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Verkehrsexperte zu E-Mobilität
"Elektroauto darf nicht das Zweitauto sein"

Der Kauf von Elektroautos boomt in Deutschland. Wichtig sei, dass diese E-Autos nicht nur für kurze Strecken genutzt werden, sagte Verkehrsexperte Michael Müller-Görnert im Dlf. Es gebe inzwischen Fahrzeuge, die sich auch für lange Strecken eigneten.

Michael Müller-Görnert im Gespräch mit Georg Ehring |
Berlin, Elektromobilität, Elektroauto zapft Strom an Ladestation
"Nur in der Stadt alleine reicht nicht aus", sagt Michael Müller-Görnert zu Elektroautos (imago-images / Jürgen Ritter)
13,5 Prozent der neu zugelassenen Autos in Deutschland haben mittlerweile einen Elektromotor. Dabei werden allerdings auch Plug-in-Hybrid-Fahrzeuge mitgezählt. Der Anteil der rein batteriebetriebenen Fahrzeuge steigt besonders stark, hier hat sich die Zahl der Neuzulassungen im vergangenen Jahr verdreifacht. Das sei zunächst eine gute Nachricht, sagte Michael Müller-Görnert. Er ist Referent des Verkehrsclubs Deutschland für Verkehrspolitik, Klimaschutz und Luftreinhaltung im Verkehr. Aber das alleine reiche nicht aus.
So dürfe das Elektroauto nicht das Zweitauto sein, sondern es müsse schnell den Verbrenner ersetzen. Die überwiegenden Fahrleistungen fänden nicht in der Stadt statt, sondern im überregionalen Verkehr. Inzwischen gebe es aber auch Fahrzeuge, die auf Langstrecken eingesetzt werden können, sagte Müller-Görnert. Grundsätzlich müsse anders gefahren und öfter mal eine Pause eingelegt werden - was ohnehin nach zwei Stunden Fahrzeit der Fall sein sollte. Zudem gebe es genügend Apps, die die nächsten Ladesäulen anzeigten, so der Experte.
Im Bild ist Cem Özdemir Bündnis 90/Die Grünen während eines Interviews im deutschen Bundestag zu sehen.
Özdemir (Grüne): "Der Hybrid muss aus der Schmuddelecke"
Cem Özdemir (Grüne) sieht eine große Bereitschaft in Deutschland für mehr Elektromobilität, allerdings müsse endlich der Rahmen dafür verbessert werden.

Das Interview im Wortlaut:
Georg Ehring: Ist der Boom der Elektromobilität eine gute Nachricht für die Umwelt?
!Michael Müller-Görnert:!! Erst mal ist es eine gute Nachricht, weil wir brauchen dringend den Antriebswechsel im Pkw-Bereich, den brauchen wir natürlich später auch bei Lkw, also bei Nutzfahrzeugen. Aber im Pkw-Bereich erst mal ist es auch wichtig, dass wir da einen Antriebswechsel schaffen. Klar ist auch, das Elektroauto alleine reicht nicht für den Klimaschutz.
Ehring: Elektroautos werden ja dann oft als Zweitwagen gekauft. Ich kaufe mir zusätzlich ein Elektroauto, um in der Stadt umweltfreundlich unterwegs zu sein, sodass es vielleicht auch mehr Autos gibt. Dämpft das den Effekt?
Müller-Görnert: Klar ist natürlich, dass das Elektroauto nicht das Zweitauto sein darf, sondern es soll dann irgendwann auch wirklich schnell den Verbrenner ersetzen, weil nur darauf kommt es an. Und wenn wir sehen, dass ja die überwiegenden Fahrleistungen eben nicht in der Stadt passieren, sondern in den überregionalen Verkehren, also Pendlerverkehren. Oder wenn wir an den klassischen Dienstwagennutzer denken, der also Langstrecken auf der Autobahn fährt, da müssen wir ran, dass dort auch die Fahrzeuge emissionsfrei fahren. Nur in der Stadt alleine reicht nicht aus.
Ehring: Sind die Elektroautos denn schon so weit, dass sie das können?
Müller-Görnert: Es gibt inzwischen einige Fahrzeuge, die auch Langstrecken zurücklegen können, aber es geht auch, glaube ich, darum, dass die Leute, die ein Elektroauto kaufen, auch grundsätzlich anders fahren müssen und auch eine andere Philosophie haben müssen, wie auch weite Strecken bewältigt werden können. Dann muss man halt öfter mal eine Pause einlegen zum Nachladen, aber man soll ja auch nach zwei Stunden eigentlich eine Pause machen. Insofern kann man auch im Elektroauto lange Strecken fahren, inzwischen gibt es genügend Apps, die halt auch zeigen, wo ist die nächste Ladesäule, ist die vielleicht sogar besetzt oder frei. Und insofern muss das alles genutzt werden, dann können lange Strecken mit dem Elektroauto problemlos gefahren werden. Und dennoch muss man auch sagen, dass über 80 Prozent aller Wege in Deutschland deutlich kürzer als 100 Kilometer, das kann man locker mit einem Elektroauto fahren.

