"Also so eine Lichtsignalanlage, wie das so im Fachchinesisch heißt, kennt eigentlich die Norm nicht, hatte ich extra nochmal nachgeguckt."
Reinhold Goss steht an der Ecke Maastrichter Straße / Hohenzollernring in der Kölner Innenstadt. Die Stadt hat die Kreuzung umgestaltet. Unter anderem gibt es jetzt eine blinkende gelbe Ampel mit einem Fahrrad.
"Ein blinkendes Gelb steht immer alleine. Hier haben wir jetzt ja eigentlich Grün bekommen - und es blinkt. Und worauf soll es hinweisen? Es soll darauf hinweisen, dass hinter der Ampel noch Radfahrer kommen können, mit denen wir zusammenstoßen könnten!"
Was sich in der Tat erst erschließt, wenn man gegenüber beinahe mit einem Fahrrad zusammenstößt.
"Ich verstehe es nicht - wer hat sich das ausgedacht?"
Raser auf dem Ring
Reinhold Goss ist Verkehrsaktivist. Er organisiert in Köln die Initiative "RingFrei". Die verlangt, dass die Ringstraße um die City, ein ehemals prachtvoller Boulevard, umgebaut wird. Das Ziel: Weniger Platz für Autos, mehr Platz für Fahrrad- und Fußgängerverkehr. Goss blickt auf das etwas regellose Verkehrsgeschehen: Autos biegen am Verbotsschild vorbei auf den Ring ab, Radler überqueren die Straße nach Gutdünken.
"Sie fahren so, wie sie das in Köln halt so machen. Man wurschtelt sich so durch. Das hat für manche den Charme, und für andere ist das anstrengend bis wirklich gefährlich. Das ist hier ein Unfallschwerpunkt. Und wir haben das Raser-Problem zudem noch. Vor vielen Jahren ist der Sohn des damaligen Oberbürgermeisters hier zu Tode gekommen. Also wir sind hier an einem Teil des Ringes, wo auch wirklich schlimme Unfälle passieren."
"Sie fahren so, wie sie das in Köln halt so machen. Man wurschtelt sich so durch. Das hat für manche den Charme, und für andere ist das anstrengend bis wirklich gefährlich. Das ist hier ein Unfallschwerpunkt. Und wir haben das Raser-Problem zudem noch. Vor vielen Jahren ist der Sohn des damaligen Oberbürgermeisters hier zu Tode gekommen. Also wir sind hier an einem Teil des Ringes, wo auch wirklich schlimme Unfälle passieren."
Die Initiative "RingFrei" hat sogar die örtlichen Gewerbetreibenden für sich gewonnen: Das ist für Verkehrsgruppen stets ein ganz großer Schritt. Immerhin hat man schon durchgesetzt, dass Fahrradfahrer die holprigen, teils lebensgefährlichen Radwege am Ring nicht mehr benutzen müssen, sondern streckenweise auf den Straßenasphalt dürfen.
Der Diesel-Skandal, die Stickoxid-Belastung und die Angst vor Fahrverboten hat die Diskussion über eine Verkehrswende in der ganzen Republik angeheizt – sogar in Köln, das stadtplanerisch irgendwo in der Nachkriegszeit stecken geblieben ist. Die Oberbürgermeisterin Henriette Reker, parteilos, aber Grünen-nah, gab jüngst in den Tagesthemen zu Protokoll:
"Also wir müssen natürlich insgesamt sagen: mehr Fahrradverkehr, wir müssen die die Innenstadt vom Fahrzeugverkehr so frei wie möglich machen, alles das haben wir in den nächsten Jahren vor."
Nun haben Kölner gelernt, die Wortfolge "in den nächsten Jahren" mit "jedenfalls nicht in diesem Leben" zu übersetzen. Von ihrer OB kennen sie vor allem das Bekenntnis zur Angst vorm Radeln. Auf der Fahrradkonferenz Radkomm erklärte Reker zuletzt:
"Ich bin heute Morgen wieder einmal mit dem Auto gekommen. Mir ist das Radfahren in Köln zu gefährlich, das habe ich voriges Jahr gesagt, und mir ist es immer noch zu gefährlich. Ich fahre gern im Urlaub mit dem Rad."
