Bernd Gäbler: Herr Professor Turner, geht die Gleichung Fußball-WM in Deutschland gleich Werbeboom, gleich Wirtschaftsboom auf?
Sebastian Turner: Für einzelne Marken geht die Rechnung auf. Für die Volkswirtschaft ist das eine offene Frage. Diejenigen, die sich im Umfeld mit Sport, mit Fußball, mit Nationalmannschaft, mit WM und so weiter darstellen, die müssen sich richtig darstellen, damit sie in diesem gewaltigen Auftritt wahrgenommen werden. Und die werden auch richtig in die Tasten greifen. Man spürt es ja schon. Viele Kampagnen haben schon angefangen, und es wird jetzt an Intensität zunehmen, bis wir dann am, ich glaube, 9. Juli begeistert uns Sportarten wie Badminton oder Hallenschach oder so was zuwenden, um alles zu sehen, nur bitte nicht noch mal Fußball.
Gäbler: Jetzt empfange ich als Konsument aber ständig auch Werbebotschaften von - sagen wir mal - Bier, Telekommunikationstechniken, Milch, Autos aller Art. Heißt das, dass man eigentlich an diesen Fußball alle möglichen Produkte dranhängen kann?
Turner: !Man kann bei eigentlich jedem Produkt sich eine Bandbreite von Möglichkeiten überlegen, die aber muss man dann konsequent machen. Wenn man also zum Beispiel sagt, man möchte eine Versicherung oder eine Bank oder etwas, was zunächst mal nichts direkt mit Fußball zu tun hat, man möchte es sportlich machen oder möchte es zeigen, dass es groß ist.
Gäbler: Die Postbank zum Beispiel hat ganz viele gelbe Bälle überall verteilt ...
Turner: ... und sie haben den Mensch, der den Fußball in Deutschland symbolisiert, weil er Weltmeister war und Weltmeister trainiert hat und die WM ins Land geholt hatte, auch als zentrale Figur. Also diese Bank möchte ihre Popularität in den Mittelpunkt stellen. Banken haben üblicherweise eine gewisse Schwelle vor sich. Die Postbank möchte ihre Volkstümlichkeit und Bandbreite und Zugänglichkeit herausstellen. Da kann es sinnvoll sein. Dann ist es aber auch für jede andere Bank im Prinzip daneben uninteressant, weil man eigentlich immer so eine Sache nur dem Leithammel zuordnet. Die allermeisten Banken werben eben nicht mit Fußball. Und sie sind klug beraten, wenn eine sich so stark exponiert hat.
Bei den Sportartikelherstellern ist es wieder ein bisschen was anderes. Da hat ja einer, der liefert den Ball, der ist offizieller Sponsor und da geht es nur um deren Kernprodukt. Adidas also ist offizieller Partner. Puma beispielsweise hat das Kunststück hingekriegt aber, die meisten Mannschaften zu haben. Nike kommt nun aus einem Land und von einem Kontinent, in dem Fußball nicht so eine Rolle spielt, deswegen sind die da auch nicht auf Position Nummer zwei. Andererseits sind die aber die Ausstatter der Brasilianer.
Gäbler: Gibt es Sachen, die gar nicht gehen? Also, ich sage mal: teure Uhren, Tabak .
Turner: Bestimmte Frauenprodukte, glaube ich.
Gäbler: Es gibt diese offiziellen Partnerschaften, gewissermaßen wenige, die global an der FIFA dranhängen. Dann gibt es noch nationale Unterförderer. Die zahlen zum Teil horrende Summen, also für die FIFA da so 40 Millionen oder so ...
Turner: Das ist viel Geld.
Gäbler: Lohnt sich das?
Turner: Zunächst mal muss man sagen, 40 Millionen, das ist in der Tat ein Betrag, da muss eine alte Frau lange für stricken. Wenn Sie aber weltweit eine Marke durchsetzen wollen, dann ist das ein eher übersichtlicher Betrag. Wenn Sie jetzt, wie zum Beispiel die Deutsche Telekom, Ihre Marke von einem Anbieter, der zunächst nur in einem einzigen Land war, zu einer Weltmarke aufbauen wollen, dann ist die Fußball-WM ein ziemlich interessantes Vehikel, dass die ganze Welt auf Sie guckt. Die Automarke Hyundai hätte wahrscheinlich in Deutschland überhaupt niemand zur Kenntnis genommen - Klammer auf: Selbst mit Fond-Sponsorship wird sie noch nicht so richtig zur Kenntnis genommen -, aber immerhin wird sie ein bisschen zum Thema im Land, das das Auto erfunden hat. Und das kann für die ein richtig gutes Geschäft sein. Also, indem Fußball die Hälfte der Menschheit, nämlich die Männer, und dann auch noch mal die Hälfte der Erdoberfläche - Asien, große Teile, Europa als Ganzes, Südamerika - wirklich begeistert, haben Sie da ein Vehikel, das seinesgleichen sucht.
