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Vermittlungsversuche im Syrien-Konflikt
Das zähe Ringen der Vereinten Nationen um Frieden

Anzeichen für eine Annäherung der Konfliktparteien in Syrien gibt es keine, aber die Vereinten Nationen bemühen sich weiter, die drohende Großoffensive auf die Rebellenhochburg Idlib zu verhindern. Das Problem: Es gibt eigentlich mehrere Kriege auf dem Gebiet eines einzigen Staates.

Von Martin Mair |
    Der Sondergesandte der Vereinten Nationen, de Mistura, bei seiner Ankunft in Genf am 10.07.2017 zu weiteren Friedensverhandlungen für Syrien.
    Der Sondergesandte der Vereinten Nationen, de Mistura, vermittelt seit vier Jahren in Syrien (AFP / Fabrice Coffrini)
    Ein großes Maß an Unerschütterlichkeit - das zeichnet Staffan de Mistura aus. Und dass muss es auch, denn sein Job als UN-Sondervermittler für Syrien ist mühsam - von außen betrachtet frustrierend. Seit gut vier Jahren müht sich der Diplomat um eine politische Lösung, bislang ohne einen echten Fortschritt. Im Gegenteil: Syrien steht eine weitere Katastrophe bevor, so de Mistura. Er meint die drohende Großoffensive auf die Rebellenhochburg Idlib.
    "In Idlib leben 2,9 Millionen Menschen. Darunter eine Million Kinder - das sind keine Terroristen. Eine Million Kinder. Die Menschen in Idlib, egal ob Männer, Frauen, Lehrer, Ärzte, Ingenieure, Kinder, einfach alle, die eben Zivilisten sind - sie alle haben panische Angst vor dem Leid, das ihnen drohen könnte."
    Der Krieg hat viele Beteiligte
    Seit Tagen ringt de Mistura in Genf mit Vertretern des Irans, Russlands und der Türkei um eine politische Lösung. Heute stoßen Diplomaten aus den USA, Frankreich, Großbritannien und Deutschland dazu. Formal geht es darum, eine neue syrische Verfassung auszuarbeiten, die das Land einem Frieden näher bringen soll. Details über den Inhalt sind bislang nicht nach außen gedrungen, angekündigte Auftritte vor der Presse hat de Mistura abgesagt. Ein Hinweis, dass es bislang keinen Durchbruch gab. Und ein Zeichen, wie kompliziert die unübersichtlich die Lage in dem Bürgerkriegsland ist.
    Längst kämpfen dort nicht mehr nur Gegner und Befürworter des syrischen Präsidenten Assad. Der Krieg hat viele Beteiligte, gerade auch im Ausland. Für de Mistura sind die entscheidenden Schlüsselfiguren Recep Erdogan und Wladimir Putin. In einem ungewöhnlichen Schritt wandte sich der UN-Sondervermittler vor wenigen Tagen direkt an die Präsidenten der Türkei und Russlands.
    "Sie sind die beiden, die in der Lage sind, miteinander zu sprechen. Greifen Sie zum Hörer. Finden Sie eine Formel, die die schreckliche Phase beendet und sie nicht zur schlimmsten werden lässt. Ein Telefonat zwischen Ihnen beiden würde einen großen Unterschied machen."
    Bundeswehreinsatz umstritten
    Ein wohl frommer Wunsch - zu groß sind die Eigeninteressen der beiden Länder im Syrien-Konflikt. Vergangene Woche hatte ein Gipfel mit Erdogan und Putin keinen Fortschritt gebracht. Russland und Iran unterstützen den syrischen Machthaber Assad, die Türkei bestimmte Rebellengruppen. Was vor sieben Jahren während des arabischen Frühlings als Protestbewegung gegen die autoritäre Assad-Regierung begonnen hatte, ist heute weit mehr als ein Bürgerkrieg. Es sind mehrere Kriege auf dem Gebiet eines einzigen Staates. Die USA und der Westen kämpfen vor allem gegen die Terrormiliz des IS, auch Deutschland stellt Tornados für Aufklärungsflüge. Zwischen Union und SPD ist in dieser Woche ein offener Streit entbrannt, ob sich die Bundeswehr an einem Vergeltungsschlag beteiligt, wenn das syrische Regime Giftgas einsetzt. Etwas, das weit mehr ist als eine theoretische Gefahr, so Hanny Megally, Mitglied einer UN-Kommission zu Syrien.
    "Wir haben Raketen identifiziert, die im Iran hergestellt wurde und die in Syrien angepasst wurden. So angepasst, dass sie sich mit Chlorgas füllen lassen. Raketen also, die für einen Angriff mit Giftgas eingesetzt werden könnten."
    Dass es den Einsatz von Giftgas zu verhindern gelte - das ist von allen Beteiligten zu hören. Die Lage in Syrien ist nach UN-Angaben so dramatisch wie nie - allein seit Beginn des Jahres mussten mehr als eine Million Menschen vor Gewalt und Militärangriffen fliehen. Der UN-Sondervermittler wird nicht müde zu betonen, dass nur eine politische Lösung den Konflikt befrieden könne - doch das scheint dieser Tage weiter entfernt, als je zuvor.