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Verkehrsclub: Autoindustrie will keine Niedrigliterautos

Gerd Lottsiepen vom Verkehrsclub Deutschland sagt, dass die Industrie zu wenig von der Politik gedrängt werde, in effiziente Technik zu investieren. Die Autoindustrie setzte auf große Fahrzeuge, weil sie mit diesen am leichtesten Geld verdiene. Eine Wende ließe sich jedoch durch festgeschriebene Verbrauchsgrenzwerte erreichen.

Gerd Lottsiepen im Gespräch mit Susanne Kuhlmann | 02.04.2012
    Susanne Kuhlmann: So viel Auto wie nötig und so wenig Auto wie möglich - das ist das Motto des VCD, des Verkehrsclubs Deutschland. Umsteigen auf Bus, Bahn und Fahrrad, wann immer es geht - auf die Idee kommen in diesen Wochen aber auch eingefleischte Autofahrer angesichts weiter kletternder Preise für Diesel und Superbenzin. VW will im kommenden Jahr ein Einliterauto auf den Markt bringen, ein neuer Versuch, sich mit einem sparsamen Modell zu positionieren. Das Dreiliterauto scheiterte vor Jahren. Warum setzen sich extrem sparsame Wagen nicht durch? - Die Frage geht an Gerd Lottsiepen, den verkehrspolitischen Sprecher des VCD. Herr Lottsiepen, wollen die Hersteller möglichst nur teuere Modelle verkaufen, oder wollen die meisten Autofahrer lieber PS-stark unterwegs sein?

    Gerd Lottsiepen: Vor einigen Jahren, als VW das Dreiliterauto auf den Markt gebracht hatte, war zweifellos zu wenig Werbung für dieses Fahrzeug gemacht worden. Dieses Fahrzeug war auch von der Konzeption her nicht wirklich verbraucherfreundlich. Ziel war, unbedingt unter drei Litern zu landen, bei 2,99, dafür war dann aber keine geteilt umlegbare Rücksitzlehne mehr drin. Hätte man damals dieses Auto auf den Markt gebracht mit einem Verbrauch von 3,2 Litern, dann hätte es 2000 bis 30000 Euro billiger sein können, das wäre besser gewesen. Und dann wären wir heute, wenn man konsequent weiterentwickelt hätte, tatsächlich bei Autos, die unter drei Litern sind, aber das war damals - und das haben halt viele Experten auch gesagt -, die Autoindustrie will das eigentlich nicht wirklich, die will weiter ihre großen schweren Fahrzeuge verkaufen, weil mit denen verdienen sie am leichtesten viel Geld.

    Kuhlmann: Aber das Gros der Autofahrer möchte es offenbar auch nicht, denn es gibt ja relativ sparsame Autos zumindest.

    Lottsiepen: Ja, das ist auch schwierig von der Werbung her. Wir und andere Umweltorganisationen wie die DUH, wir haben damals, also auch schon früher, als es mal einen Eco-Golf gab, Testkäufe gemacht und waren in den Autohäusern, und die haben einem eigentlich dann immer die herkömmliche Technik empfohlen. Und wenn man jetzt nicht als ausgewiesener Experte dahin kommt - die Autoverkäufer, man glaubt denen ja. Und wenn die einem sagen, na ja, das sind alles Fahrzeuge, ganz neu, die haben schlimme Kinderkrankheiten, und überhaupt, da gibt es jetzt den neuen TDI, der ist ganz super, so wurden Leute halt überredet, eben nicht in diese Spritspartechnik einzusteigen.

    Kuhlmann: Wie ließe sich denn eine Wende auslösen, auch in den Köpfen der Autokäufer?

    Lottsiepen: Eine Wende ließe sich dadurch auslösen, dass die Politik endlich mal vernünftige Verbrauchsgrenzwerte festschreibt. Das sind gleichzeitig CO2-Grenzwerte, weil der Ausstoß des Treibhausgases CO2 unmittelbar vom Verbrauch abhängt. Das würde unser Portemonnaie langfristig schonen. Am Anfang ist Spritspartechnik ein bisschen teurer, aber man hat die relativ schnell reingefahren. Das würde wirklich am nachhaltigsten wirken, weil die Leute wollen ja nicht Autos kaufen, die viel verbrauchen. Die Leute wollen Autos kaufen, die wollen bequeme Autos kaufen, wo viel Platz drin ist und alles Mögliche. Aber die Industrie tut zu wenig, sie wird auch zu wenig gedrängt von der Politik, tatsächlich in effiziente Technik zu investieren.

    Kuhlmann: Welche Möglichkeiten haben Autofahrer denn, sofort zu reagieren? Sie können langsamer fahren, sie können auch versuchen, spritsparender zu fahren. Wie denn?

    Lottsiepen: Ja! Es gibt Spritsparkurse, da kann man lernen, wie man von einer herkömmlichen Fahrweise locker auf eine Reduzierung von 20 Prozent kommt. Das wichtigste jetzt mal übers Radio gesagt ist, dass man so niedrigtourig wie möglich fährt. Wer einen Drehzahlmesser hat: In der Stadt kommt man mit 2000 Umdrehungen wirklich aus. Geprobte Fahrer brauchen noch weniger. Übersetzt auf Gänge heißt das jetzt, dass man in einer Tempo-30-Zone 30 im 3. oder 4. Gang fährt und Tempo 50 auf den Durchgangsstraßen fährt man im höchsten Gang, im 5. oder 6. Gang.

    Kuhlmann: Könnte Carsharing ein Ausweg sein?

    Lottsiepen: Carsharing ist natürlich ein Ausweg. Die entscheidende Frage ist ja, wie viel Auto man fährt, ob man ein eigenes Auto hat oder nicht. Es stellen ja immer mehr Menschen zumindest in den Metropolen, in den Großstädten mit einem guten öffentlichen Verkehr und mit einem einigermaßen vernünftigen Netz von Wegen, die man auch mit dem Fahrrad fahren kann, fest, dass sie ein Auto, ein eigenes Auto eigentlich nicht mehr brauchen. Und man kann dann natürlich, wenn man ein Auto braucht, Cars0haring nutzen, man kann Leihwagen nutzen oder auch ganz hervorragend, für viele Zwecke geeignet ist das Taxi. Und man hat dann immer noch im Vergleich zum eigenen Auto, wo die Abschreibung eigentlich der entscheidende Faktor ist, gespart.

    Kuhlmann: Umdenken gefragt angesichts der hohen Benzinpreise - so weit Gerd Lottsiepen vom Verkehrsclub Deutschland. Vielen Dank nach Berlin.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.