Die S-Bahnzüge aus Cascais nach Lissabon rattern über die Gleise. Manche sind schon sechzig Jahre alt, im Sommer fällt immer mal wieder die Klimaanlage aus, technische Probleme führen zu Verspätungen und Zugausfällen. Fehlende Investitionen machen sich aber nicht nur bei der portugiesischen Eisenbahn bemerkbar. Das gesamte öffentliche Verkehrssystem leidet unter dem jahrelangen Sparzwang, sagt Miguel Gaspar, Stadtrat für Mobilität im Lissabonner Rathaus:
"Als die Troika vor sieben Jahren nach Portugal kam, wollte sie vor allem die Staatsausgaben kürzen. Die Folge: Die Einnahmen der öffentlichen Verkehrsmittel im Großraum Lissabon stammten zu nur noch zehn Prozent aus öffentlichen Mitteln. Zum Vergleich: In Berlin sind es rund 60, in Barcelona 50 Prozent. Durch den drastischen Sparzwang konnten die Verkehrsbetriebe noch nicht einmal den Erhalt der Fahrzeuge garantieren. Bei der Lissabonner U-Bahn fehlten plötzlich Ersatzteile, es wurden keine Räder nachbestellt und die Wartung der Motoren wurde immer wieder aufgeschoben."
"Als die Troika vor sieben Jahren nach Portugal kam, wollte sie vor allem die Staatsausgaben kürzen. Die Folge: Die Einnahmen der öffentlichen Verkehrsmittel im Großraum Lissabon stammten zu nur noch zehn Prozent aus öffentlichen Mitteln. Zum Vergleich: In Berlin sind es rund 60, in Barcelona 50 Prozent. Durch den drastischen Sparzwang konnten die Verkehrsbetriebe noch nicht einmal den Erhalt der Fahrzeuge garantieren. Bei der Lissabonner U-Bahn fehlten plötzlich Ersatzteile, es wurden keine Räder nachbestellt und die Wartung der Motoren wurde immer wieder aufgeschoben."
Höhere Arbeitslosigkeit, weniger Pendler
Das merkten auch die Fahrgäste, aber in der Finanzkrise erhöhte die konservative Regierung trotz der immer schlechteren Qualität der öffentlichen Verkehrsmittel die Fahrpreise, und das wirkte sich direkt auf die Nachfrage aus: Die portugiesische Eisenbahn verlor zwischen 2008 und 2013 etwa ein Fünftel ihres Personenverkehrs. Dass wegen der höheren Arbeitslosigkeit weniger Menschen pendelten, trug dazu bei. Seit die Wirtschaft in Portugal wieder brummt, sind die Fahrgastzahlen jedoch nicht wesentlich angestiegen. Die Portugiesen fahren lieber Auto. Jeden Tag rollen nun rund 370.000 Fahrzeuge in die portugiesische Hauptstadt mit direkten Folgen für Straßen, Luft und Anwohner.
In den Metropolen Porto und Lissabon setzt jetzt ein Umdenken ein. Für nur 40 Euro wird es in Lissabon ein Monatsticket für den gesamten Großraum geben, das auch für die vielen kleinen, meist privaten Transportunternehmen in den Außenbezirken gilt. Die Regierung hat im Haushalt 2019 über 80 Millionen Euro für die Maßnahme bereitgestellt. Stadtrat Miguel Gaspar spricht von einer Revolution, die nötig ist, um den öffentlichen Nahverkehr attraktiver zu machen:
Das Rad zurückdrehen
"Unser Hauptproblem ist: Wir haben zu wenig Fahrgäste. Wir hoffen, dass wir nun mit der neuen Preispolitik das Rad zurückdrehen und bald sogar zu viele Fahrgäste haben."
Doch nicht alle Verkehrsexperten teilen den Optimismus der Regierenden in Portugal. David Vale ist Professor für Stadtplanung und Mobilitätsfragen an der Universität Lissabon. Er unterstützt zwar moderne Verkehrskonzepte, wie sie in der portugiesischen Hauptstadt zurzeit umgesetzt werden, um den öffentlichen Raum von Autos zu befreien, doch er glaubt nicht, dass allein durch die neue Preispolitik der öffentliche Nahverkehr in Portugal boomen wird. Schließlich, so der Verkehrsexperte, ließe sich ein tiefgreifendes gesamtgesellschaftliches Problem dadurch nicht einfach so lösen:
"Die Portugiesen haben sich alle vom Auto faszinieren lassen, sowohl die Bürger als auch die Politik. In anderen Ländern Europas sind die Bürger auch vom Auto fasziniert, aber die Politik hat auf den Ausbau öffentlicher Verkehrsmittel gesetzt. In Portugal hat sich dadurch der Zustand des öffentlichen Verkehrswesens verschlechtert, und anstatt von der Politik einen besseren Service zu fordern, haben die Portugiesen gesagt: "Ist mir egal, ich kauf mir einfach ein Auto." Dadurch hat sich auch das Profil der Fahrgäste verändert. Vor 20, 30 Jahren ist der überwiegende Teil der Portugiesen Bus und Bahn gefahren, auch in der Mittelschicht. Heute scheinen die öffentlichen Verkehrsbetriebe das Transportmittel der sozial schwächeren Bevölkerung zu sein. Und in dieser Entwicklung ähnelt Portugal eher den USA als anderen europäischen Ländern."