Gäbler: Sind denn die besonders raffiniert, die meinetwegen wie der Media Markt, die sagen: das beste Team des Jahres, oder, ich glaube, auch die Lufthansa macht einfach so Fußballschnauzen an die Flugzeuge, gehört aber nicht zu den offiziellen Sponsoren. Ist das besonders raffiniert oder ist das einfach ein eigentlich dümmlicher Trittbrettfahrereffekt?
Turner: Also dümmlich ist es in beiden Fällen nicht. Es ist im Fall der Lufthansa, finde ich, ist es ganz elegant, weil sie doch eine gewisse Distanz bewahren. Beim Media Markt wiederum passt es auch zur Stilistik. Etwas sehr Aggressives haben die an sich, etwas Augenzwinkerndes, wer über alle Kanäle sagt "Lass Dich nicht verarschen", der kann ja auch ein bisschen mit Tricks arbeiten, ohne dass es der Marke schadet.
Gäbler: Sie sind ja dafür bekannt, dass Sie für kreative Werbung sind, sogar so weit gehen, zu behaupten, das ständig durchsetzen wollen, dass kreative Werbung letztlich auch ökonomisch effektive Werbung sei. Wollen wir uns mal darüber unterhalten, was rund um diese WM denn kreativ, originell, gut passend ist. Scharfe Kritik hat ausgelöst dieses Logo mit den lachenden Gesichtern oder Bällen. Ist das richtig toll?
Turner: Ich muss gestehen: Ich bin da nicht ganz unbefangen. Die Gestaltung dieses Logos ist unter handwerklichen Gesichtspunkten nicht unproblematisch. Das ist relativ kleinteilig, üblicherweise muss das ja bis verkleinert auf einen Fingernagel noch gut erkennbar sein, das ist nur bedingt gegeben. Die Verknüpfung von dem Logo und dem Maskottchen ist problematisch. Goleo ist, glaube ich, ein Zeichen der geistigen Heimatlosigkeit. Die mit Abstand bestgestaltete Großveranstaltung, die wir in Deutschland je hatten, waren die Olympischen Spiele 1972 unter der gestalterischen Federführung von Otl Aicher. Otl Aicher hat Deutschland mit einem kleinen Waldi, mit einem Dackel präsentiert. Und das ist eine Heiterkeit und eine Leichtigkeit und eine Sympathie, die einen Maßstab gesetzt hat.
Und wenn man es damit vergleicht, kann man sagen, vor jetzt über 30 Jahren ist weiter gesprungen worden. Und als Gestalter, als Kreativer bedauert man das, dass wir nach 30 Jahren nicht weiter, sondern eher ein Stück zurück sind. Aber Otl Aicher ist auch nicht mehr unter uns, der hätte die richtigen Worte gefunden.
Gäbler: Jetzt sehe ich solche Reklame wie: Herr Ballack steht vorm Flachbildschirm und sagt hinterher: Hab' ich schon. Haben wir tolle Produktwerbung im Moment?
Turner: Es gibt eine ziemliche Bandbreite an Qualitäten, und manches ist in der Tat eher Kreisklasse, und manches ist natürlich auch Weltklasse. Aber ich gebe Ihnen Recht, wenn Sie das beobachten, vieles ist ziemlich fantasielos. Es kommt ein anderer Punkt hinzu: Wenn es Ihnen nicht gelingt, eine ganz originelle Form der Verknüpfung zu finden, dann werden Sie auch weniger stark beachtet. Da komme ich zurück auf die richtig wiedergegebene Äußerung, dass die kreative Werbung - nach meiner Auffassung, aber auch nach der von einer ganzen Reihe von Untersuchungen - mit Abstand erfolgreicher ist. Und kreativ heißt eben: anders sein, abweichend sein, originell sein. Wenn Ballack mit dem Fernsehgerät originell verknüpft wird, erinnert man es besser, als wenn er beliebig damit verbunden wird. Die Brasilianer, die eben auf eine grandiose Art und Weise Sport treiben an einem Flughafen, geben doch mir als einem, der eben auch am Flughafen, Bahnhof rumsteht, ein ganz anderes Gefühl wie diese Marke Nike, die da wirbt, mich in die Situation versetzt, sportlich zu sein, während Ballack eher in dieser Situation wirkt wie jemand, dem man einfach einen Hunderter in die Hand gedrückt hat, damit er irgendwas erzählt. Also die Glaubwürdigkeitenverknüpfung ist um Klassen schlechter.
