Die Vermögenssteuer ist ein Dauerbrenner in der politischen Debatte in Deutschland. Obwohl sie seit knapp 30 Jahren nicht mehr erhoben wird, taucht die Abgabe regelmäßig in Parteiprogrammen und Politikerreden auf. Die einen fordern sie, die anderen lehnen sie strikt ab. Während Arbeitseinkommen in Deutschland traditionell stark besteuert und mit Sozialabgaben belastet werden, greift der Staat bei Vermögen weniger zu. Was steckt hinter dem Dauerstreit um die Vermögenssteuer?
Inhalt
- Wann wurde die Vermögenssteuer in Deutschland abgeschafft?
- Warum wurde die Vermögenssteuer abgeschafft?
- Was spricht dafür, eine Vermögenssteuer wieder einzuführen?
- Was befürchten Kritiker einer Vermögenssteuer?
- Wen würde die Wiedereinführung einer Vermögenssteuer treffen?
- Wie ist der internationale Trend bei der Vermögenssteuer?
Wann wurde die Vermögenssteuer in Deutschland abgeschafft?
Die Regierungskoalition aus Union und FDP unter dem damaligen Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) beschloss im Jahr 1996 die Streichung der Vermögenssteuer ab 1997. Die Bundesländer erhielten einen Ausgleich von 8,16 Milliarden D-Mark für den Wegfall der Vermögenssteuer, die zuletzt 9,3 Milliarden Mark pro Jahr eingebracht hatte. Für den Ausgleich wurden die Erbschaftssteuersätze um zwei Prozentpunkte angehoben und die Grunderwerbsteuer von 2,0 auf 3,5 Prozent erhöht.
Eine jährliche Vermögenssteuer wurde deutschlandweit von 1923 bis 1996 erhoben, wie das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) auf seiner Internetseite erklärt. Die Steuer galt in Westdeutschland bundesweit. Die Einnahmen aus der Vermögenssteuer gingen an die Bundesländer. Eine Aufteilung, die bis heute auch im Grundgesetz festgehalten ist.
Ab 1978 betrug der Vermögenssteuersatz für natürliche Personen 0,5 Prozent, für juristische Personen 0,7 Prozent (0,6 Prozent ab 1984). Allerdings gab es pro Person einen Freibetrag von 120.000 D-Mark. Nach der Wiedervereinigung 1990 wurde die Steuer in den neuen Bundesländern nicht erhoben. Im Jahr 1995 stieg der Vermögenssteuersatz in den alten Bundesländern für natürliche Personen von 0,5 auf 1,0 Prozent. „Die Vermögenssteuer hatte über die Jahrzehnte eine moderate, aber spürbare Bedeutung für die öffentlichen Haushalte“, so die Bewertung des DIW.
Warum wurde die Vermögenssteuer abgeschafft?
Im Jahr 1995 erklärte das Bundesverfassungsgericht die Vermögenssteuer für verfassungswidrig. Grund dafür war, dass die Bemessungsgrundlagen der Vermögenssteuer „sukzessive vernachlässigt“ worden seien, wie Stefan Bach, Steuerexperte beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung DIW, erläutert. Insbesondere sei die Bewertung der Immobilienwerte nicht mehr erneuert worden.
Eine Neubewertung sei auch nach 1995 nicht mehr durchgeführt worden, sodass die Vermögenssteuer seitdem nicht mehr erhoben werde konnte. Das Vermögenssteuergesetz hat formell jedoch bis heute Bestand.
Was spricht dafür, eine Vermögenssteuer wieder einzuführen?
„Die ungleiche Verteilung der Privatvermögen in Deutschland ist zu einem bedeutenden Thema in der politischen Diskussion geworden“, urteilten Ökonomen schon 2017 in einer Analyse für die Bundesregierung. Eine Wiedereinführung der Vermögenssteuer bleibe auch nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1995 „weiterhin rechtlich möglich“.
Der rechtliche Ausgestaltungsraum beschränke sich jedoch auf eine Sollertragsteuer, also eine Steuer, die auf den Bruttogewinn aus Kapitalanlagen erhoben werden kann. Wobei die steuerliche Belastungsobergrenze nicht abschließend bestimmbar sei. „Auch die Bewertung des Vermögens bleibt Bestandteil verfassungsrechtlicher Unsicherheit.“
Seit dem Wegfall in den 1990er-Jahren werden immer wieder Vorschläge zur Wiederbelebung der Vermögenssteuer diskutiert. Forderungen kommen regelmäßig von Politikern aus den Reihen von SPD, Grünen und Linken – teils auch in Kombination mit Forderungen nach einer höheren Erbschaftssteuer. Für eine neue Vermögenssteuer müsste man laut DIW vor allem die Vermögensbewertung neu regeln, indem etwa die reformierten Regelungen für die Erbschaftssteuer verwendet würden.
