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Verlegerstreit
Beide Parteien müssen eine Schiedsvereinbarung treffen

Die Klage gegen die Tagesschau-App sei ein gutes Beispiel dafür, welchen Konflikten sich das Leipziger Medienschiedsgericht annehmen könnte, sagte dessen neuer Präsident Christian Berger im Dlf. Man könne Lösungen mithilfe von Instrumenten finden, die das staatliche Gericht in der Form nicht habe.

Christian Berger im Gespräch mit Stefan Fries | 04.12.2017
    Ein Schild weist auf den Sitz des Deutschen Medienschiedsgerichts (DMS) am 15.09.2017 in Leipzig (Sachsen) hin. In der Villa der Sparkassen Medienstiftung sitzt auch das Europäische Zentrum für Presse- und Medienfreiheit. Im ersten Jahr seines Bestehens hat das Medienschiedsgericht noch keine Streitigkeiten in der Branche geschlichtet.
    Im ersten Jahr seines Bestehens hat das Medienschiedsgericht noch keine Streitigkeiten in der Branche geschlichtet. ( Jan Woitas / dpa-Zentralbild / dpa)
    Stefan Fries: Wenn nun - sagen wir mal - ein Verlag und ein Rundfunksender zu Ihnen kommt: Was macht ein Schiedsgericht anders als ein normales Gericht?
    Christian Berger: Das Schiedsgericht unterscheidet sich grundlegend vom staatlichen Gericht dadurch, dass die Parteien sehr viel mehr Einfluss auf das Verfahren haben. Die Parteien bestimmen nicht nur die Schiedsrichter, sondern sie bestimmen auch das Verfahren und dabei spielt dann auch die Frage der Vertraulichkeit des Verfahrens eine große Rolle. Das sind drei Punkte, die einen deutlichen Unterschied zum herkömmlichen staatlichen Gerichtsprozess ausmachen.
    Fries: Wie gehen Sie dann weiter vor im konkreten Verfahren?
    Berger: Wenn ein Verfahren oder zwei Parteien sich an das Schiedsgericht wenden, wird man die Frage aufwerfen, welche Schiedsrichter in Betracht kommen diesen Konflikt zu lösen. Da ist es die Aufgabe des Präsidenten hier gute Vorschläge zu machen in Abstimmung mit den Parteien. Die Entscheidung selbst liegt natürlich bei den Streitparteien selbst.
    Fries: Seit Anfang des Jahres gibt es das Schiedsgericht. Ein Verfahren hat es bisher aber noch nicht gegeben. Warum nicht?
    Berger: Ich habe nicht damit gerechnet, dass gleich viele Verfahren auf uns zurollen. Hintergrund ist der, dass ein Schiedsgericht nur dann angerufen werden kann, wenn beide Parteien eine entsprechende Schiedsvereinbarung getroffen haben. Die Schiedsvereinbarung ist praktisch die Grundvoraussetzung, um überhaupt zu einem Schiedsgericht gehen zu können. Solche Schiedsvereinbarungen finden sich in der Regel in Verträgen, in Lizenzverträgen, in Produktionsverträgen, in Arbeitsverträgen, die die Beteiligten schließen. Vor dem Hintergrund dauert es sehr lange, weil natürlich nicht immer sofort, wenn ein Vertrag geschlossen worden ist auch ein entsprechender Streit zwischen den Beteiligten ausbricht. Das ist i.d.R. nur eine zeitliche Brücke zwischen Vertragsschluss und dem Streit. Hinzukommt, dass die Schiedsrichtsbarkeit vor dem deutschen Medienschiedsgericht ein neues Produkt ist, ein neues Angebot und wir müssen das bekannt machen. Es muss also bekannt sein unter den Beteiligten der Medienwirtschaft, dass es da eine weitere Möglichkeit gibt, Konflikte zu lösen und auch das braucht Zeit.
    Medienschiedsgericht ist flexibler als staatliches Gericht
    Fries: Das heißt, hier ging es jetzt um direkte Vertragspartner, aber wenn, um noch mal auf ein Eingangsbeispiel zurückzukommen, ein Verlag gegen einen Sender klagt, dann haben die ja gar keine Vereinbarung vorher miteinander geschlossen. Die können aber trotzdem zu Ihnen kommen?