Gäbler: Aber es gibt einen großen Fortschritt, dass die Nationalmannschaft kein Lied mehr singt, vor allem Beckenbauer.
Turner: Das muss man als uneingeschränkten Fortschritt ansehen.
Gäbler: Außer dem großen Kollektiv Fußballnationalmannschaft sind auch die Individuen Werbeträger.
Turner: Auch da kommt es wieder darauf an: Zunächst einmal ist es so, dass für die einzelne Marke, die auf diesem Weg einen Prominenten oder mehrere für sich werben lässt, dass die oft an Aufmerksamkeit gewinnt. Also für die ist das erst mal plausibel. Es ist dann allerdings so: Wenn alle Menschen Orchideen haben, dann sind Orchideen eben nichts Originelles mehr. Und da sind wir vor einer WM sicherlich in einer Situation, wenn Sie mit schwachem Druck Fußballorientiertes machen, dann sind Sie wirklich so originell wie jemand, der vor Weihnachten mit einem Weihnachtsmann wirbt.
Gäbler: Mit Franz Beckenbauer kann man alles machen, oder?
Turner: Das glaubt zumindest der, der ihn vermarktet.
Gäbler: Sie glauben es nicht?
Turner: Ich glaube nicht, dass man mit ihm alles machen kann. Ich glaube, dass es einen Abnutzungseffekt gibt. Ich glaube, dass sich sehr schnell ein Effekt ergeben kann - der ist vielleicht bei Beckenbauer nicht so schnell erreicht wie bei anderen -, dass man sagt: Das ist beliebig. Also, das Grundgesetz heißt, man macht sich rar.
Gäbler: Wann wäre für Sie diese WM ein Erfolg?
Turner: Die WM ist ein Erfolg, wenn die Welt sich für ein paar Wochen, während sie Fußball guckt, darüber freut, dass es ein Land gibt, in dem die Menschen gerne so ein Sportereignis bei sich aufnehmen, wo Menschen willkommen sind, wo ein großes Spiel, ein großes gemeinsames Fest inszeniert wird, ab dann ist es ein Erfolg.
Sebastian Turner: Für einzelne Marken geht die Rechnung auf. Für die Volkswirtschaft ist das eine offene Frage. Diejenigen, die sich im Umfeld mit Sport, mit Fußball, mit Nationalmannschaft, mit WM und so weiter darstellen, die müssen sich richtig darstellen, damit sie in diesem gewaltigen Auftritt wahrgenommen werden. Und die werden auch richtig in die Tasten greifen. Man spürt es ja schon. Viele Kampagnen haben schon angefangen, und es wird jetzt an Intensität zunehmen, bis wir dann am, ich glaube, 9. Juli begeistert uns Sportarten wie Badminton oder Hallenschach oder so was zuwenden, um alles zu sehen, nur bitte nicht noch mal Fußball.
Gäbler: Jetzt empfange ich als Konsument aber ständig auch Werbebotschaften von - sagen wir mal - Bier, Telekommunikationstechniken, Milch, Autos aller Art. Heißt das, dass man eigentlich an diesen Fußball alle möglichen Produkte dranhängen kann?
Turner: !Man kann bei eigentlich jedem Produkt sich eine Bandbreite von Möglichkeiten überlegen, die aber muss man dann konsequent machen. Wenn man also zum Beispiel sagt, man möchte eine Versicherung oder eine Bank oder etwas, was zunächst mal nichts direkt mit Fußball zu tun hat, man möchte es sportlich machen oder möchte es zeigen, dass es groß ist.
Gäbler: Die Postbank zum Beispiel hat ganz viele gelbe Bälle überall verteilt ...
Turner: ... und sie haben den Mensch, der den Fußball in Deutschland symbolisiert, weil er Weltmeister war und Weltmeister trainiert hat und die WM ins Land geholt hatte, auch als zentrale Figur. Also diese Bank möchte ihre Popularität in den Mittelpunkt stellen. Banken haben üblicherweise eine gewisse Schwelle vor sich. Die Postbank möchte ihre Volkstümlichkeit und Bandbreite und Zugänglichkeit herausstellen. Da kann es sinnvoll sein. Dann ist es aber auch für jede andere Bank im Prinzip daneben uninteressant, weil man eigentlich immer so eine Sache nur dem Leithammel zuordnet. Die allermeisten Banken werben eben nicht mit Fußball. Und sie sind klug beraten, wenn eine sich so stark exponiert hat.
