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Vermieterverband zu Kündigungsausschluss
"Schürt eigentlich völlig unnötig Panik"

Für Mieter soll es in der Coronakrise einen Kündigungsausschluss geben. Kai Warnecke vom Verband Haus und Grund hält den Gesetzesvorschlag der Bundesregierung für kontraproduktiv. Dieser bringe gerade unnötige Schärfe und Unsicherheit in die Diskussion, sagte er im Dlf.

Kai Warnecke im Gespräch mit Martin Zagatta |
Fassaden sanierter Altbauten in Leipzig Connewitz
Schon mit dem Ausfall von ein, zwei oder drei Monatsmieten hätten manche Vermeiter eine "rasante Unterdeckung", sagte Kai Warnecke vom Verband Haus und Grund im Dlf (dpa/Volkmar Heinz)
Wegen der Coronakrise will die Bundesregierung den Schutz von Mietern mit finanziellen Problemen verbessern. Ihnen soll nicht gekündigt werden dürfen, auch wenn sie Mietschulden haben. Das gilt zunächst für den Zeitraum April bis Ende Juni. Die Pflicht, die Miete zu bezahlen, bleibt aber grundsätzlich bestehen. Kai Warnecke vom Verband Haus und Grund kritisiert die Maßnahme. Er geht davon aus, dass Vermieter gerne bereit seien, mit Mietern über die Situation zu sprechen und individuelle Lösungen zu finden.
Zagatta: Herr Warnecke, warum ist dieses Vorgehen der Bundesregierung jetzt nötig? Sind diejenigen, die vermieten, nicht gesprächsbereit? Machen Sie da keine Angebote?
Warnecke: Das Vorgehen der Bundesregierung ist eigentlich unnötig. Im Gegenteil! Ich würde sogar sagen, es schürt eigentlich völlig unnötig Panik, die wir in dieser Situation überhaupt nicht brauchen. Die mietrechtlichen Vorschriften schützen Mieter auch im Falle der Nichtzahlung der Miete. Das würde weit länger dauern als drei Monate, um hier zu einer Zwangsräumung zu kommen.
Funktionierende Sozialtransferleistungen reichen aus
Zum anderen haben wir in Deutschland funktionierende Sozialtransferleistungen, nämlich zum einen in Gestalt des Wohngeldes und zum anderen in Gestalt der Kosten der Unterkunft. Diese beiden Zahlungen garantieren jedem Mieter, aber auch selbstnutzenden Eigentümern genug und ausreichend Geld, um in den eigenen vier Wänden zu bleiben. Richtig wäre allein gewesen – und das ist auch noch unsere dringende Forderung an die Bundesregierung -, dass die Ämter, die das ausbezahlen, jetzt in die Lage versetzt werden, jeden Antrag zügig zu bearbeiten, so dass jeder der Sicherheit sein kann, durch ausreichend Geld die Wohnung zu behalten.
Zagatta: Fangen wir mit Punkt eins an, was Sie gesagt haben. Der Kündigungsschutz dauert doch in der Regel zwei Monate, wenn jemand seine Miete nicht zahlt. Warum macht die Bundesregierung dann diesen gesonderten Kündigungsschutz? Können Sie sich das erklären? Sie sagen ja, der ist nicht nötig.
Warnecke: In der Tat. Hier waren ein paar Akteure am Werk, die die ursprüngliche Version für das Gesetz auf den Weg gebracht haben, die sehr ideologisch an das Mietrecht herangehen. Das war überwiegend der linke Flügel der SPD. Dort besteht bei solchen Maßnahmen entweder immer völliges Missverständnis davon, wie Wirtschaft funktioniert, oder aber der Wunsch, die Immobilienwirtschaft insgesamt kaputt zu machen. Das kann ich bei dem Einzelnen nicht beurteilen, aber das ist so der Gesamttenor, und die haben sich mit diesem Vorschlag zunächst einmal durchgesetzt. Die Bundesregierung hat das in dem konkreten Papier jetzt soweit reduziert, dass es zumindest ein Gesetz ist, das ein paar Leuten zumindest theoretisch helfen kann. Aber noch mal: In der Praxis dauert es mindestens neun Monate, bis es zu einer Zwangsräumung käme. Es gibt überhaupt gar keine Situation, wo man sagen kann, das schützt jetzt irgendjemand besonders gut. In der Praxis hilft nur eins, dass die Menschen nämlich die Sozialleistungen, auf die sie Anspruch haben, Wohngeld und Kosten der Unterkunft, auch tatsächlich erhalten.
