht nach Deutschland, hat das den Amerikanern mitgeteilt, und danach war die Angelegenheit erledigt. Sie haben eine Chance, dass er bereits 2002 aus Guantanamo entlassen wird, leichtfertig verspielt. Das ist nicht in Ordnung, das muss man ihnen vorwerfen, und dafür sind sie ganz eindeutig verantwortlich!"
Ursächlich für die Freilassung von Kurnaz im August 2006 - so die Argumentation der SPD-Seite, die im schriftlichen Bericht von der Union mitgetragen wird - sei allein ein Kurswechsel der Bush-Administration gewesen. Diese habe Guantanamo ab Mitte 2005 als zunehmende Belastung für ihr Ansehen wahrgenommen und habe versucht, die Zahl der Inhaftierten in Guantanamo zügig zu senken. Merkel habe an den Versuchen des Auswärtigen Amtes, Kurnaz freizubekommen, schließlich - so heißt es im Abschlussbericht wörtlich - "erfolgreich anknüpfen können".
Weshalb aber hat man im Jahr 2006 Kurnaz wieder nach Deutschland einreisen lassen, obwohl man dies zuvor unter allen Umständen verhindern wollte? Die Autoren des Abschlussberichts drehen hierfür einige Pirouetten. Der Ausschuss halte die Zulassung der Wiedereinreise aus humanitären Gründen zwar für richtig. Aber, so wörtlich:
"Diese Einschätzung ist [jedoch] nicht darin begründet, dass die ursprüngliche Einschätzung der Gefährlichkeit von Kurnaz fehlerhaft gewesen wäre, sondern dass Jahre später die Abwägung aufgrund der langen Haftdauer anders ausfallen konnte und musste."
Mit anderen Worten: An der Friedfertigkeit von Kurnaz bestehen die gleichen Zweifel wie zuvor. Sicherheitsbedenken aber werden wegen der menschenunwürdigen Zustände in Guantanamo zurückgestellt.
Neben dem Fall Kurnaz war der geheime Einsatz von zwei BND-Agenten in Bagdad während des Irakkriegs die heißeste Schlacht, die im BND-Untersuchungsausschuss ausgefochten wurde. Die Opposition aus FDP, Grünen und Linken, aber auch der Koalitionspartner der SPD, die Union, sahen Anlass, grundlegende Zweifel an der Glaubwürdigkeit rot-grüner Außenpolitik anzumelden, insbesondere an der Aussage, Deutschland habe sich zu keinem Zeitpunkt direkt oder indirekt am Irakkrieg beteiligt - ein Versprechen, das der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder in den Mittelpunkt eines schließlich erfolgreichen Wahlkampfs stellte.
Der Einsatz der beiden BND-Agenten und die Weitergabe von Informationen an die Amerikaner schienen auf das Gegenteil hinzudeuten, ebenso wie die Einlassungen ehemaliger hochrangiger US-Militärs, die mit den Worten zitiert wurden, die Informationen der Deutschen seien sehr wichtig gewesen; pünktlich veröffentlicht zur Vernehmung des Zeugen Joschka Fischer kurz vor Weihnachten 2008:
"Das ist ja völliger Blödsinn! Na, weil wir nicht am Irakkrieg beteiligt waren! Zwei BND-Beamte, die dort einen gefahrvollen Einsatz im Interesse unseres Landes gemacht haben, sind keine Kriegsbeteiligung. Die Vorwürfe, die ja anfangs erhoben wurden, haben sich in Nichts aufgelöst, nämlich dass sie Feuerleitfunktion für die amerikanische Luftwaffe wahrgenommen hätten. Und der Rest - das sehen Sie davon, wie abhängig die Erörterung hier von irgendwelchen Meldungen sind, die jetzt aus den USA aus gestreut werden - das zielt im Wesentlichen gegen meinen Nachfolger, der im Übrigen eine hervorragende Arbeit macht. Aber das wird sich in Luft auflösen!"
Deutschlands "Nein" zum Irakkrieg sei richtig gewesen, meinte auch Frank-Walter Steinmeier vor seiner mit Spannung erwarteten Vernehmung; ebenso wie die Entscheidung, die nachrichtendienstliche Zusammenarbeit mit den USA fortzuführen und zwei BND-Mitarbeiter nach Bagdad zu entsenden:
"Wir brauchten ein eigenes Lagebild. Deshalb haben wir uns entschieden, zwei BND-Mitarbeiter in den Irak zu entsenden, um ein eigenes Bild von der sich entwickelnden Lage vor und während des Krieges zu haben. Der BND hatte eine klare Vorgabe: Keine Beteiligung an operativen Kampfhandlungen, und alle Befragten hier in diesem Ausschuss haben zu erkennen gegeben, dass es keine Überschreitung dieser roten Linie gegeben hat."