Unter anderem tritt etwa der Sozialverband VdK für eine erneute Erhebung der Vermögenssteuer ein. Durch einen hohen Freibetrag von mindestens einer Million Euro könnte sichergestellt werden, dass nur sehr große Vermögen besteuert würden. Auch die Erbschaftssteuer gehöre auf den Prüfstand. „Tax the Rich“-Aktivisten fordert ebenfalls höhere Steuern für Reiche. Der Armutsforscher Christoph Butterwegge verlangt eine Besteuerung der „hyperreichen“ Milliardäre und verweist auf die 40 Prozent der Bevölkerung, die „überhaupt kein Vermögen besitzen“.
Was befürchten Kritiker einer Vermögenssteuer?
Die Vermögenssteuer habe im Vergleich zu anderen Steuerarten „entscheidende Nachteile, die den Wirtschaftsstandort Deutschland bedrohen“, urteilten Ökonomen des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) im vergangenen Bundestagswahlkampf. „Mögliche Ausweichreaktionen und hohe Erhebungs- sowie Befolgungskosten der Steuer wiegen schwerer als die Aussicht auf mehr Steuereinnahmen und Verteilungsgerechtigkeit.“
Heißt: Die IW-Ökonomen fürchten zum einen, dass Vermögen ins Ausland transferiert werden könnten, zum anderen, dass die Investitionsfähigkeit von Unternehmen durch die Vermögenssteuer geschwächt wird. Bereits ein Steuersatz von einem Prozent könne demnach dazu führen, dass Unternehmen mehr als zehn Prozent weniger von ihrem thesaurierten Gewinn für Investitionen zur Verfügung stünde.
Zu den Gegnern einer Vermögenssteuer zählen auch CDU/CSU, FDP und AfD. Den Befürwortern gelinge es nicht, ein rechtssicheres Konzept für eine effiziente und bürokratiearme Erhebung vorzulegen, argumentiert etwa Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP). In der öffentlichen Debatte wird auch regelmäßig angeführt, dass eine Vermögenssteuer eine Doppelbesteuerung bedeuten würde, also bereits besteuerte Einkünfte erneut besteuert würden.
Wen würde eine Wiedereinführung einer Vermögenssteuer treffen?
In Deutschland gebe es eine „relativ starke Vermögensungleichheit“, sagt der Ökonom Stefan Bach vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung. Ende 2023 stellte die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung eine Untersuchung vor. Demnach ist die Besteuerung von Erträgen aus Milliardenvermögen meist weitaus niedriger als noch vor knapp 30 Jahren.
Neben der Aussetzung der Vermögenssteuer hat sich beispielsweise der Steuersatz auf nicht ausgeschüttete Gewinne seit 1996 in etwa halbiert - von mehr als 57 Prozent auf unter 30 Prozent. Der Steuersatz auf durchschnittliche Arbeitseinkommen hat sich dagegen im gleichen Zeitraum nur geringfügig von 21 auf 18 Prozent reduziert. Sollten die diskutierten Vorschläge für eine Vermögenssteuer umgesetzt werden, müssten wohl die mittlerweile mehr als 1,6 Millionen Millionäre im Land mehr Steuern zahlen.
Wie ist der internationale Trend bei der Vermögenssteuer?
Laut DIW-Ökonom Bach zeigt ein Blick ins Ausland, dass nur noch wenige Länder eine Vermögenssteuer erheben: „Die Globalisierung der wirtschaftlichen Beziehungen spielt da schon eine große Rolle, sodass man tatsächlich sagen kann, die Reichen und vor allem die Superreichen sind steuerlich entlastet worden über die letzten 30 Jahre.“ Auch die OECD stellte fest, dass immer weniger Länder eine „wealth tax“ erheben.
Die Kluft zwischen Arm und Reich hat laut Oxfam in den vergangenen Jahren weltweit stark zugenommen. Während die fünf reichsten Männer der Welt ihr Vermögen seit 2020 mehr als verdoppelt hätten, seien fast fünf Milliarden Menschen ärmer geworden, teilte die Entwicklungsorganisation im Januar 2024 mit.
Gleichwohl gibt es große Unterschiede bei der Besteuerung von Reichen innerhalb Europas. Eine Studie, die das Netzwerk Steuergerechtigkeit gemeinsam mit Oxfam und dem österreichischen Momentum Institut im April 2024 veröffentlichte, verglich die Steuersysteme in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Ihr Ergebnis: Das Schweizer Steuersystem sei progressiver als das in Deutschland und in Österreich, das heißt, wer in der Schweiz mehr verdient, zahlt auch höhere Steuern.
Eine Vermögenssteuer nach Schweizer Modell brächte der Bundesrepublik demnach Mehreinnahmen von rund 73 Milliarden Euro, errechneten die Verfasserinnen und Verfasser der Studie. Sie schlugen vor, dass die Bundesregierung das Geld nutzen könnte, um das auf 20 Milliarden Euro geschätzte Haushaltsloch zu stopfen und so Kürzungen in anderen Bereichen, etwa im Entwicklungsetat, zu vermeiden.
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