"In Bochum gab es letztendlich eine heftige, brutale, schnelle Entscheidung, und das ist hier auch zu befürchten", sagte Einenkel im Deutschlandfunk. Durch den Wegfall des Bochumer Standorts von Opel sei der Autohersteller in Deutschland deutlich kleiner geworden – und je kleiner ein Konzern sei, desto schwieriger werde die Auseinandersetzung. Der US-Mutterkonzern habe sich in den vergangenen Jahrzehnten als unberechenbar erwiesen, wenn es darum gehe, Werke abzuwickeln oder ihre Geschäfte durchzuziehen.
General Motors müsse Rechenschaft über alle Schritte ablegen. Einenkel befürchtet, dass durch den geplanten Übernahmeprozess viel verloren gehe, was mit dem Namen Opel verbunden ist: "Auch für die Menschen selber: An Zukunftshoffnung, an Perspektive, aber auch an Sicherheiten, die man braucht, um vernünftig leben zu können."
Das Interview in voller Länge:
Christine Heuer: Am Telefon ist Rainer Einenkel, der Betriebsratsvorsitzende von Opel Bochum, dem Opel-Werk in Deutschland, das ja bekanntlich bereits abgewickelt ist. Guten Morgen, Herr Einenkel.
Rainer Einenkel: Guten Morgen, Frau Heuer.
Heuer: Überraschen Sie die neuen Meldungen, dass GM Opel gerne an Peugeot verkaufen möchte?
Einenkel: Ich glaube, da waren gestern alle überrascht, als sie um die Mittagszeit hörten, dass diese Pläne jetzt ganz akut anstehen. Das war das eine. Das andere ist aber: Wer lange bei Opel beschäftigt war und mit General Motors zu tun hatte, der durfte andererseits nicht überrascht sein, weil das ist ja die Politik der letzten Jahrzehnte, die wir mit General Motors in der Form auch erlebt haben.
"Eine relativ heftige, brutale, schnelle Entscheidung"
Heuer: Fahren die eine Überrumpelungsstrategie, oder was meinen Sie?
Einenkel: In der Form, dass die wirklich unberechenbar sind, wenn es darum geht, Werke abzuwickeln, ihre Geschäftspolitik durchzuziehen. So hat man ja auch mehrere Werke in Europa geschlossen und so ging es ja eigentlich auch mit dem Bochumer Opel-Werk, auch wenn wir eine zehnjährige Auseinandersetzung hatten um den Erhalt des Bochumer Werkes, aber letztendlich gab es eine relativ heftige, brutale, schnelle Entscheidung und das ist eigentlich hier auch zu befürchten.
Heuer: Es gibt ja noch drei Opel-Standorte in Deutschland, Rüsselsheim, Eisenach, Kaiserslautern. Sie haben damals hart für den Standort Bochum gekämpft, Sie haben am Ende verloren. Wie, glauben Sie, wenn man mit den Standorten anfängt, geht die Sache diesmal aus?
Einenkel: Ja gut, vielleicht eine Ergänzung: Wir haben zehn Jahre lang um die Sicherung des Bochumer Standortes gekämpft, denn zehn Jahre vorher waren bereits Schließungspläne auf dem Tisch. Wir haben immerhin zehn Jahre noch Lebenszeit für die Menschen herausgeholt, also Arbeitslebenszeit, und haben sicherlich auch gute Verträge noch bekommen. Aber letztendlich wurde das Werk geschlossen.
Das Problem für die anderen Standorte wird natürlich sein: Je kleiner man ist als Konzern, umso schwieriger wird die Auseinandersetzung sein. Und trotz alledem ist es wichtig, auch zu lernen, wie es bei uns abging, und dass jetzt alle Möglichkeiten, alle politischen, gewerkschaftspolitischen, aber auch juristischen Möglichkeiten geprüft werden, wie weit man General Motors zwingt, hier auch die Menschen nicht zu vergessen, die ja letztendlich die Autos gebaut haben und unschuldig sind an der Entwicklung, die man bei Opel erlebt und die General Motors jetzt als Vorwand nimmt.
