Jessica Sturmberg: In Berlin Mitte, Friedrichshain, Prenzlauer Berg oder auch Kreuzberg, da lässt es sich gut leben, da ist es attraktiv, da findet Berliner Leben statt. Das finden nicht nur Berliner, sondern auch Touristen, die zunehmend über Online-Vermietungsportale wie AirBnB eine Unterkunft für ein paar Tage in Berlin mieten. Doch das hat nach Ansicht der Berliner Landesregierung überhandgenommen, zu viele Wohnungen werden inzwischen ausschließlich für den Zweck der Kurzzeit-Vermietung genutzt und stehen damit nicht mehr dem regulären Mietmarkt zur Verfügung. Mit dem Zweckentfremdungsverbotsgesetz schränkte Berlin diese Form der Vermietung ein unter Androhung hoher Bußgelder. Dagegen klagten vier Betreiber von Ferienappartments vor dem Verwaltungsgericht, weil sie ihr Gewerbe nun nicht mehr ausüben dürften.
Einordnen wollen wir das Urteil mit dem Fachanwalt für Verwaltungsrecht und Baurechtler Wolfram Hertel von der Berliner Kanzlei Raue. Diese Kanzlei ist nicht in das Verfahren eingebunden. Herr Hertel, sind sie erstaunt über diesen Richterspruch?
Wolfram Hertel: Nein. Das Urteil überrascht mich nicht, denn es ist für Verwaltungsrichter immer schwierig, ein Gesetz mit Breitenwirkung aufzuheben. Auch ein Richter hat da eine gewisse Zurückhaltung und gerade die erste Instanz tut sich mit so etwas schwer.
Sturmberg: Das Ganze geht ja jetzt wahrscheinlich dann vor das Oberverwaltungsgericht. Geklagt hatten in diesem Fall gewerbliche Anbieter von Ferienwohnungen. Wie ist es denn eigentlich, wenn ich jetzt eine Wohnung habe, selbst in den Urlaub fahre oder vielleicht auch mal ein paar Wochen weg bin und meine Wohnung für Touristen anbiete? Falle ich dann auch unter dieses Zweckentfremdungsverbotsgesetz?
Hertel: Das ist nach meiner Einschätzung einer der größten Schwachpunkte der Berliner Regelung, denn hier hat der Gesetzgeber diese Fälle nicht klar geregelt. Anstelle nur gewerbliche Vermietung in den Anwendungsbereich des Gesetzes zu ziehen, hat der Gesetzgeber gesagt, jede Vermietung, die zum Zweck der wiederholten, nach Tagen oder Wochen bemessenen Vermietung erfolgt, fällt bereits unter dieses Gesetz. Und da kann man sehr schnell sagen, wenn Sie das einmal machen vielleicht nicht, aber schon beim zweiten Mal ist es eine wiederholte Vermietung. Ich meine, das gehört einfach zum normalen Leben dazu, dass man zweimal im Jahr in den Urlaub fährt und in der Zeit auch, wenn man das Geld braucht, gerne seine Wohnung vermietet. Da ist der Gesetzgeber einfach zu weit gegangen.
"Eigentumsgrundrecht ist vergleichsweise schwach"
Sturmberg: Das ist ja dann doch schon eine erhebliche Einschränkung des Wohneigentums. Warum darf ich eigentlich mit meinem Wohneigentum nicht machen was ich möchte?
Hertel: Das Eigentum ist nach Artikel 14 Grundgesetz geschützt, also ein Grundrecht. Der Staat muss das Eigentum schützen und beachten. Aber das Eigentumsgrundrecht ist ein vergleichsweise schwaches Grundrecht, denn was das Eigentum eigentlich ausmacht, was in der Hülle, auf der Eigentum draufsteht, eigentlich drin ist, in diesem Paket, das bestimmt wiederum der normale Gesetzgeber. Denken Sie an das Mietrecht. Wenn jemand eine Mietwohnung im Eigentum hat, dann kann er sie vermieten, aber er kann sie nicht vermieten wie er will, sondern er hat Kündigungsfristen zu beachten. Er kann unter Umständen den Mieter gar nicht kündigen. Das sind alles sogenannte Ausführungsvorschriften, der Jurist sagt dazu Inhalts- und Schrankenbestimmungen, und die sind verfassungsrechtlich zulässig. Damit kann der Gesetzgeber das Eigentum zu einem ganz weiten Teil sogar aushöhlen.
Sturmberg: Jetzt ist dieses Urteil viel beachtet. Es bezieht sich jetzt erst mal nur auf die Stadt Berlin. Aber es gibt natürlich diese Problematik durchaus auch in anderen Städten wie Köln, München vor allen Dingen, aber auch Hamburg, und da wird ja sicherlich auch die Sorge vieler Anbieter von solchen Ferienwohnungen sein, dass sie möglicherweise auch in diese Bredouille kommen. Wie berechtigt ist diese Sorge?
Hertel: Das Problem stellt sich in den anderen Großstädten in Deutschland auch. Das erfahren wir auch immer wieder in Beratungsgesprächen. Und es ist zu erwarten, dass auch andere Landesgesetzgeber hergehen werden und dieses Berliner Modell kopieren werden. Ich kann nur hoffen, dass man dann beim Abschreiben des Berliner Rechts noch mal nachdenkt und vielleicht auch eine etwas bessere Lösung findet als die, die das Land Berlin gegangen ist, die sehr tabula-rasa-mäßig erst mal alles verboten haben, was irgendwie Richtung Vermietung von Wohnungen geht.
Sturmberg: Einschätzungen zu dem Zweckentfremdungsverbotsgesetz. Das Verwaltungsgerichts in Berlin hat das heute mit einem Urteil bestätigt und darüber haben wir gesprochen mit Wolfram Hertel, Fachanwalt für Verwaltungsrecht und Baurechtler. Ganz herzlichen Dank.
Hertel: Gerne.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.