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Verkehrspolitik
Keine Fahrverbote mehr für die Madrider Innenstadt

In Madrid will die neue konservative Stadtregierung die Fahrverbote in der Innenstadt wieder lockern. Ab heute werden die gerade erst verhängten Zufahrtsverbote wieder aufgehoben - zumindest vorübergehend. Viele Einwohner sind empört und gingen am Wochenende auf die Straße.

Von Marc Dugge |
Ein prächtiger Panoramablick über Madrid
Verkehr in Madrid soll wieder ungehindert fließen (Florian Wehde/Unsplash)
Madrid am Samstagnachmittag. Die Stadt ächzt unter 40 Grad im Schatten. Kein Wetter, bei dem man gern demonstriert. Und doch sind Tausende Menschen auf der Straße."Ja zu Madrid Central", rufen sie. Madrid Central, so heißt das Programm, das in den vergangenen Monaten viel Verkehr aus der Innenstadt verbannt hat. Die Demonstranten wollen, dass das so bleibt: "Wir haben deutlich gespürt, wie der Verkehr verschwunden ist", sagt eine Frau dem Sender La Sexta. "Weniger Lärmbelastung, weniger Luftverschmutzung - und jetzt stellt der Bürgermeister alles wieder auf den Kopf."
Tatsächlich hat Madrids neuer konservativer Bürgermeister José Luis Martínez Almeida keinerlei Sympathien für Madrid Central, das Prestigeprojekt seiner linken Vorgängerin Manuela Carmena.
Weltweite Aufmerksamkeit
Seit Ende November durften besonders große Abgasschleudern nur noch mit Ausnahmegenehmigung ins Zentrum fahren. Auf der berühmten "Gran Vía" opferte die Stadt Fahrstreifen für breitere Bürgersteige und Bäume. Außerdem verhängte sie im Zentrum eine ganze Reihe von Zufahrtsbeschränkungen.
Das Ziel: Den Autoverkehr aus der Innenstadt verbannen - und so die chronisch schlechte Luft in Madrid verbessern. Das entschiedene Vorgehen gegen den Smog sorgte in der ganzen Welt für Aufsehen.
Bürgermeister ist auf ganzer Linie enttäuscht
Bürgermeister Almeida will trotzdem kein gutes Haar an dem Projekt lassen: "Wir haben es immer klar gesagt: Madrid Central ist ein gescheitertes Experiment. Es darf nicht weiter das Leben in dieser Stadt bestimmen. Denn es hat nicht die Ergebnisse gezeigt, die sich einige erhofft haben."
Umweltschützer widersprechen: Zwar sei die Belastung mit Stickoxiden nicht wie erwartet gesunken. Das liege aber daran, dass es in den ersten drei Monaten so gut wie nicht geregnet habe. Ansonsten sei die Luft sehr wohl deutlich besser geworden - und der Autoverkehr in der Stadt spürbar zurückgegangen.
Doch Almeida hat im Wahlkampf versprochen, Madrid Central zu beenden - und will sich an dieses Versprechen auch halten. Von heute an dürfen Autofahrer wieder unbesorgt ins Stadtzentrum fahren, ohne Geldbußen befürchten zu müssen. Zumindest in den kommenden drei Monaten, danach will Almeida weitersehen.
Die Wut über dieses Moratorium ist bei Inés Sabanés besonders groß. Die frühere linke Verkehrsdezernentin hat Madrid Central mit entworfen. Sie wirft Almeida Überheblichkeit vor. Es gehe ihm nur darum, zu zerstören - um des Zerstörens willen.
Mit dem Hammer schlagen, statt an der Schraube drehen
Almeida sollte einlenken und den Menschen zuhören, fordert Inés Sabanés. Und auch der Chef der Nationalen Verkehrsdirektion, Pere Navarro, drängt den Bürgermeister zur Kehrtwende: "Wir würden uns doch lächerlich machen. Ob man Madrid Central nun gut oder schlecht findet: Auf jeden Fall steckt viel Arbeit und Anstrengung darin, das sollte nicht umsonst gewesen sein. Sicher muss man Dinge korrigieren und verbessern. Aber es ganz abzuschaffen - das würde niemand in Europa verstehen!"
Tatsächlich bekommt Almeida auch Druck von der Europäischen Union. Der Stadt droht ein Strafverfahren, sollte es ihr nicht gelingen, die Luftqualität zu verbessern. Almeida hat versprochen, sich an die Vorgaben aus Brüssel zu halten. Wie er das genau anstellen will, hat er allerdings noch nicht verraten.