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Verkauf von Air Berlin
"Wir haben uns nicht eingemischt"

Beim Kredit von 150 Millionen für die insolvente Fluggesellschaft Air Berlin, sei es um die Absicherung der über 8.000 Beschäftigten gegangen, sagte der SPD-Wirtschaftspolitiker Bernd Westphal im Dlf. Beim Verkauf werde sich die Politik nicht einmischen: Hier entscheide der Gläubigerausschuss.

Bernd Westphal im Gespräch mit Christoph Heinemann |
    Westphal spricht im schwarzen Jackett in die Mikrofone und gestikuliert mit den Händen.
    Bernd Westphal, Obmann der SPD-Fraktion im Wirtschaftsausschuss des Bundestages: Die Steuerzahler sollen die 150 Millionen zurückbekommen (imago / Metodi Popow)
    Christoph Heinemann: In knapp zwei Stunden schließt der Briefkasten. Das heißt, einen Monat nach der Insolvenzmeldung der Fluggesellschaft Air Berlin endet heute die Bieterfrist für interessierte Käufer. Interesse besteht: Lufthansa Niki Lauda, Thomas Cook, Easyjet und der Unternehmer Hans Rudolf Wöhrl, diese Namen werden genannt. Der Gläubigerausschuss tagt am kommenden Donnerstag, am 21. September.
    Bernd Westphal ist Obmann der SPD-Fraktion im Wirtschaftsausschuss des Deutschen Bundestages. Guten Tag.
    Bernd Westphal: Schönen guten Tag, Herr Heinemann.
    "Absicherung von über 8000 Beschäftigten"
    Heinemann: Herr Westphal, nach welchen Kriterien sollte der Insolvenzverwalter entscheiden?
    Westphal: Hier geht es zunächst einmal darum, dass wir eine Fluggesellschaft erhalten wollen, die vielleicht mit anderer Eigentümerschaft aber eine Perspektive hat, eine Grundlage, das Geschäft fortzuführen. Und vor allen Dingen geht es uns um die Absicherung von über 8000 Beschäftigten.
    Heinemann: Das ist das eine. Ansonsten Arbeitsplätze, Unternehmen, Wettbewerb oder Kunden. Was wiegt am schwersten?
    Westphal: Für den Wettbewerb haben wir die Kartellbehörde. Wir haben mit der EU eine Struktur mit Frau Vestager als Kommissarin, die da schon genau drauf guckt, ob der Wettbewerb nicht behindert wird. Das ist sicherlich auch einzuhalten. Aber es geht auch hier darum, dass wir diese Fluggesellschaft mit neuen Eigentümerstrukturen weiterführen können.
    Air Berlin muss sich auf ein Kerngeschäft fokussieren
    Heinemann: Wie wichtig ist es, dass es eine zweite deutsche Fluglinie geben wird, mit Blick auf den Wettbewerb, mit Blick auf die Preise für Flüge?
    Westphal: Das ist ja schon seit September 2016, wo Air Berlin angekündigt hat, eine tiefgreifende Restrukturierung des Konzerns zu vollziehen… Und deshalb ist es natürlich klar, dass sich dieses Unternehmen auch fokussieren muss auf das, was sie zukünftig als Kerngeschäft machen wollen, ob das Langstreckenflüge sind, ob das Netzwerk-Carrier sind. Das ist im Grunde genommen in dem Unternehmen nicht geklärt worden. Das ist, denke ich mal, jetzt die Chance dafür, das zu machen.
    Heinemann: Meine Frage zielte in eine andere Richtung. Michael Fuchs hat es heute Morgen so gesagt bei uns im Deutschlandfunk: Die Lufthansa wird sicherlich nicht den ganzen Braten kaufen können. Hat er recht?