Bei den Sportartikelherstellern ist es wieder ein bisschen was anderes. Da hat ja einer, der liefert den Ball, der ist offizieller Sponsor und da geht es nur um deren Kernprodukt. Adidas also ist offizieller Partner. Puma beispielsweise hat das Kunststück hingekriegt aber, die meisten Mannschaften zu haben. Nike kommt nun aus einem Land und von einem Kontinent, in dem Fußball nicht so eine Rolle spielt, deswegen sind die da auch nicht auf Position Nummer zwei. Andererseits sind die aber die Ausstatter der Brasilianer.
Gäbler: Gibt es Sachen, die gar nicht gehen? Also, ich sage mal: teure Uhren, Tabak .
Turner: Bestimmte Frauenprodukte, glaube ich.
Gäbler: Es gibt diese offiziellen Partnerschaften, gewissermaßen wenige, die global an der FIFA dranhängen. Dann gibt es noch nationale Unterförderer. Die zahlen zum Teil horrende Summen, also für die FIFA da so 40 Millionen oder so ...
Turner: Das ist viel Geld.
Gäbler: Lohnt sich das?
Turner: Zunächst mal muss man sagen, 40 Millionen, das ist in der Tat ein Betrag, da muss eine alte Frau lange für stricken. Wenn Sie aber weltweit eine Marke durchsetzen wollen, dann ist das ein eher übersichtlicher Betrag. Wenn Sie jetzt, wie zum Beispiel die Deutsche Telekom, Ihre Marke von einem Anbieter, der zunächst nur in einem einzigen Land war, zu einer Weltmarke aufbauen wollen, dann ist die Fußball-WM ein ziemlich interessantes Vehikel, dass die ganze Welt auf Sie guckt. Die Automarke Hyundai hätte wahrscheinlich in Deutschland überhaupt niemand zur Kenntnis genommen - Klammer auf: Selbst mit Fond-Sponsorship wird sie noch nicht so richtig zur Kenntnis genommen -, aber immerhin wird sie ein bisschen zum Thema im Land, das das Auto erfunden hat. Und das kann für die ein richtig gutes Geschäft sein. Also, indem Fußball die Hälfte der Menschheit, nämlich die Männer, und dann auch noch mal die Hälfte der Erdoberfläche - Asien, große Teile, Europa als Ganzes, Südamerika - wirklich begeistert, haben Sie da ein Vehikel, das seinesgleichen sucht.
Gäbler: Sind denn die besonders raffiniert, die meinetwegen wie der Media Markt, die sagen: das beste Team des Jahres, oder, ich glaube, auch die Lufthansa macht einfach so Fußballschnauzen an die Flugzeuge, gehört aber nicht zu den offiziellen Sponsoren. Ist das besonders raffiniert oder ist das einfach ein eigentlich dümmlicher Trittbrettfahrereffekt?
Turner: Also dümmlich ist es in beiden Fällen nicht. Es ist im Fall der Lufthansa, finde ich, ist es ganz elegant, weil sie doch eine gewisse Distanz bewahren. Beim Media Markt wiederum passt es auch zur Stilistik. Etwas sehr Aggressives haben die an sich, etwas Augenzwinkerndes, wer über alle Kanäle sagt "Lass Dich nicht verarschen", der kann ja auch ein bisschen mit Tricks arbeiten, ohne dass es der Marke schadet.
Gäbler: Sie sind ja dafür bekannt, dass Sie für kreative Werbung sind, sogar so weit gehen, zu behaupten, das ständig durchsetzen wollen, dass kreative Werbung letztlich auch ökonomisch effektive Werbung sei. Wollen wir uns mal darüber unterhalten, was rund um diese WM denn kreativ, originell, gut passend ist. Scharfe Kritik hat ausgelöst dieses Logo mit den lachenden Gesichtern oder Bällen. Ist das richtig toll?
Turner: Ich muss gestehen: Ich bin da nicht ganz unbefangen. Die Gestaltung dieses Logos ist unter handwerklichen Gesichtspunkten nicht unproblematisch. Das ist relativ kleinteilig, üblicherweise muss das ja bis verkleinert auf einen Fingernagel noch gut erkennbar sein, das ist nur bedingt gegeben. Die Verknüpfung von dem Logo und dem Maskottchen ist problematisch. Goleo ist, glaube ich, ein Zeichen der geistigen Heimatlosigkeit. Die mit Abstand bestgestaltete Großveranstaltung, die wir in Deutschland je hatten, waren die Olympischen Spiele 1972 unter der gestalterischen Federführung von Otl Aicher. Otl Aicher hat Deutschland mit einem kleinen Waldi, mit einem Dackel präsentiert. Und das ist eine Heiterkeit und eine Leichtigkeit und eine Sympathie, die einen Maßstab gesetzt hat.
