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Verletzter nach Schuss in Köln-Porz
Name des Beschuldigten tausendfach bei Twitter

Nachdem ein Kölner Lokalpolitiker auf einen Menschen geschossen haben soll, verzichteten viele Medien darauf, seinen Namen zu nennen - dafür taucht der in unzähligen Tweets auf. Aus journalistischer Sicht sei die Namensnennung nicht wichtig, sagte Helmut Frangenberg vom "Kölner Stadt-Anzeiger" im Dlf.

Helmut Frangenberg im Gespräch mit Brigitte Baetz / Text: Annika Schneider |
Symbolbild: Flatterband als Polizeiabsperrung
Im Kölner Stadtteil Porz soll ein Lokalpolitiker auf einen jungen Mann geschossen haben (Symbolbild) (imago images / Arnulf Hettrich)
Der Nachname eines bislang unbekannten Kölner Lokalpolitikers steht heute auf Platz 1 der meistgenannten Hashtags auf Twitter. Der Mann soll vor Silvester einen 20-Jährigen mit einer Schusswaffe verletzt haben.
Wie die dpa am 30. Dezember mit Berufung auf die Polizei berichtete, war der junge Mann in der vorangehenden Nacht von einem betrunkenen 72-Jährigen angesprochen worden. Nach einem kurzen Streit soll der Ältere mit einem Revolver auf den Jüngeren und seine Begleiter gezielt haben. Der 20-Jährige habe eine Schussverletzung an Schulter und Oberarm erlitten. In der Wohnung des Verdächtigen habe die Polizei fünf scharfe Schusswaffen sichergestellt.
Die meisten Medien hatten in ihrer Berichterstattung darauf verzichtet, den Namen des Beschuldigten zu nennen. Viele Twitter-Nutzer protestieren nun dagegen, indem sie den Nachnamen in Tweets explizit erwähnen. Außerdem kritisieren sie die Medien, die den Politiker anonymisiert haben.
Genaue Abwägung und Prüfung
Der Kölner Lokaljournalist Helmut Frangenberg hält die Aufregung für übertrieben. Die Namensnennung sei aus journalistischer Sicht nicht wichtig. Er berichtet für den "Kölner Stadt-Anzeiger" über den Fall.
Dort sei man in einer permanenten Abwägungssituation, in der man den Sachverhalt sehr genau prüfe: "Wir haben Hausjuristen, die uns da beraten." Die Redaktion habe sich dafür entschieden, bei der Namensnennung zurückhaltend zu sein.
Kein Prominenter, aber ein Volksvertreter
"Aber natürlich gucken wir sehr genau, was in den sozialen Medien läuft", sagte der Journalist. "Und wir stellen auch da fest, dass Menschen, die den Namen genannt haben, dann von Anwälten - wer auch immer das ist -, untersagt worden ist, den Namen zu nennen. Und die nehmen dann ihren Post wieder raus."
Der Mann sei kein echter "Promi", erklärte Frangenberg. "Er ist kein Mensch in herausragender Position. Andererseits ist er natürlich ein gewählter Volksvertreter, also durchaus ein Mann des öffentlichen Lebens, und deshalb prüfen wir das jeden Tag auch aufs Neue."
Reaktionen auch in rechten Foren
Die rechtliche Bewertung könne sich bei neuen Erkenntnissen auch noch ändern. Die Situation sei sehr ambivalent, weil der Name schon seit dem 31. Dezember im Netz kursiere – auch in rechtsextremen Foren, wo der Beschuldigte Applaus für die mutmaßliche Tat bekommen habe.
Außerdem sei er durch die Zeitungsberichterstattung ja identifizierbar: "Da muss keiner mehr groß recherchieren", sagte der Journalist. In dem genannten Gremium gebe es nur drei Männer der entsprechenden Partei.
Mühsame Recherche
Die Recherche sei schwierig gewesen, weil die Polizei und die Staatsanwaltschaft zwischen den Feiertagen nur schwer zu erreichen gewesen sei, berichtete der Redakteur. Die Redaktion habe mit vielen Akteuren zu tun, die "gleich wenig oder nichts sagen". Der Mann lasse sich von einer Strafverteidigerin vertreten. "Und dann ist wie vom heiteren Himmel gefallen eine bekannte Kölner Medienanwaltskanzlei mit eingestiegen, wo wir nicht so genau wissen, wie die ins Spiel kommt." Angeblich habe der Beschuldigte sie eingeschaltet, es könne aber auch seine Partei gewesen sein.
Außerdem sei von Anfang an klar gewesen, dass der Beschuldigte sich nicht äußern werde. Das sei eine schwierige Situation: "Wir haben da mit einem CDU-Politiker zu tun, der ein Mandat hat, der ein Volksvertreter ist, und der dann regelrecht abtaucht."
Update vom 9. Januar 2019, 16 Uhr: Kurz nach dem Interview hat sich der "Kölner Stadtanzeiger" dazu entschieden, den Namen des Verdächtigen doch zu nennen.