    Westphal: Das glaube ich schon. Die Lufthansa wird sicherlich Teile davon vielleicht auch als Angebot mit bieten. Der Gläubigerausschuss muss das dann bewerten. Da sind ja auch andere Unternehmen, die Interesse an dem Unternehmen haben. Ich kann mir nicht vorstellen, dass der komplette Bereich von Air Berlin zur Lufthansa geht.
    "Wir haben uns ja nicht eingemischt"
    Heinemann: Der Unternehmer Wöhrl hat gesagt, hier ist keine richtige Marktwirtschaft, die funktioniert in diesem Fall nicht. Stimmen Sie dem zu?
    Westphal: Nein. Natürlich ist Marktwirtschaft. Hier muss Herr Wöhrl ein attraktives Angebot abgeben und dann hat er durchaus eine Chance, auch hier einen Zuschlag zu kriegen. Das liegt jetzt daran, was der Gläubigerausschuss bewertet an Angeboten, die vorliegen, die für das Unternehmen eine Perspektive bieten.
    Heinemann: Herr Wöhrl meinte, glaube ich, etwas anderes. So herum gefragt: Sollten sich Politiker in das Insolvenzverfahren einmischen?
    Westphal: Nein. Wir haben uns ja nicht eingemischt. Das entscheidet letztendlich der Gläubigerausschuss. Was die Politik gemacht hat, hier die Bundesregierung, sie hat einen Massekredit von 150 Millionen gegeben. Das ist eine richtige Handlung gewesen, um hier die Urlauber, die unterwegs waren, nicht auf den Rückflügen zu gefährden und dementsprechend Arbeitsplätzen eine Chance zu geben.
    "Rahmenbedingungen gestaltet"
    Heinemann: Das kann man auch anders sehen. Auf den Kredit kommen wir gleich noch. Wirtschaftsstaatssekretär Matthias Machnig von der SPD hatte ja das Angebot von Herrn Wöhrl durchaus negativ kommentiert. Das hat übrigens Michael Fuchs heute Morgen bei uns auch noch mal klar gesagt. Noch mal gefragt: Sollte sich die Politik da raushalten?
    Westphal: Wir bewerten das ja nicht, sondern letztendlich muss das der Gläubigerausschuss machen. Die Chance besteht, jetzt ein Angebot abzugeben. Da mischt sich Politik auch nicht ein. Wir haben das überhaupt nicht zu entscheiden, sondern wir haben die Rahmenbedingungen jetzt so gestaltet, dass das Unternehmen überhaupt eine Perspektive hatte für eine Restrukturierung, und hier haben wir jetzt auch den Weg freigemacht.
    Heinemann: Welche Rahmenbedingungen wären das?
    Westphal: Das ist auf einer Seite der Kredit, den wir gegeben haben, um überhaupt das Unternehmen in die Situation zu bringen, dass andere Bieter dementsprechend Angebote abgeben können, und dann muss der Gläubigerausschuss entscheiden, wer dort den Zuschlag kriegt, und Kartellbehörden und die EU-Kommission werden gucken, was die Monopolstellung eines Unternehmens angeht, dass das nicht eintritt.
    Steuerzahler sollen die 150 Millionen zurückbekommen
    Heinemann: Werden die Steuerzahler die 150 Millionen zurückbekommen, die die Bundesregierung Air Berlin zur Verfügung gestellt hat?
    Heinemann: Wir haben eine Wirtschaftsausschuss-Sitzung am 5. 9. Gehabt. Da ist das mit der Bundesregierung erörtert und diskutiert worden. Es ist zugesichert worden, dass die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft TWC dort die Risikobewertung vorgenommen hat und die drei Ministerien, Wirtschaft, Verkehr und Finanzen, zu dem Schluss gekommen sind, dass man mit dieser Garantieübernahme Haushaltsrisiken vertreten kann.
    Heinemann: Heißt das jetzt ja oder nein?
    Westphal: Ja.
    Heinemann: Die Steuerzahler bekommen die 150 Millionen zurück?
    Westphal: Davon gehe ich aus.