    Berger: Das ist richtig. Wir eröffnen auch die Möglichkeit, dass sogenannte Adhoc-Streitigkeiten vor das Schiedsgericht kommen, aber auch das setzt eben voraus, dass beide Streitparteien immerhin soweit in Konsens sind, dass sie vor das deutsche Medienschiedsgericht gehen und dort ihren Streit lösen lassen wollen.
    Fries: Ordentliche Gerichte versuchen ja auch die Streitparteien dazu aufzufordern, sich außergerichtlich zu einigen: also, die Klage der Verleger gegen die Tagesschau-App zum Beispiel. Da hat das Landgericht Köln die beiden Seiten mehrmals dazu aufgerufen, sich außergerichtlich zu einigen, was sie dann am Ende nicht getan haben. Das klingt aber doch sehr nach Schiedsgericht eigentlich, oder?
    Berger: Richtig. Dafür sind wir auch da. Genau solchen Konflikte würden wir uns annehmen und hoffentlich eine Lösung bereitstellen können durch Instrumente, die das staatliche Gericht so nicht hat, z.B. durch die Einholung von Rechtsgutachten durch Mediatonselemente. Alles, was ist etwas flexibler im deutschen Medienschiedsgericht als in der staatlichen Gerichtsbarkeit.
    Vor staatlichen Gerichten wird nur die Vergangenheit entschieden
    Fries: Jetzt gibt es ja im Moment den großen Streit zwischen den Verlegern auf der einen Seite und den öffentlich-rechtlichen Rundfunksendern auf der anderen Seite. Die einen wollen, dass die anderen weniger im Internet machen und die Sender selber würden aber gerne ein bisschen mehr machen und ein bisschen mit Text. Jetzt hat man das Gefühl, dass da die Fronten verhärtet sind. Es gibt aber noch keinen richtigen Rechtsstreit. Gäbe es auch da Chancen für ein Medienschiedsgericht bei solchen grundsätzlichen Fragen vermittelnd einzugreifen?
    Berger: In der Tat. Die Frage der Tagesschau-App oder dieser Märkte auf denen sich die unterschiedlichen Medienunternehmen bewegen dürfen. Das ist ein dynamischer Prozess. Wir beobachten, dass vor den staatlichen Gerichten immer nur die Vergangenheit entschieden wird. Wo wir eigentlich hin müssen ist, eine Abstimmung zwischen den Beteiligten zu finden im Wege des Konsenses für zukünftige Befugnisse der Beteiligten. Gerade dafür eignen sich natürlich Konfliktlösungselemente, die wir im Medienschiedsgericht zur Verfügung stellen besser als ein schlichter Prozess vor dem Landgericht. In diesem konkreten Fall jetzt sind noch weitere Akteure beteiligt, nämlich die Ministerpräsidenten und die Landtage. Besteht da auch eine Möglichkeit, solche Akteure miteinzubeziehen? Die besteht durchaus, denn es sind die Parteien, die das Verfahren bestimmen. Die Parteien haben die Möglichkeit im Rahmen von Vorgesprächen ihre Interessen darzulegen und auch weitere Beteiligte und auch Interessenträger zu benennen. Auch hier ist das Schiedsverfahren flexibler als der staatliche Prozess.
    Verständigungen schaffen
    Fries: Das heißt, man könnte das tatsächlich auch einsetzen, um in diesem Fall einen Rundfunkstaatsvertrag mitauszuhandeln oder sogar eine Gesetzesvorlage?
    Berger: Soweit würde ich vielleicht nicht gehen, denn das sind spezifisch - auch vor dem Hintergrund parlamentarischer Mitwirkung und auch anderer Mitwirkung gedachter Elemente - aber man könnte im Rahmen bestehender Regelwerke Verständigungen schaffen. Immerhin würde man ein Forum finden, indem solche Gespräche moderiert und vielleicht auch zu Teillösungen geführt werden können.
    Fries: Das Medienschiedsgericht in Leipzig wartet noch auf erste Aufträge. Seit voriger Woche ist Christian Berger der Präsident des Gerichts. Mit ihm habe ich vor der Sendung gesprochen.