Was ist die WTO?
Die Welthandelsorganisation wurde 1994 mit dem Ziel gegründet, Handelshemmnisse abzubauen, Zollverfahren zu vereinfachen und die Einhaltung von Handelsregeln zu überwachen. Zu den Aufgaben der WTO gehört auch die Streitschlichtung: Es gibt ein eigenes Gremium zur Beilegung von Handelsstreitigkeiten zwischen den Mitgliedern. Das Verfahren gilt als größte Errungenschaft der WTO. Die Mitglieder machen davon intensiv Gebrauch, zunehmend auch die Entwicklungsländer.
Welche Streitigkeiten gibt es zwischen den Mitgliedern?
Zu Streit zwischen den Mitgliedsländern kommt es, wenn WTO-Abkommen unterschiedlich ausgelegt oder verletzt werden. Häufig geht es um Zölle.
- Zwischen der EU, verschiedenen Ländern Lateinamerikas und den USA hat es beispielsweise lange Streit um Importzölle für Bananen gegeben. Die EU verlangte Einfuhrgebühren von anderen Staaten, um ihren eigenen Bananenanbau - auf spanischen oder französischen Inseln - vor billigerer Konkurrenz zu schützen. Die WTO gab in einem Schiedsspruch einer Beschwerde der USA statt und verurteilte die EU-Importzölle.
- Ähnlich verlief der Streit um hormonbehandeltes Rindfleisch aus den USA, dessen Einfuhr die EU untersagt hatte, ohne wissenschaftlich fundierte Gründe dafür angeben zu können.
- Die USA klagten zudem gegen illegale Subventionen der EU für den Flugzeugbauer Airbus, die EU wiederum gegen US-Subventionen für den Konkurrenten Boeing.
- Die Philippinen beschwerten sich über thailändische Zölle auf Zigaretten aus den Philippinen.
- Die Ukraine warf Russland vor, den Transit von ukrainischen Waren durch Russland zu behindern.
Wie werden Streitigkeiten beigelegt?
Das Verfahren beginnt mit bilateralen Gesprächen zwischen den Streitparteien mit dem Ziel, doch noch eine einvernehmliche Lösung zu erreichen. Scheitert dieser Versuch, werden Schlichter eingesetzt, die Empfehlungen zur Beilegung des Streits aussprechen. Sie werden vom Streitbeilegungsgremium angenommen und damit verbindlich. Die Streitparteien haben dann die Möglichkeit, Berufung einzulegen. Etwa bei zwei Drittel aller Fälle rufen WTO-Mitglieder das Berufungsgremium an.
Das Berufungsgremium überprüft die Entscheidung der Schlichter auf Rechtsfragen und legt einen Bericht vor, der vom Streitbeilegungsgremium angenommen werden muss. Falls die unterlegene Partei den Empfehlungen der Schlichter oder des Berufungsgremiums nicht nachkommt, kann die andere Partei von der WTO die Erlaubnis für Handelssanktionen wie Strafzölle bekommen. Wegen der rechtswidrigen Airbus-Subventionen etwa muss die EU seit Oktober milliardenschwere US-Strafzölle hinnehmen.
Warum blockieren die USA das Berufungsgremium?
Die USA blockieren seit Jahren die Ernennung neuer Berufungsrichter, deren Zahl bereits von sieben auf drei geschrumpft war. Am 10. Dezember endete das Mandat von zwei weiteren Richtern, eine Einigung auf Verlängerung der Mandate gab es nicht. Das Berufungsgremium ist damit nicht mehr handlungsfähig, dem Streitschlichtungsverfahren der WTO droht Stillstand. Handelsexperte Martin Braml vom ifo-Institut erklärte im Deutschlandfunk, die Situation werde auf lange Sicht problematisch, wenn sich Entscheidungen stauten und Länder aus strategischen Gründen Berufung gegen ein Urteil einlegten, weil sie wüssten, die Berufungsinstanz könne gar nicht entscheiden.
Die USA monieren unter anderem die lange Verfahrensdauer der WTO-Urteile und dass die Berufungsrichter ihr Kompetenzen überschritten. Sie prüften nicht nur die ursprünglich von Schlichtern erzielten Urteile rechtlich, sondern schafften neues Recht durch ihre eigene Auslegung von WTO-Regeln. US-Präsident Donald Trump will Handelsdispute lieber im Alleingang lösen, unter anderem mit massiven Zöllen gegen China, die EU und andere Länder.
Was passiert künftig bei Handelsstreitigkeiten?
Die EU erwägt zwei Alternativen, um im Welthandel auch künftig Rechtstreue zu garantieren: bilaterale Abkommen zur Schaffung von Schiedsgerichten - was den Eindruck erwecken könnte, auch die EU habe kein Interesse am Multilateralismus mehr. Oder ein multilaterales Abkommen, an dem sich möglichst viele Staaten beteiligen - was dann wiederum so aussähe, als gäbe die EU auf die WTO keinen Pfifferling mehr. Ein Ausweg aus diesem Dilemma ist bislang nicht erkennbar. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat die Änderung einer wichtigen Richtlinie veranlasst, die es der EU ermöglichen würde, weit höhere Strafzölle zu verhängen, als dies die WTO-Regeln erlauben. Die EU rechnet offenbar mit einer drastischen Eskalation des Handelskonflikts mit den USA.