Grüne, Linke und Liberale sehen das ganz anders. Max Stadler, FDP:
"Schon Informationen über ein allgemeines Lagebild, über die Stimmung in der Bevölkerung, über die Frage, ob die kriegführenden Parteien als Befreier empfangen werden oder auf großen Widerstand bei der Bevölkerung stoßen, aber auch etliche Detailinformationen waren für die Kriegsführung für die Amerikaner durchaus von Bedeutung. Ich gehe nicht so weit zu sagen, es ist von den Deutschen ein bestimmtes Ziel genannt worden, und das ist zehn Minuten später bombardiert worden, aber es sind Informationen geflossen, die für die Kriegführung relevant gewesen sind."
"Keine einzige Bombe ist aufgrund irgendeiner Meldung des BND abgeworfen worden" - so heißt es wörtlich im Abschlussbericht, der von der Mehrheit von CDU, CSU und SPD verabschiedet werden wird. Wobei sich die Union - einen Absatz weiter - deutlich von den Sozialdemokraten absetzt. Zitat:
"Die CDU/CSU-Fraktion sieht in der Weitergabe einer ganzen Anzahl von Meldungen eine indirekte Kriegsbeteiligung, weil deren Inhalt militärisch verwertbar und für die Feindlage aufschlussreich gewesen ist."
Kristina Köhler, CDU:
"Meines Erachtens hat damals die rot-grüne Bundesregierung ein doppeltes Spiel gespielt. Sie hat sich auf der einen Seite dafür feiern lassen, dass man sich am Krieg nicht beteiligt. Sie hat damit einen Wahlkampf gewonnen. Sie hat aber andererseits klammheimlich mit den USA kooperiert. Und sie hat dafür gesorgt, dass von den beiden deutschen BND-Agenten in Bagdad militärisch relevante Informationen an die USA fließen, von denen heute amerikanische Generäle sagen: Diese Informationen waren für uns extrem wichtig. Wir waren extrem dankbar, dass die Deutschen uns diese Informationen geliefert haben."
"Die SPD-Fraktion sieht in der heutigen Kritik eine polemische Diffamierung verantwortungsbewusster Außenpolitik" - so lautet die Antwort der Sozialdemokraten. Am Ende des Ausschusses steht also Aussage gegen Aussage, und alle Beteiligten sehen ihre Interpretation durch die gesammelten Fakten bestätigt.
Peter Blechschmidt hat den Untersuchungsausschuss für die "Süddeutsche Zeitung" über den gesamten Zeitraum so intensiv verfolgt wie kein anderer Journalist. Sein Fazit ist klar: Die Glaubwürdigkeit der rot-grünen Außenpolitik sei eindeutig angekratzt. Die damalige Bundesregierung habe den Irakkrieg nicht aktiv, aber mittelbar unterstützt, und das stehe im Widerspruch zu ihrer erklärten Politik:
"Wenn Agenten aus dem Kriegsgebiet Meldungen absetzen, die auch der kriegführenden Macht in den USA zur Verfügung gestellt werden, dann ist das für mich ganz zweifelsohne eine Beteiligung an dem Krieg. Es ist wichtig zu wissen, wie zum Beispiel die Stimmungslage in der Bevölkerung ist. Es ist wichtig zu wissen, welche Art von Verteidigungsstellungen in welcher Anzahl es gibt. Das hat Auswirkungen auf die Planungen zum Beispiel für das Militär, wenn es die Eroberung einer Stadt plant. Das steht für mich völlig außer Frage, dass diese Meldungen für die Amerikaner von Relevanz waren - das haben sie auch selber gesagt. Und darin sehe ich schon eine mittelbare Beteiligung an dem Krieg."
Die Glaubwürdigkeit der damaligen Bundesregierung sieht Blechschmidt auch im Fall Murat Kurnaz erschüttert. Sie habe sich eindeutig nicht ausreichend dafür eingesetzt, dass er aus Guantanamo freigelassen wird. Der Vorschlag, Kurnaz in die Türkei zu schicken: eine Hilfskonstruktion, die nicht trage.
"Für mich steht eindeutig fest, dass die Regierung Schröder / Fischer alles getan hat, um eine Rückkehr von Kurnaz nach Deutschland zu verhindern. Das war meines Erachtens ein ganz schwerer und gravierender Fehler. Ich bin oft aus Sitzungen herausgegangen und habe gesagt: 'Auf das Wohlwollen dieser Beamten und das Wohlwollen dieser Politiker möchte ich in einer Krisensituation nicht angewiesen sein!' Es gab mal den Vorwurf gegen Steinmeier - damals als er Kanzleramtschef war: Er sei ein seelenloser Bürokrat. Das hat Steinmeier natürlich vehement von sich gewiesen. Aber ein bisschen etwas ist, glaube ich, schon dran an diesem Vorwurf."