"Plug-in-Hybride sind eine Mogelpackung"

Ehring: Hybrid-Fahrzeuge werden ja aus Umweltsicht viel kritisiert, aber auf der anderen Seite als Kompromiss gelobt für Menschen, die ein rein elektrisches Auto noch nicht verwenden können. Haben die einen Umweltvorteil oder beruhigen die nur das schlechte Gewissen?
Müller-Görnert: Wir beim VCD haben da eine ganz klare Position. Plug-in-Hybride, darum geht es ja eigentlich, die man auch extern aufladen kann, sind in der Regel eine Mogelpackung, weil sie das Versprechen, dass man also größere Strecken dann elektrisch zurücklegen kann, wirklich nicht halten, weil es scheitert letztendlich daran, dass die Fahrzeuge nicht nachgeladen werden. Und wir sehen ja auch, dass diese Plug-in-Hybride vor allem im gewerblichen Bereich angeschafft und eingesetzt werden. Und dort ist es tatsächlich so, dass viele Firmen nach wie vor nur Tankkarten haben, aber eine Ladekarte eigentlich nicht. Und diese Geschichten, dass immer noch die Ladekabel originalverpackt im Kofferraum liegen nach zwei, drei Jahren, wenn der Leasingvertrag ausläuft, die sind nicht gerade so selten, und das findet immer noch statt. Insofern müssen Plug-in-Hybride dann auch regelmäßig auch geladen werden, damit sie auch was bringen. Aber in vielen Fällen ist das reine Elektroauto eben doch effizienter und damit umweltschonender.
Zwei Elektroautos werden an einer Ladesäule geladen. 
Bessere Gesetze statt immer mehr Fördergeld
Um den Ausbau der Ladeinfrastruktur für E-Autos voranzubringen, will die Bundesregierung ein neues Förderprogramm auflegen. Das ist ein bekanntes Muster, kommentiert Silke Hahne. Das Problem wird damit aber nicht gelöst.
Ehring: Beide werden ja derzeit mit hohen Subventionen in den Markt gedrückt. Ist das richtig aus Ihrer Sicht?
Müller-Görnert: Klar ist, manche Technologien brauchen am Anfang irgendeinen Anschubfinanzierung, aber wir können uns das auch vorstellen, dass die Förderung wieder zurückgefahren wird, weil letztendlich geht es um Steuergelder. Und wenn wir sehen, dass sich dann vor allem Gutverdiener und Firmen dann die Elektroautos kaufen, dann ist schon die Frage, jemand, der halt wenig verdient, der kauft sich ein Elektroauto, zahlt aber trotzdem über seine Steuern einen gewissen Anteil daran. Gut, das gibt es in anderen Bereichen auch, aber man muss halt schauen, dass zunehmend die Rahmenbedingungen insgesamt für Elektrofahrzeuge anders verbessert werden. Da sagen wir ganz klar, das muss über die Kfz-Steuer gehen, dass es halt da Bonus-Malus-Regelungen gibt, die aufkommensneutral dann einen Bonus gibt für Autos, die wenig Emissionen verursachen, auf der anderen Seite Autos, die einen hohen CO2-Ausstoß haben und damit das Klima stärker belasten, auch mehr kosten müssen. Da traut sich die Bundesregierung nicht ran, nimmt lieber die Allgemeinheit, die dann für den Bonus des Elektroautos aufkommt.