    "Genug Angebote, die für Verbraucher sinnvoll sind"
    Heinemann: Michael Fuchs hat heute Früh bei uns im Deutschlandfunk gesagt, die Politik habe dafür zu sorgen, dass die Fluglinien und Flughäfen gleiche Wettbewerbsbedingungen vorfänden in Deutschland. Was ist auf diesem Weg noch zu tun?
    Westphal: Ich glaube nicht, dass wir dort eine Störung des Wettbewerbs haben, sondern wir haben ja mehrere Fluglinien, die da am Markt sind, die den Verbraucherinnen und Verbrauchern Angebote machen, und die können auswählen und entscheiden. Hier gibt es, denke ich mal, keinen Bedarf, dass jetzt Politik sagt, wir brauchen da mehr Fluggesellschaften oder mehr Wettbewerb. Was die Slots angeht: Ich glaube, hier gibt es genug Angebote, die auch für Verbraucherinnen und Verbraucher und eine Preisgestaltung sinnvoll sind.
    Heinemann: Konkret: Sollte die Luftverkehrsabgabe abgeschafft werden?
    Westphal: Das kann man natürlich noch mal diskutieren. Das war immer auch ein Punkt, wo wir gesagt haben, ist das nicht ein Wettbewerbsnachteil für die Standorte. Das ist sicherlich auch bei uns in der Fraktion ein Thema, wo wir überlegen, ob das sinnvoll ist.
    "Komisch, dass sich jetzt so viele krank melden"
    Heinemann: Schauen wir auf die Belegschaft, Herr Westphal. Wie kann man den Gesundheitszustand der vielen kranken Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Air Berlin stabilisieren?
    Westphal: Na ja, das finde ich jetzt schon merkwürdig, dass in so einer Situation, wo die öffentliche Hand, die Steuerzahler dem Unternehmen eine Grundlage geben für die Zukunftsperspektive und die Belegschaft sich jetzt so verhält. Ich bin kein Arzt, ich kann das nicht beurteilen, aber es ist schon ein bisschen komisch zu sehen, dass jetzt so viele sich krank melden.
    Heinemann: Sollte ein SPD-Wirtschaftspolitiker da den Gewerkschaften mal den Marsch blasen?
    Westphal: Nein. Marsch blasen ist nicht unsere Art. Wir müssen uns da natürlich mit auseinandersetzen. Ich glaube nicht, dass wir in der Situation sind, Verdi Ratschläge zu geben und schon gar nicht den Marsch zu blasen. Aber ich finde es schon ein bisschen anrüchig, dass jetzt diese riesen Krankmeldungen da kommen in dieser hohen Anzahl. In dieser Situation des Unternehmens, das finde ich nicht richtig.
    "Ich hoffe, dass es nicht zu einem Sozialplan kommt"
    Heinemann: Die Entscheidung fällt am Tag nach der Bundestagswahl. Ist das ein Zufall?
    Westphal: Ich denke mal, dass der Gläubigerausschuss am 21. Die Angebote prüfen wird und dann sicherlich einen Zeitraum braucht, um die Bewertung durchzuführen. Und dann wird am 25. 9. Der Beschluss verkündet. Ich glaube nicht, dass das mit der Bundestagswahl zusammenhängt.
    Heinemann: Rechnen Sie mit einem Sozialplan für die Beschäftigten?
    Westphal: Ich hoffe, dass es nicht zu einem Sozialplan kommt, sondern zu einer Übernahme der einzelnen Geschäftsfelder durch verschiedene Unternehmen, die dann auch eine Perspektive für die Beschäftigten bieten, so dass ein Sozialplan vielleicht gar nicht notwendig ist.
    Heinemann: Bernd Westphal, Obmann der SPD-Fraktion im Wirtschaftsausschuss des Deutschen Bundestages. Danke schön für das Gespräch und auf Wiederhören.
    Westphal: Auf Wiederhören, Herr Heinemann. Tschüss!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.