Wohngeldantrag in vielen Kommunen unproblematisch
Zagatta: Wie wäre das mit dem Wohngeld? Ist das so schnell auf den Weg zu bringen? Da braucht es doch auch wieder Anträge. Die Leute sind darauf nicht vorbereitet, haben im Moment noch ganz andere Sorgen. Wäre das überhaupt praktikabel?
Warnecke: Ja, absolut! Das ist praktikabel. Wir haben uns auch vor einiger Zeit die Leistungsfähigkeit von deutschen Kommunen angeguckt. Es gibt in Deutschland Kommunen, die machen das mittlerweile komplett online. Das heißt, der Wohngeldantrag kann online ausgefüllt werden. Der Bürger muss nicht einmal zum Amt mehr hingehen und bekommt dann das Wohngeld ausgezahlt. Theoretisch ist das alles möglich.
Wir schlagen jetzt vor, weil wir natürlich nicht in den kommenden Tagen eine Digitalisierung Deutschlands auf einen Fingerschnipp hinbekommen, dass die Behörden die Prüfungen jetzt nur grob vornehmen und im Zweifel dann, wenn das Wohngeld jetzt ausgezahlt wird, ohne dass es einen Anspruch gäbe, hinterher eine Rückforderung beim Mieter geltend machen, dass aber auf der anderen Seite erst mal gewährleistet ist, dass jeder, der meint, er hat hier einen Anspruch und er braucht Geld, weil er nicht genug Geld hat, um die Kosten des Wohnens zu bezahlen, auch tatsächlich Geld vom Träger erhält.
Zagatta: Die meisten Vermieter könnten sich das wahrscheinlich leisten, da einige Monate auf Ausfälle zu verzichten. Warum machen Sie da, warum machen da die Vermieter nicht schon entsprechende Angebote? Das könnte man doch ziemlich unbürokratisch lösen.
Coronavirus
Coronavirus (imago / Science Photo Library)
Warnecke: Genau das ist der Ansatz, den wir bei Haus und Grund fahren, den wir auch empfohlen haben und auch von Anfang an kommuniziert haben. Allerdings – da muss ich Ihnen widersprechen – es kann sich eben nicht jeder Vermieter leisten. Sie haben – das ist mannigfaltig belegt – in Deutschland ungefähr Renditen von zwei Prozent beim Vermieter. Das wiederum bedeutet, dass Sie schon mit dem Ausfall von ein, zwei oder drei Monatsmieten eine rasante Unterdeckung haben, und der eine oder andere kann sich dann das über Wochen und Monate nicht mehr leisten, zumal ja die Kosten weiterlaufen. Wohnungseigentümer müssen Hausgeld bezahlen, damit Strom, Wasser und Gas weiter in das Haus eingespeist werden. Die Kosten auch für Darlehen, es sei denn, sie werden jetzt gestundet, sind auch erst einmal da. Deswegen kann man nicht sagen, dass das unproblematisch für die breite Masse der Vermieter möglich wäre. Zwei Drittel aller Mietwohnungen in Deutschland werden von privaten Einzeleigentümern angeboten, die zwischen ein und drei Wohneinheiten ihr eigen nennen, und für die bedeutet dann der Ausfall von einer Wohnung unter Umständen gar 100 Prozent Einnahmeausfall. Genau deswegen wäre es aus unserer Sicht richtig, das Geld in das System wie bei allen anderen Wirtschaftszweigen auch einzuspeisen und nicht zu sagen, das trägt schon der Vermieter. Das funktioniert nicht.
"Gesetzesvorschlag war kontraproduktiv"
Aber das will ich auch gerne noch mal sagen: Es war genau das, was Sie sagten, was wir immer wieder in den letzten Tagen laut angeboten haben. Wir gehen davon aus, dass die Vermieter gerne bereit sind, mit den Mietern über die Situation zu sprechen und individuelle Lösungen zu finden. Genau das sollte der Weg jetzt sein. Und genau deswegen war der Gesetzesvorschlag auch kontraproduktiv, weil er völlig unnötig Schärfe und Unsicherheit in diese ganzen Diskussionen und Gespräche reinbringt.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.