Und wenn man es damit vergleicht, kann man sagen, vor jetzt über 30 Jahren ist weiter gesprungen worden. Und als Gestalter, als Kreativer bedauert man das, dass wir nach 30 Jahren nicht weiter, sondern eher ein Stück zurück sind. Aber Otl Aicher ist auch nicht mehr unter uns, der hätte die richtigen Worte gefunden.
Gäbler: Jetzt sehe ich solche Reklame wie: Herr Ballack steht vorm Flachbildschirm und sagt hinterher: Hab' ich schon. Haben wir tolle Produktwerbung im Moment?
Turner: Es gibt eine ziemliche Bandbreite an Qualitäten, und manches ist in der Tat eher Kreisklasse, und manches ist natürlich auch Weltklasse. Aber ich gebe Ihnen Recht, wenn Sie das beobachten, vieles ist ziemlich fantasielos. Es kommt ein anderer Punkt hinzu: Wenn es Ihnen nicht gelingt, eine ganz originelle Form der Verknüpfung zu finden, dann werden Sie auch weniger stark beachtet. Da komme ich zurück auf die richtig wiedergegebene Äußerung, dass die kreative Werbung - nach meiner Auffassung, aber auch nach der von einer ganzen Reihe von Untersuchungen - mit Abstand erfolgreicher ist. Und kreativ heißt eben: anders sein, abweichend sein, originell sein. Wenn Ballack mit dem Fernsehgerät originell verknüpft wird, erinnert man es besser, als wenn er beliebig damit verbunden wird. Die Brasilianer, die eben auf eine grandiose Art und Weise Sport treiben an einem Flughafen, geben doch mir als einem, der eben auch am Flughafen, Bahnhof rumsteht, ein ganz anderes Gefühl wie diese Marke Nike, die da wirbt, mich in die Situation versetzt, sportlich zu sein, während Ballack eher in dieser Situation wirkt wie jemand, dem man einfach einen Hunderter in die Hand gedrückt hat, damit er irgendwas erzählt. Also die Glaubwürdigkeitenverknüpfung ist um Klassen schlechter.
Gäbler: Aber es gibt einen großen Fortschritt, dass die Nationalmannschaft kein Lied mehr singt, vor allem Beckenbauer.
Turner: Das muss man als uneingeschränkten Fortschritt ansehen.
Gäbler: Außer dem großen Kollektiv Fußballnationalmannschaft sind auch die Individuen Werbeträger.
Turner: Auch da kommt es wieder darauf an: Zunächst einmal ist es so, dass für die einzelne Marke, die auf diesem Weg einen Prominenten oder mehrere für sich werben lässt, dass die oft an Aufmerksamkeit gewinnt. Also für die ist das erst mal plausibel. Es ist dann allerdings so: Wenn alle Menschen Orchideen haben, dann sind Orchideen eben nichts Originelles mehr. Und da sind wir vor einer WM sicherlich in einer Situation, wenn Sie mit schwachem Druck Fußballorientiertes machen, dann sind Sie wirklich so originell wie jemand, der vor Weihnachten mit einem Weihnachtsmann wirbt.
Gäbler: Mit Franz Beckenbauer kann man alles machen, oder?
Turner: Das glaubt zumindest der, der ihn vermarktet.
Gäbler: Sie glauben es nicht?
Turner: Ich glaube nicht, dass man mit ihm alles machen kann. Ich glaube, dass es einen Abnutzungseffekt gibt. Ich glaube, dass sich sehr schnell ein Effekt ergeben kann - der ist vielleicht bei Beckenbauer nicht so schnell erreicht wie bei anderen -, dass man sagt: Das ist beliebig. Also, das Grundgesetz heißt, man macht sich rar.
Gäbler: Wann wäre für Sie diese WM ein Erfolg?
Turner: Die WM ist ein Erfolg, wenn die Welt sich für ein paar Wochen, während sie Fußball guckt, darüber freut, dass es ein Land gibt, in dem die Menschen gerne so ein Sportereignis bei sich aufnehmen, wo Menschen willkommen sind, wo ein großes Spiel, ein großes gemeinsames Fest inszeniert wird, ab dann ist es ein Erfolg.