"Da fühlt man eine große Verantwortung für das, was man macht", sagt der Pianist Pierre-Laurent Aimard über die Einsamkeit des Künstlers auf dem Konzertpodium.
"Sie sind der einzige, der Verantwortung trägt, das ist faszinierend. Kann man einsam sein mit ein paar tausend Leuten, die einen intensiven Abend erleben wollen."
Seit er fünf ist, spielt Aimard Klavier, schon mit neun Jahren überredete er seinen Vater, ihn zum damals bereits berühmten Avantgardekomponisten Pierre Boulez zu fahren. Wiederum zehn Jahre später, 1976, lud Boulez den jungen Pianisten dazu ein, Gründungsmitglied des legendären Ensemble Intercontemporain für zeitgenössische Musik in Paris zu werden. 18 Jahre blieb Aimard dort und spielte nicht nur Klavier, sondern sämtliche Tasteninstrumente und verfolgte gleichzeitig seine Karriere als Solist.
"Ich habe meinem Weg gefolgt, denn es hat für mich Sinn gemacht. Ich mochte Schumann und Brahms, aber nur wenige haben Boulez und Carter gespielt. Wir haben auch eine kulturelle Rolle, an die jeder denken muss."
"Man sagt so oft, dass die klassische Musik konservativ ist. Die Geschichte verläuft sehr schnell. Das war der Fall während der Avantgarde und die Gesellschaft ist nicht so schnell. Die Zeit kommt, aber vielleicht viel später."
Bach ohne romantischen Dunst
Erst mit 50 wagte sich Pierre-Laurent Aimard an die öffentliche Aufführung der Werke Johann Sebastian Bachs. Auch hier setzt er auf eine klare, extrem analytische Deutung. Kein romantischer Dunst, er stellte den Konzertflügel eigens auf dämpfende Teller, um das Mitschwingen des Bühnenbodens zu verhindern.
"Ich fand, dass diese Musik so reich und komplex war und so viele Probleme zu lösen. Ich konnte mir nicht vorstellen, das früher zu machen. Aber das ist persönlich. Es gibt junge Interpreten, die Bach sehr gut spielen."
Aimards Aufnahmen der "Kunst der Fuge" und des "Wohltemperierten Klaviers" überraschten all jene, die ihn nur als Interpreten zeitgenössischer Musik wahrgenommen hatten. Ebenso wie bei seinen Beethoven-, Liszt- oder Debussy-Aufnahmen vertraute er auch bei Bach auf seinen eigenen künstlerischen Instinkt, seine Suche nach der musikalischen Wahrheit.
"Ich versuche, die zu finden, zu hören. Auf keinen Fall wird die musikalische Welt das diktieren. Ich will nicht, dass der Markt für mich wählt. Meine Interpretation soll mein Bewusstsein sein und nicht, was gefällt oder sich verkauft."
Aimard lässt sich nicht einengen
Boulez und Carter, Berg und Messiaen, die Klassiker des 20. Jahrhunderts und neu geschriebene Werke, dazu die Bandbreite des klassischen und romantischen Klavierrepertoires. Wenn es eine Konstante gibt in der Stückauswahl des Ernst von Siemens Musikreisträgers, dann die, dass er sich auf keinen Fall einengen lassen will.
"Ich finde, zu spezialisiert zu sein, ist begrenzt in dieser Welt. Diese Welt ist so vielfältig, sie lädt sie ein, selbst vielfältig zu sein."