Allerdings hat Köln jetzt eine neue Verkehrsdezernentin aus Düsseldorf importiert, Andrea Blome, die bei selber Gelegenheit etwas forscher auftrat:
"Also ich bin ja nicht aus Köln, ich komme aus einer benachbarten Stadt, die die Kölner besonders liebhaben. Und daher frage ich mich natürlich ständig: warum? Warum hat man hier in den letzten zehn, fünfzehn Jahren so wenig gemacht?"
Autos raus, Räder rein
Es werde nun Zeit, so Blome, "den Verkehrsraum anders aufzuteilen, dem Autofahrer tatsächlich etwas wegzunehmen, um dann auch die Anziehungskraft für Autos zu verringern, ohne jetzt den Stau in irgendwelche Wohngebiete zu verlagern."
Und genau das wird jetzt zum ersten Mal in Köln passieren. Auf der Ulrichgasse, Teil der Nord-Süd-Achse durch die Innenstadt, soll im November je eine Fahrspur in beide Richtungen zum Fahrradstreifen umgewidmet werden. Gemäß dem neuen Radverkehrskonzept von 2016 will Köln jetzt Radlern das Fahren auf den schnellen Hauptschlagadern und nicht nur auf den stillen Seitenstraßen ermöglichen.
Der Kölner Fahrradbeauftragte Jürgen Möllers erklärt, das neue Radverkehrskonzept sei mehr als ein weiterer schöner Plan, der, wie so oft in Köln, laut verkündet wird, um ihn dann in der Verwaltung versacken zu lassen:
"Der wird umgesetzt."
"Bis wann?"
"Über 50 Prozent in zehn Jahren. Das war die Zielvorgabe."
Möllers ist so zuversichtlich, weil die Stadt sein Personal verdoppelt hat.
"Das war das erste Mal in Köln, dass bei so einem Konzept direkt die Umsetzung durch zusätzliche Stellen mit beschlossen wurde. Wir haben gesagt: So ein ehrgeiziges Konzept werden wir nebenbei nicht mit dem vorhandenen Personal machen. Das war der entscheidende Punkt."
Der Fahrradbeauftragte gibt zu, dass die Ulrichgasse für den Autoverkehr ohnehin überdimensioniert ist. Der Verlust von zwei Spuren wird den Autofahrern hier nicht wehtun – zumal auch keine Parkplätze bedroht sind.
Profis kümmern sich ums Parken
"Die Diskussion, die Sie überall haben, egal, wie groß die Stadt ist – sobald Sie an ruhenden Verkehr gehen, dann wird’s richtig schwierig. Wie sagte mein ehemaliger Professor immer: Die Anfänger bei der Verkehrsplanung kümmern sich um den fließenden Verkehr, und die Profis um den ruhenden."
Die Fahrrad-Aktivisten der Stadt beobachten daher gespannt, ob die Straßenbemalung sich auch dort ändern wird, wo die Autos – die fahrenden wie stehenden - bislang den kompletten Raum beanspruchen.
"Ich sehe das nicht, dass wir in der ausreichenden Geschwindigkeit hier Lösungen auf die Straße bringen", sagt Reinhold Goss von "RingFrei".
Der Vorsitzende des Fahrradverkehrsclubs ADFC Köln, Joachim Schalke, weiß zwar um den Optimismus des Fahrradbeauftragten. Er selbst wägt jedoch seine Worte:
"Das Konzept ist in der Substanz gut. Wir haben natürlich weitergehende Ideen und Bedürfnisse, das haben wir auch diskutiert. Nur das Konzept muss umgesetzt werden. Das ist die Hürde, die genommen werden muss."