Spektakuläre Sprungwürfe aus dem Rückraum, Kreisläufer, die mit vollem Körpereinsatz versuchen, den Gegner abzuschütteln und Abwehrspieler, die ebenso kräftig dagegen halten: Handball ist ein harter Sport. Vielleicht zu hart? Zumindest für die Topspieler, die teilweise bis zu 80 Partien im Jahr spielen?
Die vielen Verletzungen scheinen das zu belegen, allein die aktuelle Ausfallliste der deutschen Handball-Nationalmannschaft ist imposant: Drei Spielmacher haben sich das Kreuzband gerissen, Fabian Wiede fällt wegen einer Schulter-OP aus, Steffen Weinhold hat eine Fersenverletzung.
Handball-Nationalspieler seien am stärksten belastet, erzählt Marcus Rominger im Dlf-Sportgespräch. Für "normale" Bundesligaspieler könne die Belastung besser gesteuert werden, sagt Rominger, der während seiner Zeit als Handball-Torhüter mehr als 400 Bundesliga-Spiele absolviert hat - zuletzt bei den Rhein-Neckar-Löwen. Heute arbeitet Rominger als Architekt und leitet unter anderem ehrenamtlich die von ihm mitgegründete Spielergewerkschaft GOAL - gemeinsam mit National-Torhüter Johannes Bitter.
Verletzungen an der Tagesordnung
Laut aktuellem Sportreport der Verwaltungs-Berufsgenossenschaft (VBG) sind Verletzungen allerdings auch in den ersten beiden deutschen Handball-Ligen an der Tagesordnung: Pro Saison erleiden die Spieler durchschnittlich fast drei Verletzungen. Nur im Fußball werden mehr Verletzungen gezählt, im Eishockey und im Basketball sind die Zahlen deutlich niedriger. Am häufigsten sind Knie-Verletzungen - besonders betroffen: das vordere Kreuzband.
"Wir haben ganz klar Ermüdungserscheinungen als Verletzungsfaktor", bestätigt Kai Fehske. Der Sportmediziner aus Würzburg sitzt unter anderem im Vorstand des Vereins Handball-Ärzte Deutschland und ist medizinischer Koordinator für den deutschen Handballbund. "Die meisten Verletzungen entstehen in den letzten zehn Minuten vor der Halbzeit", erklärt Fehske. Wenn ein Spieler "nicht mehr so agil ist und nicht mehr mit voller muskulärer Gegenspannung das Kniegelenk stabilisieren kann", so der Arzt, "dann kann es dazu kommen, dass das Kreuzband reißt."
Zu wenig Solidarität unter den Spielern?
Warum dann nicht den Spielplan verändern? Um die Belastung zu reduzieren - und damit auch das Verletzungsrisiko? Diskutiert wird unter anderem eine Verlängerung der Sommerpause und eine verpflichtende 72-Stunden-Pause zwischen zwei Spielen. In anderen Ländern wie etwa den USA seien lange Sommerpausen selbsverständlich, sagt Marcus Rominger, und auch in Deutschland könne das seiner Einschätzung nach durchgesetzt werden - zum Beispiel durch einen Spieler-Streik. "Das Potenzial wäre da", so Rominger, "aber die Solidarität ist noch nicht da."
Solange die Belastung weiterhin so hoch bleibt, komme es darauf an, sich als Spieler gut zu pflegen. "Leuchtendes Vorbild war für mich immer Matthias Andersson", erinnert sich Rominger. "Der war jeden Tag beim Ausmassieren, jeden Tag beim Ausdehnen." Diese professionelle Einstellung sei entscheidend, so Rominger. "Ich glaube aber, das fällt dem ein oder anderem schwer, weil wir neben dem Training auch immer noch versuchen müssen, ein Studium oder eine Ausbildung mit an den Tag zu bringen. Da hat es ein Fußballer im Zweifel leichter."
Eine Umfrage unter Juniorenspielern hat laut Fehske ergeben, dass bis zu 68 Prozent der Spieler Schmerzmittel nehmen. Eine Entwicklung, die Fehske als "dramatisch" bezeichnet. Die Behauptung, "dass Handballspieler nur vollgepumpt aufs Spielfeld gehen", sei jedoch "reichlich überzogen", sagt Rominger. "Es ist auch so, dass du den Spieler nicht auf das Feld prügelst. Das entscheidet der Spieler immer noch selber."
Kai Fehske gibt jedoch zu bedenken: Wenn sich Spieler beim Verein oder bei einem Folge-Verein empfehlen wollen, könne es durchaus zu Situationen kommen, in denen Spieler "aus eigenem Interesse früher spielen, als es medizinisch ratsam wäre." Er als Arzt habe in einem solchen Fall keinen allzu großen Einfluss: "Jeder hat das Recht darauf, seine eigene Gesundheit zu schädigen. Das muss man leider so sagen."
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.