"Dass hier keine Menschen und keine Werke auf der Strecke bleiben"
Heuer: Sie haben damals, Herr Einenkel, sehr hoch gepokert und es gab Kritik daran auch aus der Arbeitnehmerschaft. Aber trotzdem heute im Rückblick und mit dem, was jetzt bevorsteht, würden Sie den Mitarbeitern, den Betriebsräten an den Standorten diese Strategie empfehlen, hoch pokern, Druck machen?
Einenkel: Wir haben damals nicht hoch gepokert, weil für uns stand ja immer im Raum, dass wir Schließungskandidat sind, einfach weil man ein Werk weghaben wollte, damit die anderen Werke gesichert sind. Es wäre besser gewesen, wenn man gemeinsam zusammengestanden hätte. Dann wäre es sicherlich etwas anders gelaufen. Es geht hier nicht ums hoch pokern. Es geht einfach darum: Es gibt bestehende Verträge. 2013 hat man Standortsicherungsverträge für alle deutschen Opel-Werke abgeschlossen. Bis zum Jahre 2022 sollen diese Werke erhalten bleiben, sogar aufgebaut und aufgestockt werden. Jetzt geht es darum, auch juristisch zu klären, dass diese Verträge nicht infrage gestellt werden. Die Politik ist gefordert, denn 2009 ohne die Kredite der Landes- und Bundesregierung wäre Opel damals schon nicht mehr lebensfähig gewesen, und hier ist auch verlangt, dass hier General Motors Rechenschaft ablegt. Es müssen sich gleichzeitig auch die Gewerkschaften zusammentun mit den Belegschaften und müssen schauen, weil es geht ja auch noch um Bochum, nämlich gemeinsam mit allen Standorten - wir haben ja hier das große Ersatzteillager -, dass hier keine Menschen und keine Werke auf der Strecke bleiben.
Heuer: Herr Einenkel, Opel hat ungefähr 18.000 Beschäftigte in Deutschland. Glauben Sie, dass viele von denen arbeitslos werden?
Einenkel: Das ist die Befürchtung fast aller Experten, die sich mittlerweile geäußert haben, und fast alle sagen, dass mit diesem Deal, der zwischen dem großen französischen, fast halben Staatskonzern und Opel, der jetzt eingespielt wird, möglicherweise gerade die deutschen Opel-Werke auf der Verliererseite stehen werden, und das ist anzunehmen, dass man hier sicherlich vielleicht auch deutsche Werke ganz akut bedroht sehen muss.
"Wir haben ja eine riesengroße Tradition mit Opel und Automobilbau"
Heuer: Was geht in Deutschland verloren, wenn Opel französisch wird?
Einenkel: Zum einen geht eine ganze Menge verloren, auch was mit diesem Namen Opel verbunden ist. Wir haben ja eine riesengroße Tradition mit Opel und Automobilbau. Und es geht auch ganz viel verloren für die Menschen selbst, die ja - und wir haben es ja erlebt - jetzt vielleicht für eine lange Zeit auch Angst haben müssen, Sorgen haben müssen und sich in Auseinandersetzungen befinden. Auch da geht ganz viel verloren für die Menschen selber, nämlich an Zukunftshoffnung, an Perspektive, an Sicherheiten, die man ja auch braucht, um vernünftig leben zu können. Und für die Regionen geht sehr viel verloren, wenn Standorte geschlossen werden, wenn Zulieferer ihren Konzern verlieren, an den sie liefern. Da gibt es schon gravierende Auswirkungen, die sicherlich diese Regionen nachhaltig negativ verändern werden.
Heuer: Rainer Einenkel, der ehemalige Betriebsratsvorsitzende von Opel Bochum. Ich danke Ihnen für das Gespräch.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.