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Verlag Lensing verklagt "dortmund.de"
"Staat und freie Presse sind zwei Baustellen"

Der Verlag Lensing verklagt den Online-Auftritt der Stadt Dortmund - er verstoße gegen das Grundgesetz. Volkmar Kah vom DJV NRW bestätigte im Dlf, dass "Gemeinden keine Berichterstattung wie die freie Presse betreiben" dürften. Allerdings hätten sich die Verlage dieses Problem selbst geschaffen.

Volkmar Kah im Gespräch mit Antje Allroggen |
    Ein Mann liest die "Ruhr Nachrichten"
    "Ruhr Nachrichten" (picture-alliance/ dpa/dpaweb)
    Antje Allroggen: Selbst so kurz vor Weihnachten wird noch gestritten. Gerade hat sich die Stimmungslage zwischen den Verlagen und den Öffentlich-Rechtlichen ein wenig beruhigt, da bricht neuer Tumult auf. Dieses Mal zwischen den Verlagen und den Kommunen.
    Denn nicht nur die Öffentlich-Rechtlichen entwickeln sich zu einer wirtschaftlichen Bedrohung für Zeitungen und Zeitschriften, auch das Online-Angebot vieler Kommunen betrachten einige Medienhäuser als rechtswidrige Konkurrenz.
    Jüngstes Beispiel: Der Dortmunder Verlag Lensing, Herausgeber der "Ruhr-Nachrichten", geht gegen das Online-Angebot der Stadt Dortmund vor und ist bereits im Herbst damit vor Gericht gezogen. Das wurde erst jetzt bekannt. Ihr Vorwurf: Das Angebot von dortmund.de verstoße gegen das Grundgesetz. Über den Dortmunder Pressestreit habe ich mit dem Geschäftsführer des nordrheinwestfälischen DJV-Landesverbands Volkmar Kar gesprochen. Und an ihn ging zunächst die Frage: Worum geht es in diesem Rechtsstreit genau? Geht es - ähnlich wie im Fall der Tagesschau App oder auch beim Streit um den Online-Auftritt von Radio Bremen - um den Vorwurf der Presseähnlichkeit?
    Volkmar Kah: Nein, das tut es an der Stelle nicht. Presseähnlichkeit ist tatsächlich ein Streitpunkt zwischen den Verlagen und den öffentlich-rechtlichen Medien. An dieser Stelle geht es eher um das Thema von Staatsferne von Presse. Es gibt von jeher die klassischen Amtsblätter, die wir vielleicht alle noch kennen, wo Gemeinden, wo Städte ihre Mitteilungen und Satzungen, Verordnungen und ähnliche Bekanntmachungen veröffentlicht haben. Die waren Teil der Zeitungen als Beilage oder aber sind jetzt im Internet.
    Allroggen: Das waren ja in analoger Form ziemliche Bleiwüsten.
    Kah: Exakt, aber es waren halt Informationspflichten. Die sind es ja bis heute. Genau diese Informationspflichten - die sind auch zulässig. Was neu ist und was man immer mehr zur Kenntnis nimmt. Was nicht nur der Verlag Lensing zur Kenntnis nimmt, sondern auch an anderen Stellen in Baden-Württemberg zum Beispiel zur Kenntnis genommen wird, ist, dass es Amtsblätter gibt mit redaktionellen Inhalten - sowohl gedruckte als auch Online. Dass heisst, dass da einzelne Kommunen oder auch Behörden wie die freie Presse über normale Ereignisse berichten, Tipps geben zu Veranstaltungen, Hintergrundberichte bringen. In manchen gibt’s sogar Anzeigenwerbung. Damit konkurrieren sie mit der freien Presse.
    Gemeinden dürfen keine Berichterstattung wie die freie Presse betreiben
    Allroggen: Wenn wir uns das Beispiel mal angucken dieser Dortmund.de-Seiten. Heute stieß man auf der Seite auf einen schönen Tannenbaum vom Dortmunder Weihnachtsmarkt im Querformat. Darunter waren dann einige bebilderte Artikel, unter anderem über ein Freiluftkonzert der Dortmunder Philharmoniker im kommenden Sommer, den Haushaltsplan für 2018 der Stadt. Das sieht wirklich nach dem aus, was sie gerade beschrieben haben. Also, das ist nicht mehr dieses klassische Amtsblatt, sondern dort finden auch redaktionelle Inhalte statt. Darf das Amtsblatt das? Und darf dortmund.de das aus Sicht des DJV?