Ausstiegsdaten für die Verbrenner

Ehring: Bis wann sollten wir denn aus dem Verbrenner aussteigen? Da werden ja sehr verschiedene Daten genannt, es gibt auch Forderungen nach einem Verbot der Neuzulassung von Autos mit Verbrennungsmotoren beispielsweise ab 2025, ab 2030 oder 2035.
Müller-Görnert: In einigen Ländern weltweit, die auch immer mehr werden, sind ja schon Daten gesetzt. Verbindlich ist, glaube ich, in den wenigsten Ländern bisher so ein Ausstiegsdatum, aber dennoch ist die Richtung klar. Es geht dahin, dass wir künftig keine Neuzulassungen mehr bei Verbrennern sehen werden in vielen wichtigen Märkten. Da muss sich die Autoindustrie drauf einstellen. Und die EU wird jetzt auch im Sommer einen Vorschlag vorlegen, wie die CO2-Grenzwerte für 2030 nachgeschärft werden, weil sie haben ja jetzt ein schärferes Klimaziel insgesamt gesetzt, das heißt, da muss auch der Verkehr sich dem anpassen. Und da muss die Richtung vorgegeben werden, EU-weit ist spätestens Anfang, Mitte der 2030-er Jahre Schluss mit Neuzulassungen bei Autos mit Verbrennungsmotoren.

"Öffentlicher Verkehr bildet das Rückgrat"

Ehring: Wir reden jetzt wieder über Autos, über Autos mit einem neuen Antrieb. Aber zum Verkehr gehören ja auch Busse und Bahnen, das Fahrrad, die öffentlichen Verkehrsmittel werden in Zeiten von Corona immer weniger genutzt. Wie sehen Sie die Lösung im Verhältnis zu Elektroautos. Brauchen wir die öffentlichen Verkehrsmittel noch in dem Umfang?
Müller-Görnert: Auf jeden Fall, weil klar ist, dass das Elektroauto alleine nicht die Lösung ist, um unsere Probleme im Verkehr sowohl beim Klimaschutz, aber auch was die Staus, Unfälle und Luftreinhaltung angeht. Vielerorts erleben wir ja, dass die Städte voll sind mit Autos, das gibt Nutzungskonflikte zum Fahrrad, weil mehr Menschen fahren inzwischen Fahrrad. Und wir können ja nicht die Verkehrswege in den Städten mehren, deswegen ist ganz klar, wir brauchen hier auch die Verkehrswende, dass also ein Wechsel hin zu einer anderen Mobilität passiert. Und da ist es auch klar, dass der öffentliche Verkehr das Rückgrat bildet, weil er halt sehr viele Personen transportieren kann im Verhältnis zur Fläche und da ist einfach der ÖPNV unschlagbar.
Aber andererseits kann es vielleicht nutzen, durch die ganzen Möglichkeiten, die wir jetzt durch das Homeoffice haben, durch mobiles Arbeiten, das entlastet ja auch gerade die morgendlichen Berufsspitzen, das heißt, dann ist der Verkehr insgesamt nicht mehr zu den Stoßzeiten so viel, das entlastet auch den öffentlichen Verkehr, dann müssen nicht so viele Fahrzeuge eingesetzt werden. Oder aber, auch wieder aus Corona-Sicht gedacht, dann ist auch mehr Platz in den öffentlichen Verkehrsmitteln, wenn eben nicht zu Stoßzeiten viele Menschen unterwegs sind. Insgesamt ist klar, wir brauchen weniger Verkehr, um unsere Mobilität aufrecht zu erhalten, aber das geht nur, wenn der öffentliche Verkehr gut ist, da müssen wir aber noch Ausweitungen haben, was die Qualität und Häufigkeit angeht. Und wir müssen bessere Bedingungen haben in den Städten für den Fahrradverkehr und für Fußgänger.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.