Deutschland verfehlt seine Klimaziele. Das gilt für alle Sektoren – vor allem aber für den Verkehrsbereich. Nach einem Bericht des Expertenrates für Klimafragen, den die Bundesregierung eingesetzt hat, hat Deutschland seine Treibhausgasemissionen in den Jahren 2000 bis 2021 um 27 Prozent reduziert – der Verkehrssektor kam allerdings nur auf eine Reduktion von 18 Prozent.
Um die Klimaziele des Jahres 2030 zu erreichen, müsste Deutschland die Geschwindigkeit der CO2-Reduktion insgesamt mehr als verdoppeln. Im Verkehrssektor würde eine Verdopplung hingegen noch lange nicht reichen, hier müssten die Emissionen 14-fach so schnell sinken wie bisher. Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck (Grüne) fordert von Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) nun mehr Engagement für das Klima.
Wie deutlich verfehlt der Verkehrssektor die Klimaziele?
Nach dem novellierten Klimaschutzgesetz 2021 darf der Verkehrssektor im Jahr 2030 nur noch 85 Millionen Tonnen CO2 emittieren. Im Jahr 2021 hat der Verkehrssektor rund 148 Millionen Tonnen CO2 ausgestoßen - drei Millionen Tonnen mehr als für das Jahr vorgegeben war.
Drei Millionen Tonnen sind keine riesige Abweichung, der Expertenrat für Klimafragen der Bundesregierung betont aber, dass die Jahre 2020 und 2021 vor dem Hintergrund der Maßnahmen zur Eindämmung der Covid-19-Pandemie betrachtet werden müssen. Durch Homeoffice und Co. waren die Menschen deutlich weniger mobil, in den Lockdowns waren die Straßen zeitweise nahezu leer.
Im Zeitraum von 2000 bis 2009 waren die Emissionen zunächst gesunken und stiegen dann bis zum Jahr 2017 wieder an. 2019, also im Jahr vor Beginn der Corona-Pandemie, lag der Ausstoß des Verkehrssektors bei 164 Millionen Tonnen CO2. Schaut man sich den Gesamtdurchschnitt für die Jahre von 2000 bis 2021 an, ergibt sich trotz der pandemiebedingten Reduzierung kein positiver Trend: Jährlich reduzierten sich die Emissionen im Durchschnitt um nur eine halbe Millionen Tonnen CO2. Um das Ziel für den Verkehrssektor zu erreichen, wäre allerdings eine Reduktion um sieben Millionen Tonnen pro Jahr nötig – also eine Vervierzehnfachung der Geschwindigkeit.
Welchen Anteil haben die einzelnen Verkehrsmittel an den Emissionen?
Nach der Analyse des Expertenrates für Klimafragen macht der Straßenverkehr 97 Prozent der Gesamtemissionen des Verkehrssektors aus. Zu bedenken ist dabei, dass nur der nationale Luftverkehr in die Bilanz eingeht. Fernreisen per Flugzeug sind also hier nicht berücksichtigt. Zudem werden beim Flugverkehr nur die direkten CO2-Emissionen erfasst. Bei Flügen werden jedoch auch Stickoxide und Wasserdampf ausgestoßen, das führt zu sogenannten Nicht-CO2-Effekten, die die Klimawirkung von Flügen um den Faktor zwei bis fünf erhöhen.
Die Emissionen des Straßenverkehrs wiederum stammen zu 60 Prozent von Pkw – diese machen also den Großteil der gesamten Emissionen des Verkehrssektors aus.
Und die Trends der vergangenen Jahre versprechen hier keine großen Reduktionen für die Zukunft. Der durchschnittliche Kraftstoffverbrauch von neu zugelassenen Verbrennern hat zwar bis 2016 abgenommen, stagniert aber seitdem. Immer weiter zugenommen haben hingegen die Motorleistung und die Leermasse neuer Fahrzeuge. 2019 stellten die tendenziell besonders schweren SUV (Sport Utility Vehicle) erstmalig den Spitzenreiter bei den Neuzulassungen. Und auch die Zahl der Verbrenner nimmt in Deutschland Jahr für Jahr immer weiter zu. Elektro- und Hybrid-Fahrzeuge haben in den vergangenen Jahren kaum Verbrenner ersetzt, sondern kamen häufig als Zweit- oder Drittauto dazu. Erst ab dem Jahr 2020 sieht der Expertenrat für Klimafragen einen Trend, dass Elektroautos anstelle von Verbrennern angeschafft wurden.
Zudem legen die Deutschen Jahr für Jahr mehr Kilometer zurück. Die Pandemie hat diesen Trend unterbrochen, dieser Effekt wird aber vermutlich nicht von Dauer sein. Die Zunahme der Mobilität entfällt vor allem auf Bahn und Flugzeug, die gefahrenen Kilometer in Pkw stagnieren immerhin. Der Expertenrat stellt aber auch fest: "Eine Verlagerung von motorisiertem Individualverkehr zum öffentlichen Straßenverkehr oder auf die Schiene ist bisher nicht zu erkennen."
Welche Maßnahmen sind im Gespräch?
Nachdem der Verkehrssektor das Ziel für 2021 verpasst hatte, war das Verkehrsministerium aufgefordert, Sofortmaßnahmen vorzulegen, um gegenzusteuern. Bundesverkehrsminister Volker Wissing hat das Programm im Juli 2022 vorgestellt. Nach seinen Worten gleicht es die Differenz vollständig aus und führt den Verkehrssektor "zurück auf den Pfad der Einhaltung der Klimaziele."
Klimaminister Robert Habeck (Grüne) bewertet das allerdings anders und ist damit nicht alleine. Auch ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages kommt nach einem Bericht des Handelsblattes vom 2.1.2023 zu dem Ergebnis, dass die Vorgaben des Klimaschutzgesetzes nicht eingehalten werden. Habeck sagte bei seiner Kritik an Wissings Maßnahmen, dass man 2023 über weitere Maßnahmen diskutieren müsse.
Diese Maßnahmen hat das Verkehrsministerium bereits vorgeschlagen
Das Verkehrsministerium möchte die Ladeinfrastruktur für Elektroautos stärken und setzt darauf, dass das den Anreiz zum Kauf von Elektroautos steigert. Im Güterverkehr sollen CO2-senkende Zusatzausstattungen bezuschusst werden. Daneben sollen der Rad- und Fußverkehr und auch der ÖPNV gestärkt werden.
Laut dem Verkehrsministerium könnten durch diese Maßnahmen bis zu 13 Millionen Tonnen CO2 eingespart werden.
Tempolimit auf Autobahnen
Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) ist dagegen, die Grünen sind dafür und die Debatte wurde schon häufig geführt. Das Thema könnte nochmal aufgewärmt werden, weil der Verkehrssektor in Klimafragen bisher nicht liefert.
Laut einer Studie des Umweltbundesamtes könnte ein generelles Tempolimit auf Bundesautobahnen 1,9 bis 5,4 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr einsparen:
130 km/h = 1,9 Millionen Tonnen (CO2-Äquivalente)
120 km/h = 2,6 Millionen Tonnen
100 km/h = 5,4 Millionen Tonnen
120 km/h = 2,6 Millionen Tonnen
100 km/h = 5,4 Millionen Tonnen
Quellen: Expertenrat für Klimafragen, Bundesministerium für Digitales und Verkehr, Jörg Münchenberg, pto