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Verletzter Fotograf bei Demo in Düsseldorf
Innenminister verspricht Aufklärung

Ob ein dpa-Fotograf bei einer Demo in Düsseldorf gezielt mit einem Polizeiknüppel geschlagen wurde oder lediglich zwischen die Fronten geriet, ist unklar. Aber das Verhalten der Polizeikräfte verurteilt NRW-Innenminister Herbert Reul als „nicht richtig“.

Text: Annika Schneider/Felicitas Boeselager im Gespräch mit Annabell Brockhues | 01.07.2021
Polizisten begleiten einen Protestzug gegen das geplante Versammlungsgesetz für Nordrhein-Westfalen.
Der Polizeieinsatz bei der Düsseldorfer Demonstration hat ein politisches Nachspiel: NRW-Innenminister Herbert Reul äußerte sich im Landtag dazu (picture alliance/dpa/Roberto Pfeil)
Bei einer Demonstration am 26. Juni in Düsseldorf habe die Polizei einen Fotografen der Deutschen Presse-Agentur (dpa) angegriffen, möglicherweise auch einen Kollegen – dieses Narrativ fand sich kurz nach der Veranstaltung, die sich gegen ein geplantes neues Versammlungsgesetz richtet, in Medienberichten. Die Wortwahl legte die Interpretation nahe, Polizeikräfte hätten Pressevertreter womöglich gezielt attackiert. Bei näherem Hinsehen bleibt von dieser Darstellung wenig übrig.
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NRW-Innenminister Herbert Reul sagte in einer Sondersitzung des Innenausschusses am heutigen Donnerstag, der Journalist sei mit seinem Kollegen zwischen die Fronten geraten. Das berichtet die dpa selbst in einer Meldung, in der Reuls Schilderung des Vorfalls ausführlich wiedergegeben wird – allerdings durchgehend im Konjunktiv und ohne Stellungnahme des Betroffenen selbst. Demnach stand er zwischen Journalisten und Störern, und es müsse noch aufgeklärt werden, ob er geschlagen, geschubst oder weggedrängt worden sei.

Fotograf für Stellungnahme nicht zu erreichen

Was tatsächlich geschah, weiß der Fotograf wohl selbst am besten – einen Kontakt zu ihm stellte die dpa auf Anfrage bislang aber nicht her. Er schilderte seine Sicht der Dinge Anfang der Woche dem "Kölner Stadtanzeiger". Demnach sei er von einem Beamten mehrfach mit einem Schlagstock attackiert worden, obwohl er "klar als Journalist" erkennbar gewesen sei. Als er darauf hingewiesen habe, dass er von der Presse sei, habe der Polizist gesagt, das sei ihm "scheißegal".
Er habe Rippenprellungen davongetragen und gegen den Polizisten Strafanzeige erstattet, so der dpa-Mitarbeiter, der in dem Kölner Lokalbericht nicht namentlich genannt wird. Dem WDR zufolge spricht der Fotograf selbst allerdings nicht von einem Angriff. Er sei mit einem Schlagstock "aus dem Weg geräumt" worden, heißt es in einem WDR-Text, der vorher berichtet hatte, der Journalist sei "von der Polizei attackiert" worden und später korrigiert wurde.
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Dass eine Strafanzeige "zur Aufklärung des Sachverhalts" angefertigt wurde, bestätigte die Polizei Düsseldorf in einer Pressemitteilung. Im Polizeibericht sei das Vorgehen als "Abdrängen mit dem am Unterarm angelegten Einsatzmehrzweckstock gegen den Oberkörper" beschrieben worden, so Reul laut dpa. Ob der Vorfall strafrechtlich relevant sei, müsse noch entschieden werden. Der Innenminister sagte aber, die Einsatzkräfte hätten einen Weg finden müssen, an dem Fotografen "vorbeizukommen".
Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) in NRW begrüßte diese Äußerung, zitierte in einer Pressemitteilung aber auch seinen Landesvorsitzenden Frank Stach: "Übergriffe durch Polizeibeamte gegen Journalist:innen sind nicht hinnehmbar. Dabei ist es egal, ob mit dem Schlagstock abgedrängt oder tatsächlich geschlagen wurde."

Gewalt gegen Presse geht meist von Demonstrierenden aus

Konflikte zwischen Polizei und Presse bei Demonstrationen sind seit Jahren Thema – immer wieder kollidieren die Interessen der Einsatzkräfte und der Berichterstattenden. Erst Anfang Juni waren mehrere Journalistinnen bei Umweltprotesten in Berlin zwischenzeitlich festgesetzt worden.
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In fast allen Fällen, die zuletzt öffentlich diskutiert wurden, ging die Gewalt allerdings von Demonstrierenden aus – der Polizei wiederum wurde wiederholt vorgeworfen, Journalisten nicht ausreichend zu unterstützen. Das Europäische Zentrum für Presse- und Medienfreiheit in Leipzig listete im vergangenen Jahr 69 Fälle von tätlichen Übergriffen auf Medienschaffende in Deutschland, viele davon im Zusammenhang mit Veranstaltungen von Gegnern der Corona-Maßnahmen. Dass die Polizei Pressevertreterinnen besser schützen müsse, fordern Branchenverbände immer wieder.
Im Herbst haben sie einen Entwurf vorgelegt, der Verhaltensgrundsätze zur Zusammenarbeit von Polizei und Presse neu regeln soll. Die Innenministerkonferenz entschied vor kurzem, dazu eine Arbeitsgruppe einzusetzen, die sich bis zur nächsten Sitzung der Innenminister im Dezember mit dem Thema auseinandersetzt.