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Vermächtnis eines Altmeisters

Ende vergangenen Jahres starb 81-jährig der amerikanische Filmregisseur Robert Altman. Sein Film "A Prairie Home Companion" kommt in unsere Kinos und heißt in deutscher Fassung "Robert Altman's Last Radio Show". Es geht um einen doppelten Abschied. Das letzte Werk eines Großen Kinomannes und den Abschied, die letzte Ausgabe einer amerikanischen Live-Radio-Sendung irgendwo in Minnesota.

Von Josef Schnelle | 08.04.2007
    Er muss gewusst haben, dass dies sein letzter Film werden würde. Robert Altman - Anführer und Leitfigur der Kinobewegung des New Hollywood - die den Autorenfilm auf die Tagesordnung der Filmmetropole gesetzt hatte und selbst Regisseur von rund 30 Meisterwerken der Filmkunst. Der Großsatiriker des Amerikanischen Kinos, dessen Spott sich mit heiligem Zorn über Hollywood und seine Archetypen - den Westerner, den Gangster, korrupte Politiker und heillos Gläubige des amerikanischen Traums ergossen hat, ist wenige Monate nach seinem Ehrenoskar für sein Lebenswerk im letzten November gestorben.

    Sonst wäre womöglich sein allerletzter Film, wie viele seiner großartigen aber anspruchvollen Werke zuvor - gar nicht mehr in die deutschen Kinos gekommen. Vom Bonus des soeben Verstorbenen will der Mini-Verleih Kool profitieren. Deswegen hat man dem Film den deutschen Titel "Robert Altman's last Radio Show" verpasst. Der Titel ist zwar gar nicht deutsch sondern deutsches Neu-Englisch aber man hätte auch gleich beim Originaltitel "A Prairie Home Companion" bleiben können. Das ist eine allerdings nur in Amerika bekannte live aufgezeichnete Radio-Show von Garrison Keillor, der auch das Drehbuch zu diesem Film schrieb, den Robert Altman mit großer Altermilde in Szene gesetzt hat.

    Der Film ist in jeder Minute ein Abschied. Die Live Radio-show irgendwo in Minnesota vor Publikum produziert steht vor dem Aus. Ein Vollstrecker des Investorenwillens steht schon vor der Tür. Guy Noir - ein Detektiv-Kerl wie aus der schwarzen Serie kommentiert:

    " Es hatte Ihnen nur noch keiner gesagt. Bis zu diesem Tag."

    Diese Show also - hier, heute und jetzt - soll die letzte sein.
    Garrison Keillor rotzt seine Ansagen mit erfundenen Werbebotschaften hin. Woody Harrelson und John C. Reilly gefallen sich als Cowboys mit schmutzigen gesungenen Kurzwitzen. Lily Tomlin und Meryl Streep mimen als die "Johnson-Sisters" zwei Country-Schwestern des gehobenen Kalibers. Und während die Show läuft werden ein paar Familiendramen gleich mit erledigt. Jolanda Johnsons Tochter Lola zum Beispiel wollte ihrer Mutter nie nacheifern, aber bei der letzten Show macht sie doch mit. Mit überraschendem Programm:

    "Willst du uns nicht auch ein Lied singen - sie handeln meistens vom Tod. "

    Und so singen und scherzen die Figuren in diesem Film heiter um die Wette. Und plötzlich erscheint das Ganze Altman-Universum in einem ganz speziellen Licht. All die sarkastischen Lektionen über menschliche Unzulänglichkeiten von "M.A.S.H" bis "Short Cuts", die Robert Altman uns erteilt hat, wirken plötzlich verklärt zum großen Menschentheater mit Sex, Lügen und dem Rennen nach dem Glück, das der Meisterregisseur beschwingt, quasi schon aus dem Jenseits zu einer großen heiteren höchst unterhaltsamen Show verquirlt.

    Man verlässt diesen Film um Einiges aufgeräumter, als man ihn betreten hat. Das Geheimnis der leichten Hand des großen alten Meisters von dem wir mit diesem Film leider Abschied nehmen müssen ist offensichtlich. Dies ist wirklich von der ersten Minute an und jede Sekunde ein Abschied und ein großes Geschenk. Das Leben findet im Hier und Jetzt statt. Im Film kann man das etwas länger genießsen.

    Und der Tod? Ja, es stimmt, es ist ein Film über den Tod, soll Robert Altman in einem Interview gesagt haben. Im Film gibt es einen Engel, der ein wenig fremd wirkt am Rande der Bretter des Musicaltheaters. Aber durch ihn - er ist eine sie in weißem Leder - spricht der Regisseur zu uns. Sie sagt: "Der Tod eines alten Mannes ist doch keine Tragödie. Vergebt ihm seine Unzulänglichkeiten und dankt ihm für all seine Liebe und Sorge um Euch."

    Das wollen wir gerne tun - und dass mir keiner diesen Film verlässt ohne nicht wenigstens ein Tränchen zu verdrücken.