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Vermessung von Gravitationswellen
LISA macht Hoffnung auf Erfolg

Im vergangenen Herbst wurden zum ersten Mal Gravitationswellen auf der Erde aufgefangen, die weitere Erkenntnisse bringen könnten über schwarze Löcher, Neutronensterne oder sogar den Urknall. Nun wollen Forscher mit Hilfe des Satelliten LISA Pathfinder Gravitationswellen im All ausfindig machen. Erste Messungen sind vielversprechend.

Von Frank Grotelüschen |
    3. Dezember 2015. Vom Weltraumbahnhof Kourou startet eine Rakete in den Nachthimmel. Zwei Stunden später koppelt sie einen Satelliten ab - LISA Pathfinder, eine achteckige Scheibe, Durchmesser zwei Meter. Seine Mission: ein Test für ein geplantes Gravitationswellen-Teleskop im All, Projektname LISA. Gravitationswellen sind winzige Rippel in der Raumzeit, erzeugt durch kosmische Gewaltprozesse - explodierende Sonnen, zusammenprallende Sterne, schwarze Löcher, die miteinander verschmelzen. Albert Einstein hatte ihre Existenz schon vor hundert Jahren vorausgesagt. Doch dass es sie wirklich gibt, weiß die Fachwelt erst seit Kurzem:
    "Die ersten Gravitationswellen haben Detektoren auf der Erde aufgefangen, und zwar im September 2015," sagt Karsten Danzmann, Direktor am Albert-Einstein-Institut in Hannover: "Es hat einige Zeit gedauert, bis wir uns sicher genug waren, das zu veröffentlichen. Am 11. Februar 2016 haben wir die Entdeckung bekannt gegeben."
    Die Messtechnik ist anspruchsvoll
    Damit war eine neue Spielart der Astronomie begründet - die Astronomie mit Gravitationswellen. Ihr Potenzial: neue Details enträtseln über schwarze Löcher, Neutronensterne oder sogar den Urknall. Bislang gibt es nur bodengestützte Detektoren, Lasersensoren mit bis zu vier Kilometern Länge. Deren Empfangsbereich aber ist beschränkt - ähnlich wie ein Radio, das nur ein paar Sender empfangen kann und nicht die ganze Bandbreite. Für die Gravitationswellen heißt das:
    "Von der Erde aus werden wir immer nur die kleinen, leichten Objekte beobachten können. Denn erdgebundene Detektoren sind nur für die hohen Töne empfindlich. Wenn man die wirklich großen, mächtigen Objekte im Universum, die superschweren schwarzen Löcher und den Urknall studieren will, dann muss man in den Weltraum und die niedrigen Frequenzen detektieren."
    LISA, so heißt das höchst ehrgeizige Projekt der Europäischen Weltraumagentur ESA. Das Konzept:
    "Drei Satelliten, die Laser und Teleskope tragen und dazwischen Millionen Kilometer Weltraum."
    Doch die Messtechnik ist anspruchsvoll. Insbesondere müssen die Spiegel, die die Laserstrahlen zwischen den Satelliten hin- und herwerfen, extrem ruhig in der Schwebe gehalten werden, ansonsten lässt sich keine zufällig vorbeieilende Gravitationswelle aufschnappen. Also musste eine Testmission die Messtechnik erproben - LISA Pathfinder. Im Inneren des Satelliten sollten zwei würfelförmige Testmassen frei schweben, ein Laser sollte den Abstand zwischen ihnen messen, und zwar mit extremer Präzision. Nach dem Start im Dezember hatte der Pfadfinder Anfang dieses Jahres sein Ziel in anderthalb Millionen Kilometern Entfernung von der Erde erreicht. Mitte Februar folgte ein heikler Schritt - das Ausklinken der Testmassen aus ihrer Halterung. Die Befürchtung:
    "Die Testmasse hätte einfach gegen die Wände knallen können, " sagt Gudrun Wanner vom Albert-Einstein-Institut, das maßgeblich an dem Projekt beteiligt ist.
    "Das war ein zittriger Moment, bei dem wir kräftig gefeiert haben, als es gut funktioniert hat."
    Die Messungen konnten beginnen. Um die Satellitendaten zu prüfen und zu analysieren, schoben die Forscher wochenlang Sonderschichten.
    "Es waren aufregende Zeiten. Wir hatten viel zu tun, wir haben viele Experimente gemacht. Im Februar haben wir schon gewusst, dass wir auf gute Dinge zusteuern. Im März war das dann deutlich klar."
    "Wir sind fertig, wir können LISA starten"
    Das bedeutet: LISA Pathfinder funktioniert deutlich besser als gedacht. Erwartet hatte Karsten Danzmann, dass der Lasersensor den Abstand zwischen den schwebenden Testwürfeln bis auf einen Pikometer genau vermessen kann, bis auf ein milliardstel Millimeter. Es kam viel besser:
    "Ach, Pikometer waren gestern. Wir messen auf Femtometer genau. Das Laserinterferometer ist einen Faktor von mehreren Hundert besser als alles, was wir uns vorgenommen hatten. LISA Pathfinder ist so empfindlich, dass es detektieren könnte, wenn sich ein Virus auf eine der Testmassen setzt und sie durch sein Gewicht aus der Bahn lenkt."
    LISA-Pathfinder habe seine Mission übererfüllt, sagt Danzmann. Und das bedeutet:
    "Wir sind fertig, wir können LISA starten. Im Prinzip brauchen wir nur Geld und den Willen, und wir können anfangen."
    Ursprünglich war der Start von LISA für 2034 geplant. Nun würden ihn die Forscher am liebsten vorverlegen auf 2028. Die Entscheidung darüber fällt wohl erst in vier Jahren. Eines scheint schon mal dafür zu sprechen: Die NASA, die zwischenzeitlich aus der Sache ausgestiegen war, will nun wieder einsteigen in das LISA-Projekt zur Vermessung der Gravitationswellen.