    Kah: Ich kann den konkreten Fall bei dortmund.de und Lensing-Wolff nicht beurteilen. Das müssen Gerichte tun. Was ich sagen kann, ist, dass Gemeinden wegen des Grundsatzes der Staatsferne keine Berichterstattung wie die freie Presse betreiben dürfen. Berichte die mit Aufgaben der Gemeinde nicht zu tun haben, sind tabu. Spannend ist die Frage, wie kommt’s überhaupt dazu? Ich meine, die Stadt Dortmund macht das ja nicht, weil sie Spaß daran hat, selber Nachrichten zu machen.
    Allroggen: Hat das was mit der Lage der Medien in der Stadt zu tun? Die Ruhr-Nachrichten sind ja die einzige in Dortmund verbliebene Tageszeitung. Manche kritisieren ja, dass gerade die Regionalseiten des Blatts nicht immer auf großes Interesse der Leserschaft stoßen. Ist da was vernachlässigt worden an regionaler Berichterstattung?
    "Verlage haben Lücke hinterlassen, in die Kommunen springen"
    Kah: Fakt ist, dass sich die Verlage aus der Region zurückgezogen haben, dass sie damit selbst das Feld aufgemacht haben und die Lücke hinterlassen haben, in die jetzt Kommunen und andere springen. Deswegen könnte man sagen, sind die Verlage eigentlich selber Schuld. Gleichwohl, und darauf muss man hinweisen: das Gebot der Staatsferne ist wichtig. Wir wollen in Deutschland aus gutem Grund keine staatlichen Medien. Deswegen ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk auch so konzipiert, wie er ist. Es gibt in Deutschland das Gebot, dass Staat und freie Presse zwei Baustellen sind. Da sind den Kommunen Grenzen gesetzt. Da sind wir gut beraten, dass wir diese Grenzen uns genau angucken. Und im Zweifel auch einschreiten. Ich will ein anderes Beispiel bringen: das ist das Beispiel von Polizei und Feuerwehr. Da gibt es in den letzten Jahren - gab es in den letzten Jahren - eine Tendenz, dass die Pressesteuerung von Polizei und Feuerwehr bei Großeinsätzen, bei Einsätzen selbst intensiv berichtet haben, Text und Bild geliefert haben an die Redaktionen. Das hat Wettbewerb gebracht für viele freie Kolleginnen und Kollegen. Das führt dann aber auch dazu, dass über einen Unfall, über einen Polizeieinsatz nicht mehr der unabhängige Journalist berichtet, sondern die Polizei selber. Das kann nicht im Interesse von Unabhängigkeit von Medien, das kann nicht im Interesse der Staatsferne sein.
    Allroggen: Wie war es denn bei diesen Beispielen, die Sie gerade genannt haben - Feuerwehr und Polizei? War da eine ähnliche Gegenwehr der Verlage?
    Kar: Leider nur sehr begrenzt. Nein. Das ist der Punkt, wo ich dann sage: Da müssten die Verlage auch mit einer Stimme reden und konsequent sein. Natürlich hat man die Nachrichten der Polizei und der Feuerwehr dann gerne genommen und in die eigenen Blätter gehoben, weil sie dann günstiger waren, als freie Journalisten zu beschäftigen. Ich muss gleichwohl dazu sagen: Wir haben damals als Deutscher Journalistenverband intensiv das Gespräch gesucht mit dem Innenministerium und mit den Behörden, um Sensibilität zu erzeugen. Das ist, hoffe ich, in den meisten Fällen gelungen, dass man da seitens der Behörden vorsichtiger geworden ist.
    Allroggen: Rechnen Sie also 2018 nicht damit, dass die Klagewelle der Verlage weitergeht?
    Kah: Das ist der Blick in die Glaskugel. Zurück auf den konkreten Fall in Dortmund: Das ist jetzt das Thema "Staatsferne". Da ist es sicherlich schwieriger, mit hunderten von Kommunen in Deutschland zu reden. Insofern muss man so was vielleicht mal im Klagewege klären. Ich bin gespannt auf das Urteil. Ich glaube, dass es gut ist, ein Signal zu haben in Richtung der Kommunen, dass sie aufpassen müssen, dass sie nicht ihre Aufgabe als Staat mit der Aufgabe von Berichterstattung verwechseln.
    Volkmar Kah ist Geschäftsführer des DJV Nordrhein-Westfalen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.